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Zwitschern Sie schon?

Aktives Gestalten ist das Kommunikationsgebot der „Always-on“-Generation – ein Trend, der auch an der Arzt-Patienten-Kommunikation nicht spurlos vorbeigehen wird.


Foto: istockphoto

Autorin:
Mag. Michaela Binder
com_studio, Agentur für Web- und Online Kommunikation
www.com-studio.at

Wäre Facebook ein Land, wäre es das Land mit der drittgrößten Einwohnerzahl – größer als die USA und auch größer als alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union zusammengezählt. Allein in Österreich gibt es derzeit 3,2 Millionen registrierte Facebook User. Von einer „Modeerscheinung“ zu sprechen, gilt demnach längst nicht mehr, vielmehr hat in den letzten Jahren eine neue Kommunikationskultur in unsere Gesellschaft Einzug gehalten: Aktives Gestalten, Mitmachen, Kommunizieren und Informieren heißt die Devise. Aber gilt das auch für die Arzt-Patienten-Kommunikation? Können oder sollen Ärzte das Internet und Social Media zur Kommunikation mit ihren Patienten nutzen? Und wenn ja – wie am besten?
Krankheiten zu googeln ist heute fast schon ein Volkssport – Symptome in die Suchmaschine eingeben und fertig ist die Diagnose. Der Segen des Internets ist die unglaubliche Fülle an Informationen, der Fluch der Onlinemedizin ist die Orientierungslosigkeit. Die Masse an Inhalten der Webseiten kann den Benutzer erschlagen und auf die falsche Spur führen. Die Situation ist für Ärzte und Patienten gleichermaßen schwierig, da in kurzer Zeit alle Informationen, die veraltet oder falsch sind, diskutiert werden müssen.

Webseite ist nicht genug

Für Mediziner heißt das kurz gesagt: Eine statische Website alleine reicht heute nicht mehr aus, um in der digitalen Welt aufzufallen. Patienten suchen aktiv in Bewertungsportalen wie etwa docfinder.at und über Google nach Informationen über ihren Arzt oder eine Krankheit und mögliche Therapieoptionen.
Um in dieser Fülle an Informationen aufzufallen, ist ein standardisierter Eintrag in einem Onlineverzeichnis zu wenig. Dort wird weder die Identität eines Arztes definiert, noch seine Fachkompetenz vermittelt.
Eine professionelle Webseite mit allen für den Patienten relevanten Informationen – von Leistungen, über Öffnungszeiten, Vorstellung des Teams bis hin zur Anfahrt – ist unverzichtbar. Mittlerweile empfiehlt es sich, auch noch einen Schritt weiter zu gehen und Tools wie Blogs oder Soziale Medien aktiv einzusetzen.
Netzwerken um jeden Preis?!
Allen voran bewertet die Suchmaschine Google Social Media-Aktivitäten sehr positiv. Das heißt, die eigene Website wird in den Suchanzeigen weiter oben angezeigt und das erhöht die Chance, dass der User auf Ihrer Website auch tatsächlich vorbeischaut. Durch eine eigene Facebook-Seite können Ärzte den direkten Dialog zu Patienten suchen und Neuigkeiten kommunizieren. Somit ist man nicht von anonymen Bewertungsportalen abhängig und hat die Möglichkeit, die direkte Interaktion mit den Patienten zu suchen.
Ein professionelles Facebook-Profil zeigt außerdem Interesse an neuen Technologien und die Fähigkeit, mit der Zeit zu gehen. Im offenen Onlinedialog mit den Patienten können Kompetenzen, Fähigkeiten und all jene Dinge, für die im Praxis­alltag nicht unbedingt Zeit bleibt, kommuniziert werden. Man hat direkten Zugriff auf die Meinungen der Patienten und kann die Kommunikation aktiv mitgestalten.

Lohnt sich der Aufwand?

Aber ist der Aufwand auch wirklich Erfolg versprechend? Zahlen überzeugen: Digitas Health, ein weltweit führendes pharmazeutisches, biowissenschaftliches und medizintechnisches Unternehmen, hat mehr als 1.000 Ärzte und Patienten in Europa und in den USA befragt, um herauszufinden, was für eine Rolle Social Media im Bereich Gesundheit spielt. Ein Ergebnis aus dieser Studie ist, dass 67 % der Patienten in Europa den Informationen über Gesundheitsthemen, die sie in Social Media finden, auch vertrauen. Im Vergleich dazu sind es nur 45 % der amerikanischen Verbraucher. In Deutschland vertrauen Patienten gesundheitsbezogenen Informationen aus Social Media mit 33 % am meisten. Der europäische Durchschnitt liegt bei 28 %.

