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Reproduktionsmedizin

Immer wieder sorgt die Reproduktionsmedizin für umstrittene Entwicklungen, die Gegner wie Befürworter auf die Barrikaden steigen lassen. Dieses Mal ist es die Geburt eines Babys mit drei genetischen Elternteilen, die für Aufregung sorgt. ÄRZTE EXKLUSIV hat Experten der Bioethikkommission befragt, wie sie zu dieser Thematik stehen.


Foto: Fotolia/kichigin19

Im April dieses Jahres hatte die Meldung Aufsehen erregt, dass es einem Forscherteam rund um John J. Zhang vom New Hope Fertility Center, USA, gelungen war, eine neue Ära in der Reproduktionsmedizin einzuläuten: In Mexico City wurde ein Baby mit dem Genom eines Vaters und zweier Mütter geboren. Die gebärende Mutter leidet am Leigh-Syndrom, einer Schädigung der Mitochondrien, und kann keine gesunden Babys bekommen. Die Eltern aus Jordanien entschlossen sich zu einer Behandlung, bei der Zhang und seine Kollegen den Zellkern der mütterlichen Eizelle mittels Spindeltransfers in die Eizelle einer Spenderin mit intakten Mitochondrien implantierten und diese befruchteten. Auf der Jahrestagung der ASRM, der American Society for Reproductive Medicine, wurden die neuesten Entwicklungen im Fall des Babys mit drei genetischen Eltern stolz präsentiert. bw

Diese Statements geben ausschließlich die Meinungen der Autoren wider.

Drei Eltern? – Ethische Fragen zu einer neuen Technik

Univ.-Prof. Dr. med. Dr. theol. Mag. pharm. Matthias Beck, Institut für Systematische Theologie, Theologische Ethik

Es gibt Erkrankungen, deren Ursachen in genetischen Schäden in den Mitochondrien der Eizelle lokalisiert sind. Mitochondrien liegen im Cytoplasma, also außerhalb des Zellkerns. Jede Zelle des Organismus hat einen Zellkern mit etwa 30.000 Genen und einigen wenigen Genen – etwa 32 – in den Mitochondrien. Eizelle und Samenzelle haben nur den halben Chromosomensatz, also etwa 15.000 Gene im Zellkern, und ebenfalls nur 32 Gene in den Mitochondrien.
Nun gibt es genetische Veränderungen in diesem mitochondrialen Genom, die zu schweren Schäden beim Embryo führen. Sollte eine solche genetische Veränderung im Genom der Eizelle einer Frau festgestellt werden, kann man neuerdings eine Eizelle von einer Eizellspenderin mit einem gesunden mitochondrialen Genom gewinnen und in diese Eizelle den Zellkern der Frau mit den erkrankten Mitochondrien transferieren. Dazu wird die gesunde Eizelle der Spenderin entkernt und der Zellkern der geschädigten Eizelle dort hineintransferiert. Diese neue Eizelle hat also fast das vollständige Genom der späteren Mutter (15.000 Gene aus dem Zellkern) und 32 Gene aus den Mitochondrien der Frau, die die mitochondrial gesunde Eizelle gespendet hat.
Jetzt wird gefragt, ob das ethisch zu rechtfertigen sei, da das Kind zwei Mütter und einen Vater habe. Das muss man so nicht sehen. Was zutrifft ist, dass das Kind das Genom vom Vater, den allergrößten Teil des Genoms von der Mutter und einen kleineren Teil von 32 Genen aus dem Zytoplasma der Eizellspenderin hat. Rein physiologisch gesehen ist die Eizellspenderin also keine „vollständige Eizellspenderin“, sondern nur eine Spenderin der gesunden mitochondrialen DNA. Bei vollständigen Eizellspenden kommt es womöglich in den Empfängerinnen zu Abwehrreaktionen gegen den Embryo/Fetus, da sowohl das genetische Material vom Vater als auch das der Eizellspenderin als insgesamt fremd empfunden und abgelehnt wird. Manche Frauen, die mithilfe von Eizellspenderinnen schwanger geworden sind, haben ihre Kinder wieder abtreiben lassen (vgl. dazu Tordy 2014). Im hier geschilderten Fall der „Mitochondrienspende“ wird also nicht die „ganze Eizelle“ gespendet, sondern nur die mitochondriale DNA mit dem Zytoplasma der Eizellspenderin, da das Zellkerngenom von der Mutter ist. Man könnte sich vorstellen, dass hier die psychische Abwehrreaktion nicht so groß ist, aber das ist nicht klar. Es scheint wohl auch nicht ganz klar zu sein, ob die fremde Eizelle nicht auch physiologisch etwas bewirkt.
Die ethische Frage müsste man wohl wie folgt reflektieren: Erstens müssen sich beide Frauen mit dem Prozedere der Hormonstimulation auseinandersetzen, die Eizellen beider Frauen werden in einer kleinen „Operation“ entnommen. Schließlich müssen die Zellkerne ausgetauscht und eine In-vitro-Fertilisation muss durchgeführt werden. Diese hat aus sich heraus eine gewisse Problematik. Erstens schwimmen die Embryonen bis zu sechs Tage in täglich zu wechselnden Nährlösungen, die antibiotikahaltig sind. Diese Antibiotika (meist Gentamyzin) sind in ihrer Menge nicht deklariert und für die Nährlösungen gibt es keine Standards. Offensichtlich können aufgrund der Nährlösungen bei den späteren Kindern Gefäßschäden und Bluthochdruck entstehen. Sollte außerdem die ICSI-Methode (intracytoplasmatische Spermieninjektion) als eine bestimmte Methode der IVF verwendet wird, könnte es passieren, dass ein genetisch geschädigtes Spermium in die Eizelle verbracht wird, da man zwar Morphologie, Zahl und Beweglichkeit der Spermien testen kann, nicht aber die genetische Ausstattung. Auch das kann zu Schäden beim späterem Kind führen. Nach wie vor werden nicht selten zwei oder drei Embryonen eingepflanzt, von denen dann wieder ein oder zwei per Fetocid mittels Herzstich und Infusion von Kaliumchlorid getötet werden. Hier sollte man sich für einen einzelnen Embryotransfer einsetzen. Das ethische Problem bei dieser Methode ist also nicht nur der Zellkerntransfer und die drei verschiedenen Genome – deren Auswirkungen müsste man sehr genau beobachten –, sondern das gesamte Prozedere, das im Sinne des „informed consent“ der Patientin und auch dem Paar behutsam, aber doch erklärt werden müsste und nicht scheibchenweise. Auf Dauer besteht die Gefahr, dass die Medizin immer mehr Genome mixt und die Kinder dann Probleme mit ihrer genetischen Herkunft haben. Diese spielt bei der Identitätsfindung eine größere Rolle, als man bisher dachte. Kinder suchen nach ihren genetischen Eltern. Deswegen haben sie auch ein Recht, Auskunft darüber zu erhalten. Das Kindeswohl sollte im Zentrum stehen. 

