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Zu ebener Erde und im ersten Stock

Wer durch Wiens Straßen eilt, bemerkt, dass in so manche Sockelzone wieder Leben einkehrt. Vor allem junge Ärzte haben keine Scheu, ihre Ordinationen in leer stehenden Gassenlokalen zu betreiben – barrierefreier Zutritt inklusive. Röntgenlabors im Erdgeschoß gibt es mittlerweile viele. Jetzt springen auch Zahn-, Augenärzte und Allgemeinmediziner auf diesen Zug auf.


Foto: bildagentur waldhäusl

Ing. Bernhard Holper von der Soravia Group

Gerhard Hudej, Hudej Zinshausmakler GmbH

Mag. Michael Ehlmaier, geschäftsführender Gesellschafter EHL Immobilien GmbH

Prok. Ernst Kovacs, Bereichsleiter Projekte bei Raiffeisen Evolution

Für Mag. (FH) Mag. Alexander Fenzl, Leiter gewerbliche Vermietung bei Otto Immobilien, liegen die Gründe auf der Hand: „Abgesehen von absoluten Frequenzlagen liegen die Mieten von Geschäftslokalen deutlich unter jenen von Wohnungen im selben Objekt.“ Nach wie vor gelte die Lage als preisbestimmend. Dort wo aber aufgrund mangelnder Frequenz kein Supermarkt seine Pforten öffnen möchte, gibt es preisgünstige Flächen. In mittleren Lagen, rechnet Fenzl vor, können gewerbliche Flächen um bis zu 30 Prozent günstiger kommen als Wohnungen im selben Haus im ersten Stock. „Bevor der Hauseigentümer keinen Mieter findet, gibt er lieber bei seinen Preisvorstellungen ein wenig nach.“