Gut Ding braucht Planung

Aber, Achtung – bei Facebook gilt: Dabeisein ist nicht alles. Ein Facebook-Profil muss aktiv gelebt werden, der Dialog muss stattfinden, auch auf mögliches negatives Feedback muss eingegangen werden. Außerdem empfiehlt es sich, im Vorfeld Themen und Inhalte zu definieren, die kommuniziert werden können und sollen. So können die Jahreszeiten und dafür typische Krankheiten hervorgehoben werden. Tipps & Tricks aus der Hausapotheke, Wissenswertes über Krankheitssymptome, aber auch interaktive Umfragen beispielsweise über die Praxiseinrichtung etc. sind zu überlegen. Themen gibt es genug, ein grober Fahrplan hilft dabei, den Überblick zu behalten und professionell zu bleiben. Wichtig ist auch, genau festzulegen, wer die Verwaltung des Profils durchführt. Anders als bei Unternehmen gibt es in den Arztpraxen keine eigenen PR-Abteilungen, das heißt alle Beteiligten müssen geschult und vorbereitet werden und die Aufgabe des „Postens“ muss klar verteilt sein.

Vorsicht ist geboten

Bei allen Vorteilen darf nicht vergessen werden, dass die sozialen Netzwerke öffentlich sind. Berichte über Patienten sind immer zu vermeiden: Das Berufsgeheimnis gilt auch für das Internet! Außerdem empfiehlt es sich, Beruf und Privatleben im Social Web strikt zu trennen, erstellen Sie unbedingt ein eigenes Facebook-Profil für die Ordination und eines für die Privatperson. Bei den kommerziellen Fanseiten sollten alle persönlichen Personenangaben wie Alter, Beziehungsstatus oder Hobbys ausgelassen und lediglich medizinische bzw. praxisrelevante Informationen veröffentlicht werden. Ein Arzt bleibt trotz größerer Erreichbarkeit über das soziale Netzwerk immer noch ein Arzt und die Beratung und Behandlung sind ausschließlich der Praxis vorbehalten.

Twitter, Youtube und andere

Anders als bei Facebook steht auf der Kommunikationsplattform Twitter ein eingeschränkter Platz – nämlich maximal 140 Zeichen für eine Nachricht (Tweet) zur Verfügung. Diese Plattform eignet sich daher für kurze Nachrichten, die schnell verbreitet werden sollen. Und es gibt auch hier Beispiele, dass Twitter von Medizinern genutzt wird. In den Niederlanden gibt es zwei Hausärzte, die ärztliche Erstberatung per Twitter-Chat anbieten (https://twitter.com/twwtspreekuur). Insgesamt gibt es dort bereits über 5.000 Tweets. Die Mediziner weisen jedoch auch ausdrücklich darauf hin, dass die Twitter-Sprechstunde keine ärztliche Beratung ersetzt und auch nicht ersetzen soll.
Youtube – die weltweit größte Videoplattform – ist eine weitere spannende Möglichkeit, komplexe Inhalte auch mit bewegten Bildern einfach aufzubereiten – sei es die Praxis und das Team vorzustellen oder Tipps und Hilfestellungen näherzubringen. Eingebunden in die bestehende Website und/oder das Facebook-Profil erzielt man einen weiteren Mehrwert, der den Patienten und letztendlich dem Arzt zugutekommt. Jedoch auch hier gilt: Hände weg von Amateur- oder Privatvideos, wer Filme integrieren möchte, tut gut daran, einen Profi zu Hilfe zu holen.

Mediziner, öffnet euch!

Social Media bieten eine Fülle an Möglichkeiten, neue Kommunikationsfelder zu erschließen, neue Patienten zu gewinnen bzw. die Patientenbindung zu verbessern. Alles beginnt mit einer gut überlegten und regelmäßig gepflegten Website und geht dann weiter in die einzelnen Social Media-Kanäle. Allen Kanälen ist gemein, dass sie den persönlichen Kontakt definitiv nicht ersetzen, aber sinnvoll ergänzen können. Es ist also mehr als an der Zeit, dass Social Media auch in die Arzt-Patienten-Kommunikation Einzug hält!

Achtung Silver Surfer!

Sie werden im Internet „Best Ager“ oder „Silver Surfer“ genannt: die Generation „50 plus“ auf der Datenautobahn. Sie haben keine Berührungsängste mit der neuen Technologie Web und Social Media. Die Angebote für diese Zielgruppe wachsen täglich. Doch wer sind die Silver Surfer? Nach Angaben der Nielsen-Gruppe zeichnen sie sich durch einen hohen Bildungsstand aus. Ihr Einkommen liegt im Schnitt höher als das jüngerer Webnutzer. Wenn es um das Sich-Informieren geht, nutzen Silver Surfer vor allem die Suchmaschinen und Newsportale. Produkte und Dienstleistungen werden verglichen, Reisen organisiert und auch Informationen über die Gesundheit eingeholt. Vorzeigebeispiele sind etwa www.facebook.com/360zahn oder www.facebook.com/0bis18.