Das Kind mit nur drei Eltern?

Von Univ.-Prof. Dr. Peter Kampits, em. Universitätsprofessor für Philosophie und zweiter stellvertretender Vorsitzender der Bioethikkommission, und Mag. Eva Horvatic, Kommunikationswissenschaftlerin

Die Fortschritte in der Reproduktionsmedizin haben offenbar einen weiteren Höhepunkt erreicht, indem durch eine neue Technik im Rahmen der künstlichen Befruchtung eine Erbkrankheit verhindert wurde. Die Erbinformation eines Paares wurde mit dem Eiplasma und den darin enthaltenen Mitochondrien einer Spenderin kombiniert. Es geht dabei nicht um Erbgutdesign, sondern um die Ausschaltung einer schweren Erbkrankheit. Im Grunde genommen scheinen medizinisch und biologisch wenige Risiken damit verbunden zu sein, welche nicht schon aus der künstlichen Befruchtung bekannt sind. Dennoch hat dieser Eingriff eine wahre Fülle an Diskussionen mit sich gebracht, nicht zuletzt auch, welche neuen Fragestellungen der Legislative in Hinkunft zufallen werden.
Was allerdings aus ethischer und philosophischer Sicht bedenklich scheint, ist die Tatsache, dass in all den Statements die Dimension eines soziotechnischen Ansatzes wieder ausgeblendet bleibt: Den Menschen rein biologistisch zu betrachten und lediglich auf einer naturwissenschaftlichen Oberfläche beschreiben und gar erfassen zu wollen, reicht längst nicht aus. Der Mensch hat nicht nur biologische Eltern, er hat auch „soziale“. Diejenigen, die sich um ihn kümmern, ihn großziehen, mit einem Wertesystem vertraut machen, sind mindestens ebenso wichtig wie jene, von denen er biologisch abstammt. Darüber hinaus hat der Mensch auch „geistige“ Eltern. Zu ihnen gehören jene Personen, die ihn lehren, Wertesysteme zu hinterfragen und eine konstruktive Kritikfähigkeit zu entwickeln. Der Mensch wächst in eine geistige Verbundenheit ebenso hinein wie in eine soziale. Nicht selten sind gerade unsere geistigen Eltern Personen, die mit uns in biologischer Hinsicht nur wenig oder überhaupt nichts zu tun haben. Können wir es uns wirklich leisten, in all den nun zu führenden Diskursen und bei den anstehenden Entscheidungen diese Aspekte weiterhin außer Acht zu lassen?

