Raucherentwöhnung Diagnose und Therapie
Die Rauchertherapie basiert auf wissenschaftlich fundierten diagnostischen und therapeutischen Verfahren. Es gibt ausreichend wissenschaftliche Studien, die die Wirksamkeit von psychologischen und medikamentösen Verfahren belegen. Je nach gegebener Situation oder aufgrund individueller Präferenz ist jede Form der Kombination möglich. Eine ausführliche Raucherdiagnostik können niedergelassene Klinische Psychologen auf Krankenschein durchführen.
Raucher, die ihren Zigarettenkonsum weniger aufgrund eines „physischen“ Verlangens, sondern vorwiegend aufgrund psychologischer Aspekte steuern, werden eine entsprechende Unterstützung im Sinne einer psychologischen Intervention besonders erwarten. Dabei bedient sich die systematische Raucherentwöhnung bevorzugt verhaltenstherapeutischer Prinzipien. Verhaltenstherapeutische Selbstkontrolltechniken gepaart mit Strategien zur Rückfallprophylaxe liefern durchschnittliche Langzeiterfolgsraten – Abstinenz ein Jahr nach der Therapie – von 25 bis 30 Prozent.
Spiegel- & Spitzenraucher
Beim Spiegelraucher ist anzunehmen, dass er viele seiner Zigaretten aus „Gewohnheit“ raucht und eine ganze Reihe von Alltagssituationen für ihn Auslöser zum Tabakkonsum darstellen. Wichtig wird es daher sein, mittels Verhaltensanalyse jene Auslöser ausfindig zu machen, die das Rauchverlangen produzieren. Dazu eignet sich vor allem das Führen eines Raucherprotokolls. Wurden solche immer wiederkehrenden Rauchanlässe analysiert, kann mit entsprechenden Selbstkontrollmaßnahmen darauf reagiert werden.
Spitzenraucher erwarten sich durch ihr Rauchen meist eine positive Konsequenz, wie etwa eine Stressreduktion. Es wird also darum gehen, zum einen diese Situationen zu kontrollieren – wie zum Beispiel darauf zu achten, dass sich der Klient nicht unnötigerweise Stresssituationen aussetzt –, zum anderen aber auch entsprechende Reaktionsmuster anzubieten, etwa Entspannungsmethoden, um in den betreffenden Situationen besser und vor allem ohne Zigarette bestehen zu können.
In der zehnten Fassung der International Classification of Diseases (ICD-10) wird die Nikotinabhängigkeit wie jede andere Abhängigkeit von einer Substanz behandelt. Treffen während der letzten zwölf Monate drei oder mehr der sechs aufgelisteten Kriterien – wie „Zwang zum Konsum“, „Kontrollverlust“, „Entzugserscheinungen“, „Toleranzentwicklung“, „Vernachlässigung von Interessen“ oder „Konsum trotz schädlicher Folgen“ – zu, so ist die Diagnose „Nikotinabhängigkeit“ zu stellen. Viele Raucher schaffen die gleichzeitige Trennung von der Rauchgewohnheit und die Entwöhnung vom Nikotin nicht. Wird die Nikotinsubstitution als flankierende Maßnahme, etwa in der Begleitung von verhaltenstherapeutischen Strategien eingesetzt, können deutlich bessere Ergebnisse erzielt werden als mit einer der Methoden alleine.
Nikotinersatz
Folgende Therapieformen der Nikotinersatztherapie stehen zur Verfügung: Pflaster, Kaugummi, Inhalator und Sublingualtablette. Die Wirksamkeit dieser seit vielen Jahren etablierten Methoden ist deutlich belegt. Eine Meta-Analyse von 28 randomisierten Untersuchungen zeigte signifikant hohe Erfolgsquoten von Kaugummi und Pflaster gegenüber Placebo. Die Behandlungsstrategien können individuell nach den Bedürfnissen der Patienten zugeschnitten werden: Manche brauchen höhere Dosierungen, andere profitieren von einem Langzeitgebrauch (Dauermedikation) oder brauchen verschiedene Kombinationen von Nikotinersatz.
Andere zentralnervös wirksame Medikamente (Bupropion, Varenicline) können im Rahmen der Rauchertherapie sehr sinnvoll sein, bedürfen aber – aufgrund zahlreicher Kontraindikationen – eines gezielten Einsatzes und einer kontinuierlichen Kontrolle, da auch gravierendere Nebenwirkungen auftreten können.