Miete oder Kauf

„Die klassischen Ordinationen werden in Wien zum überwiegenden Teil gemietet“, bringt es Mag. Michael Ehlmaier, geschäftsführender Gesellschafter EHL Immobilien GmbH, auf den Punkt. „Gekauft wird selten.“ Zumeist werden von außen uneinsehbare Objekte gewünscht. Besonders beliebt sind Objekte im Hochparterre oder im ersten Stock. Als Mieter sind Ärzte gerne willkommen. „In der Regel mieten sie langfristig. Die ziehen nicht alle drei bis fünf Jahre wieder aus, bleiben 15 bis 20 Jahre. Das freut jeden Vermieter.“
In den Bundesländern – Landeshauptstädte ausgenommen – werde auch gerne gekauft. „In der Regel handelt es sich dabei um Einfamilienhäuser. Da ist dann die Ordination in ein paar Zimmern im Erdgeschoß untergebracht und gewohnt wird mit der Familie im Stock“, so Ehlmaier. Diese Kombination sei am Land auch viel leichter zu realisieren. „Die Preise liegen da deutlich unter dem Wiener bzw. Wiener Speckgürtel-Niveau“.
„Gekauft wird dann, wenn es darum geht, in einem Haus Gemeinschaftspraxen oder ganze Gesundheitszentren unterzubringen“, erläutert Ehlmaier. „In der Regel sind das dann Objekte mit vier bis acht Ärzten, die sich zusammentun. Da macht Kaufen durchaus auch Sinn.“ Einen Trend, den auch der auf Wiener Zinshäuser spezialisierte Makler Gerhard Hudej von der Hudej Zinshausmakler GmbH beobachtet: „Wir haben immer wieder Anfragen, die in diese Richtung gehen.“ Besonders beliebt sind – was nicht verwundert – Objekte in der Nähe des Wiener AKH. Dort sei aber das Problem für Gesundheitszentren oder Gemeinschaftspraxen, geeignete Häuser zu finden. „Ein derartiges Projekt lässt sich nur realisieren, wenn genügend Freiflächen vorhanden sind.“ Am besten würden sich bestandsfreie Immobilien eignen. Diese sind aber in den Gassen rund um das Wiener AKH Mangelware. Zinshäuser und Wohnungen in der Nähe von Spitälern sind nicht nur bei Ärzten begehrt. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: „Dort stimmt die lokale Infrastruktur und die Nahversorgung. Sie sind zumeist verkehrsgünstig gelegen und können mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreicht werden. Da in einem großen Spital auch viele Personen beschäftigt sind, finden sich zumeist in der Nähe auch Kindergärten. Da stimmt einfach die Mikrolage“, merkt Hudej an. Sollte ein Arzt aber dennoch ein passendes Objekt finden, drohe ihm kein „Ärzte-Zuschlag“. „Das Preisniveau ist in AKH-Nähe jetzt schon hoch genug.“
Ein ganz ähnliches Bild zeichnet Ing. Wolfgang Maislinger, Geschäftsführer von Hölzl & Hubner Immobilien GmbH in Salzburg. „Ärzte mieten. Sie kaufen nicht – zumindest nicht ihre Ordination.“ Die Preise orientieren sich an den Mietpreisen für Gewerbeimmobilien. Für sehr gute Lagen muss man zwischen 10 und 12,50 Euro rechnen, mittlere Lagen gibt es um 8 bis 9,50 Euro. Freies Kapital werde lieber in Anlegerobjekte investiert. „Am Land ist das sicher anders. Da werden Einfamilienhäuser gerne kombiniert genutzt.“
Christa Barwig, Geschäftsführerin von Steindorff Immobilien in Graz kann sich nicht erinnern, in den vergangenen zehn Jahren eine Wohnung an einen Arzt verkauft zu haben, der diese als Ordination nutzen wollte. „Ärzte mieten lieber.“ Stark nachgefragt werden Objekte am östlichen Murufer. Dort liegen die Preise auch in der höheren Bandbreite. Besonders geschätzt sind Leonhard und Geidorf, unmittelbar an die innere Stadt angrenzende, gutbürgerliche Bezirke. Doch da kann es teuer werden. „Die Universitäten mit ihren viele Studenten treiben die Preise hoch.“ Dass sich immer mehr Ärzte in Erdgeschoßzonen einmieten, habe sie schon bemerkt. „Auch meine Hausärztin in Raaba hat ihre Ordination im Erdgeschoß.“ Sie selbst sei aber als Maklerin damit noch nicht konfrontiert gewesen. „Der Weg von Wien nach Graz ist lang. Da liegt entweder der Semmering oder der Wechsel dazwischen.“
In Wiener Neustadt hält sich die Nachfrage nach Ordinationsflächen in Sockelzonen in einem überschaubaren Ausmaß. „Ich sehe keinen Trend“, meint etwa Wolfgang Weibl, Geschäftsführer der s-Real in Wiener Neustadt. Gefragt sind Objekte in Krankenhausnähe. „Das Preisniveau liegt bei 9 bis 10 Euro netto. Dazu kommen noch Betriebskosten.“
Von einer Entwicklung weiß Weibl allerdings zu berichten: „Seit September des Vorjahres müssen Mieterträge mit Ärzten ohne Umsatzsteuer ausgewiesen werden. Die Konsequenz: Der Vermieter verliert für den auf die Ordination entfallenden Anteil den Vorsteuerabzug. Diesen Verlust versuchen nun Vermieter durch höhere Nettomieten auszugleichen.“

Die Praxis in der Seniorenresidenz

Seit 2007 stand das zweitgrößte Gebäude „Das Hamerling“ in der Josefstadt leer. Noch im Oktober startet die Revitalisierung des Gebäudes aus der k. u. k. Monarchie. Bei der Liegenschaft mit rund 5.000 Quadrat­meter Grundfläche handelt es sich um das ehemalige Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen. Geplant sind auf circa 20.000 Quadratmetern Nutzfläche ein Dachgeschoßausbau für Eigentumswohnungen, eine Seniorenresidenz, Tiefgarage, Kindergarten, Restaurant, Fitnesscenter und ein Ärztezentrum. Dieses wird, so Projektleiter Ing. Bernhard Holper von der Soravia Group, im Erdgeschoß liegen. „Für das Ärztezentrum sind vier Praxen in der Größenordnung von 120 bis 160 Quadratmeter vorgesehen. In Summe sind 640 Quadratmeter für das Projekt reserviert.“ Zu Quadratmeterpreisen kann Holper noch nichts sagen. „Die Preise stehen noch nicht fest.“ Wenn alles nach Plan verläuft, ist mit einer Fertigstellung des Projekts im September 2015 zu rechnen. Entwickelt wird das Gebäude von der Soravia Real Estate Development gemeinsam mit der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) und der Schweizer MHH Development AG (MHH).

