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Sucht – ohne Ende?

Bei der klinisch-psychologischen Therapie von Suchtkranken stellt sich nicht mehr die Frage des „Entweder-oder“ zwischen ressourcen- und problemorientierter Behandlung, sondern des „Sowohl-als-auch“.


Dem mehrdimensionalen Charakter der Suchterkrankung entsprechend ist spezialisierte Suchttherapie multiprofessionell und interdisziplinär ausgerichtet. Die Anerkennung dieses Umstandes hat dazu geführt, dass sich der Anteil der Psychologen in Suchtbehandlungseinrichtungen seit Ende der 70er-Jahre vervielfacht hat.
Eine klinisch-psychologische Behandlung umfasst nicht nur die Behandlung psychischer Störungen, sondern auch die Behandlung psychischer Aspekte somatischer Störungen, was besonders in der Therapie von Suchterkrankungen zum Beispiel im Zusammenhang mit toxisch-nutritiven Hirnleistungsstörungen von großer Bedeutung ist.
In der theoretischen Fundierung psychologischer Arbeit kommt neben der Problem­aktualisierung und der Problembewältigung auch der Ressourcenaktivierung besondere Bedeutung zu. Dies bedeutet, unter der Vielzahl möglicher Ressourcen jene aufzufinden, die für die individuelle Person im therapeutischen Prozess hilfreich sind und unterstützend eingesetzt werden können.
Dazu gehören Ressourcen, die motivational stark besetzt sind und sich steigernd auf das Selbstwertgefühl auswirken. Diese sind besonders geeignet, den Veränderungsprozess zu mobilisieren. Je stärker die individuellen Ressourcen aktiviert werden, umso mehr wird sich der Patient in der Therapie wiederfinden und im Selbst aufgewertet fühlen.
Somit stellt sich nicht mehr die Frage des „Entweder-oder“ zwischen ressourcen- und problemorientierter psychologischer Behandlung nicht nur bei der Behandlung von Suchterkrankungen, sondern es sollte auch bei der klinisch-psychologischen Behandlung anderer Erkrankungen ein „Sowohl-als-auch“ sein. In diesem Sinne haben wir eine Reihe von professionellen und persönlichen Prämissen als Grundlage klinisch-psychologischer Behandlung definiert.

Professionelle Prämissen

Zu den professionellen Prämissen zählen unter anderem Kenntnisse über die positive Psychologie und ihr Einsatz zur Aktivierung positiver Emotionen. Sie sind eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Patienten das Suchtmittel durch neue Fähigkeiten wie zum Beispiel vermehrte Selbstfürsorge, Affekt- und Stressregulation ersetzen und dem höchsten Therapieziel, ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben ohne Suchtmittel zu führen, näher kommen.
Dies bedeutet in der klinischen Praxis, dass die psychologische Behandlung von Suchterkrankungen auch darauf abzielen muss, eigene Lebenskräfte neu- bzw. wiederzuentdecken.
Wichtig wären auch begleitende Evaluationen, die zwar immer eingefordert, aber in Österreich noch immer viel zu selten durchgeführt werden.
Das mag einerseits an den damit verbundenen Kosten liegen, andererseits besteht im klinischen Alltag kaum eine Tradition der Evaluation der eigenen Therapiekonzepte. Der klinisch arbeitende Psychologe sollte daher zumindest darauf achten, dass nur jene Behandlungsansätze im klinischen Bereich zur Anwendung kommen, die evidenzbasiert sind.

Persönliche Prämissen

Dazu zählt ganz wesentlich die Bereitschaft zur multiprofessionellen Zusammenarbeit. Eine solche ist für eine verantwortungsvolle und effiziente klinisch-psychologische Behandlung der Suchterkrankung unabdingbar. Einzelkämpfer und falsch verstandene berufliche Profilierung haben in diesem Bereich nichts verloren.
Aus dem Umstand, dass ein Patient aus eigenem Antrieb zum Psychologen kommt, zu schließen, dass er auch freiwillig kommt, ist bei Suchtkranken nicht immer angebracht. Sehr oft erfolgt die Kontaktaufnahme über massiven Druck von nahen Angehörigen, des Arbeitgebers oder sogar Behörden.
Diesem Umstand muss sowohl in der Motivations- als auch in der Behandlungsphase Rechnung getragen werden. Bei der Arbeit mit Suchtkranken müssen vom Therapeuten schließlich auch die eigenen co-abhängigen Mechanismen beachtet werden, da diese zu Verstrickungen mit den Patienten und somit zu ineffizienten Behandlungen führen können.

Autoren:
Dr. Senta Feselmayer und Dr. Wolfgang Beiglböck, Klinische und Gesundheitspsychologen und Psychotherapeuten, langjährige Tätigkeit im Bereich der Suchtbehandlung im stationären Bereich und in freier Praxis,
info(at)go.or.at
www.go.or.at

Foto: istockphoto

Prämissen einerklinisch-psychologischen Behandlung

 

Professionelle Prämissen

  • Kenntnisse der Motivationsarbeit
  • Kenntnisse der positiven Psychologie und Ressourcenarbeit
  • Umfassende Kenntnisse der klinisch-psychologischen Diagnostik für die jeweiligen Krankheitsbilder
  • Umfassende Kenntnis der psychologischen Theorien der jeweiligen Krankheitsbilder
  • Umfassende Kenntnis der darauf aufbauenden Behandlungsstrategien
  • Grundlegende medizinisch-biologische Kenntnisse der zu behandelnden Krankheitsbilder
  • Grundlegende Kenntnisse der Pharmakotherapie
  • Angehörigenarbeit
  • Begleitevaluation
  • Grundkenntnisse der Behandlungskonzepte im multiprofessionellen Team
  • Einhaltung ethischer Richtlinien

Persönliche Prämissen

  • Bereitschaft zur multiprofessionellen Zusammenarbeit
  • Reflexionsbereitschaft der persönlich-professionellen Entwicklung (Selbsterfahrung)
  • Super- und Intervision
  • Kenntnisse der ethischen Grundlagen