Keine Eizelle im Sinne des Fortpflanzungsmedizingesetzes

Professor Dr. phil. Barbara Prainsack, FRSA, Professorin für Soziologie am Department for Social Science, Health & Medicine am Londoner King’s College

Im September wurde die Geburt eines Buben verlautbart, der in Mexiko aus der Samenzelle seines Vaters und der genetischen Information seiner Mutter gezeugt worden war, welche in die entkernte Eizelle einer Spenderin eingebracht worden war. Auf diese Weise konnte die Vererbung einer Krankheit vermieden werden, deren Ursache in den Mitochondrien – also den „Energiekraftwerken“ der Zelle – der Mutter lag. Wenige Wochen später wurde bekannt, dass mehrere andere Kinder mithilfe dieser Methode in anderen Ländern bereits zur Welt gekommen waren. Seitdem wird diskutiert, ob die Zeugung von Kindern mit „drei Eltern“ unethisch sei.
Zuallererst: Es ist irreführend, die Spenderin einer Eizelle, aus der fast die gesamte genetische Information entfernt wurde, als „Elternteil“ zu bezeichnen. Eine solche Wortwahl dient dazu, Frankenstein-Szenarien heraufzubeschwören und Angst zu schüren. Die Bezeichnung Mitochondrienspenderin ist präziser und entbehrt eines moralisierenden Untertons.
In Österreich ist die Rechtslage zur Mitochondrienspende nicht ganz eindeutig. Wenn man eine Zelle als Eizelle, deren Zellkern – und damit über 99 % der DNA – entfernt wurde, als „Eizelle“ sieht, dann ist die Mitochondrienspende in Österreich verboten. Wenn sich hingegen die Auffassung durchsetzt, dass eine solche DNA-arme Zelle nicht als Eizelle im Sinne des Fortpflanzungsmedizingesetzes anzusehen ist, dann wäre es unter bestimmten Umständen heute schon möglich, diese Methode in Österreich anzuwenden.
Mit der Frage, ob die Mitochondrienspende verboten werden sollte, stellt man allerdings die falsche Frage in den Vordergrund. Wenn eine von einer mitochondrialen Krankheit betroffene Frau unbedingt ein genetisch verwandtes Kind haben möchte, dann soll ihr dieser Weg offen stehen. Allerdings sind die emotionellen, körperlichen und finanziellen Kosten solcher Eingriffe nicht zu unterschätzen: Sie sollten nur dann zum Einsatz kommen, wenn die betroffenen Personen alle anderen Möglichkeiten eines erfüllten Lebens erwogen haben und zum Schluss kommen, dass es für sie keinen anderen Weg gibt.

Welche Risiken sind wir bereit zu übernehmen?

Dr. Andrea Bronner, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Stellvertretende Vorsitzende der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung

Gibt es ethische Gründe, warum wir den Mitochondrien-Transfer (MT) in jenen Fällen verbieten sollten, in denen es ziemlich sicher ist, dass Kinder mitochondriale Erkrankungen erben, weil deren Mutter Trägerin einer solchen Krankheit ist? In England ist diese Technik, im Gegensatz zu Österreich, seit Februar 2015 gestattet und auch das US Institute of Medicine hat den MT unter bestimmten Bedingungen akzeptiert.
Mitochondriale Erkrankungen entstehen durch Mutationen in der DNA der mütterlichen Mitochondrien – und nicht in der DNA des Zellkerns. Der MT ist eine Möglichkeit, das Vererben von – meist schweren, oft tödlichen – Erkrankungen zu verhindern. Mittels dieser Technik hätte der Embryo drei „Eltern“: die Zell-DNA von Mutter und Vater und die mitochondriale DNA von einer Eispenderin. Doch ist diese ein echter Elternteil? Nur circa ein Promille unserer Gene sind in den Mitochondrien enthalten, das heißt, die Spenderin steuert nur einen winzigen Teil des genetischen Materials bei, aber es macht den Unterschied zwischen krank und gesund (abgesehen davon, dass ein Kind, das mittels Eispende in einer Frau ausgetragen wird, auch drei Elternteile hat).
Ein anderer Einwand ist, dass MT eine Art genetische Modifizierung darstellt und wir nicht wissen, welche die Auswirkungen sein können. Doch Mitochondrien kommen natürlich vor und werden nicht hergestellt; es handelt sich also um keine genetische Änderung. Trotzdem ist nicht garantiert, dass das Verfahren risikolos ist. Wir müssen uns entscheiden, welche Risiken wir bereit sind zu übernehmen. Welche sind denn die Alternativen zum MT für jene Familien, die unter diesem mitochondrialen Damoklesschwert stehen: IVF mit PID macht keinen Sinn, wenn eine Frau fast nur mutierte Mitochondrien hat, und die Eispende bzw. Adoption ermöglicht nur zum Teil oder gar kein leibliches Kind. Es ist noch zu früh, um zu ermessen, ob MT sicher und effektiv genug sein wird. Die Ergebnisse aus Salt Lake City sind wichtige Schritte, um dies herauszufinden.