Benchmark: Preis für Gewerbeobjekte

Die Einschätzung des Preises einer Gesundheitsimmobilie erschwert laut Ing. Dr. Bernd Bartosek, Geschäftsführer der Bartosek Projektbetreuung, die Tatsache, dass es sich dabei um eine „Spezialimmobilie“ handelt. Allerdings sei es etwa für Ärzte empfehlenswert, sich am Markt für Gewerbeimmobilien zu orientieren – auch wenn die Nutzung anderer Natur sei. Nachsatz: „Keiner sollte einen Preis zahlen, der über den ortsüblichen gewerblichen Mietpreisen liegt.“

Standort und Nutzungsmix

„Ganz besonders wichtig ist es, im Vorfeld einschätzen zu können, was ein guter Standort verlangt und welcher Nutzungsmix dort funktioniert“, sagt Bartosek. So mache es beispielsweise für einen Radiologen Sinn, die räumliche Nähe zu einem Allgemeinmediziner und einem Internisten zu suchen. Eine Suche, die sich Ärzte, die sich in seinem Projekt MED-22, einem multidisziplinären Gesundheitszentrum in Stadlau, das Anfang Oktober seine Pforten öffnet, ersparen können. „Unser Konzept entspricht dem aktuellen Trend zu Agglomerationsstandorten zur hochqualitativen Versorgung von Patienten außerhalb des Krankenhauses.“ International sei der Trend zu medizinischen Agglomerationen bereits unübersehbar. „Es kommt auf die Mischung an“, so Bartosek. Im MED-22 wird auf einen guten Mix geachtet. „Dann können alle davon profitieren.“ Im MED-22 sind auf einer Fläche von knapp 5.500 Quadratmetern Fachärzte aller wichtigen Fachrichtungen vertreten. „Interne Medizin, Frauenheilkunde, HNO, Orthopädie, Radiologie und Nuklearmedizin“, zählt Bartosek auf. Einzelpraxen, Gemeinschaftspraxen finden sich hier ebenso wie ein Bereich, in den sich Ärzte stunden- oder tageweise einmieten können. Unter dem Dach finden sich auch gewerbliche Anbieter wie Optiker, Bandagisten oder Hörgeräteakustiker. „Die Mieten bewegen sich auf ortsüblichem Niveau. Um den Mix aufrechtzuerhalten, müssen sich die Ärzte aber vertraglich auf längere Zeiträume binden. Je mehr bauliche Voraussetzungen für die Ordination geschaffen werden mussten, desto länger der Bindungszeitraum.“
Prok. Ernst Kovacs, Bereichsleiter Projekte bei Raiffeisen Evolution: „Grundsätzlich kann jede Wohnimmobilie als Arztpraxis genutzt werden – auch wenn sie als Wohnung gewidmet ist.“ Nicht immer sind aber Ärzte bei ihren Mitmietern oder Co-Eigentümern wohl gelitten. „Das fängt schon bei der Gegensprechanlage an. Bei vielen Ordinationen wird mit dem Anläuten gleichzeitig die Eingangstür geöffnet. Dann bleibt die Haustür offen, im Stiegenhaus wird es kalt. Die Heizkosten steigen. Herrscht großer Andrang, stehen die Patienten womöglich im Gang. Der dadurch entstehende Lärm ist ebenfalls ein häufiger Grund für Konflikte.“ In der Idee, Ordinationen in Straßenlokalen unterzubringen, sieht Kovacs gleich eine Reihe von Vorteilen. „Die Ordinationen haben dann auch einen eigenen Eingang, sind auch ohne große bauliche Veränderungen barrierefrei zu machen. Auch bei einer möglichen Nutzung stünden mehrere Optionen offen. Derartige Flächen lassen sich leicht wieder in Geschäftsflächen umwandeln.“ Bei einem seiner Projekte im zweiten Bezirk in Wien könne er sich eine Ordination im Erdgeschoß durchaus vorstellen. Bei Raiffeisen Evolution hat man zwar schon einige Eigentumswohnungen als Ordinationen verkauft. Die Käufer wären dann aber zumeist berufserfahrene Ärzte mit ausreichend Kapital. „In der Regel wird gemietet.“
Beim Kauf einer Immobilie, um sie als Ordination zu verwenden, sollte jeder Arzt eines nicht außer Acht lassen: Wichtiger als Eile ist die professionell vorbereitete Objektfindung. Dabei steht das Stichwort „Wiederverkauf“ auf der Prioritätenliste ganz oben. Natürlich befasst man sich vor einem Immobilienkauf nicht bereits mit einem eventuellen Weiterverkauf. Es geht hier vielmehr um die Betrachtung einer Immobilie als Finanzinvestition, bei der sicher sein sollte, dass wenigstens das eingesetzte Kapital bei einem späteren Verkauf zurückfließt.