Stationäre Rauchertherapie
Die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau, die Wiener Gebietskrankenkasse und die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse bieten in Kooperation mit dem Institut für Sozialmedizin der Medizinischen Universität Wien eine Form der stationären Rauchertherapie an. Bei dieser Maßnahme unterziehen sich stark nikotinabhängige Raucher drei Wochen lang einer stationären Rauchertherapie in einer Gesundheitseinrichtung (Josefhof, Graz; Linzerheim, Bad Schallerbach). Mittels Einzel- und Gruppeninterventionen, psychologischer Behandlung, Herz-Kreislauf-Training, Ernährungsberatung, physikalischer Therapien, mentaler Entspannungsmethoden und Nikotinersatztherapie sollen Patienten Abstinenz erzielen können und gleichzeitig Fertigkeiten erwerben, die es ihnen ermöglichen, auch in Zukunft rauchfrei zu bleiben.
Zu berücksichtigen ist, dass die Raucherentwöhnung einen Prozess darstellt und daher über einen längeren Zeitraum durchzuführen ist. Umso höher die Nikotinabhängigkeit bei Rauchern ausgeprägt ist, desto eher wird eine medikamentöse Unterstützung Hilfe bieten. Je mehr die psychosozialen Gründe maßgeblich am Rauchverhalten beteiligt sind, werden entsprechende psychologische Interventionen den gewünschten Erfolg bei der Raucherentwöhnung bringen. Bei einem großen Teil der Entwöhnungswilligen wird beides von entscheidender Bedeutung sein. n
Autor: Univ.-Prof. Dr. Rudolf Schoberberger
Institut für Sozialmedizin, Zentrum für Public Health, Medizinische Universität Wien
Tel.: 01/40160 34887
rudolf.schoberberger
meduniwien.ac.at
www.raucherhilfe.at
Foto: bildagentur waldhäusl
Österreich: Land der Raucher
Ein wesentlicher Grund, warum Österreich in einer internationalen Studie zur Kinder- und Jugendgesundheit unter 30 Staaten nur den Platz 27 erreicht, ist der signifikant hohe Anteil an jugendlichen Rauchern und das gleichzeitig vergleichbar niedrige Einstiegsalter beim Nikotinkonsum. Mittlerweile greifen bei den unter 15-Jährigen bereits 26 Prozent der Mädchen und 24 Prozent der Burschen regelmäßig zur Zigarette. Das ist trauriger Spitzenwert in Europa, fügt sich aber „harmonisch“ in ein katastrophales Gesamtbild: Über ein Drittel aller jungen Erwachsenen rauchen täglich, einer der
höchsten Anteile weltweit.
Rauchen ist laut Weltgesundheitsorganisation die wichtigste, vermeidbare Krankheits- und Todesursache. Zigarettenrauch enthält über 4.000 chemische Verbindungen, von denen mehr als 60 Substanzen als kanzerogen eingestuft werden. Kein Wunder also, dass die meisten Raucher lieber heute als morgen mit ihrem Laster aufhören wollen.
Aufhören wollen und aufhören können sind aber dann doch zwei Paar Schuhe. Viele Raucher brauchen daher häufig mehrere Anläufe, bis sie das Rauchen erfolgreich aufgeben. Dabei werden unterschiedliche Methoden ausprobiert, bis die geeignete Methode zum erfolgreichen Rauchstopp gefunden wird. Die geeignete Methode hängt schließlich auch vom Grad der Abhängigkeit ab. Nach mehreren erfolglosen Rauchstoppversuchen scheint es jedenfalls ratsam, einen Experten, einen Arzt oder Psychologen zu konsultieren, der über die entsprechenden Methoden berät.
Die Ärztekammer wünscht sich im Übrigen eine finanzielle Unterstützung bei Rauchentwöhnungstherapien. „Zumindest ein Drittel der Kosten sollte von den Kassen übernommen werden“, fordert Ärztekammerpräsident Walter Dorner, „und ein weiteres Drittel sollte aus den Tabaksteuereinnahmen finanziert werden.“
Am besten wäre es allerdings, erst gar nicht mit dem Rauchen anzufangen. Für Jugendliche spielt dabei die positive Vorbildwirkung der Erwachsenen eine entscheidende Rolle. Studien belegen, dass 80 Prozent der Kinder rauchender Eltern später ebenfalls zur Zigarette greifen. (pe)



