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Zeitlos und edel

Für viele sind Ledermöbel der Inbegriff eines gehobenen Einrichtungsstils. In hochwertiger Verarbeitung bilden sie eine Wertanlage, die nicht selten an nachfolgende Generationen weitervererbt wird. Leichte Gebrauchsspuren sind hier geliebte Patina und daher oftmals ausdrücklich erwünscht.


Wer kennt sie nicht, die gemütlichen Bilder von prasselndem Kaminfeuer und davor platzierten Lederfauteuils oder Sofas. Der Anblick von gediegener Gemütlichkeit ist aber nicht nur in der kalten Jahreszeit erfreulich, sondern lässt die Herzen Chillout-Williger und Ruhebedürftiger rund ums gesamte Jahr höher schlagen. „Wir beobachten aktuell einen verstärkten Trend zur Qualität, weil diese auch einen besonderen ökologischen Faktor darstellt“, so Heinz Hofer-Wittmann, Geschäftsführer der Wittmann Möbelwerkstätten. Die zitierte Nachhaltigkeit qualitativ hochwertiger Ledermöbel liegt mitunter in der langen Lebensdauer dieses Naturmaterials. „Ledermöbel sind natürlich von Haus aus bereits langlebiger. Wenn man aber gutes Leder auswählt, dann wird dieses mit den Jahren auch immer schöner. Die Gebrauchsspuren sind dann vergleichbar mit den charakteristischen Falten in einem vertrauten Gesicht. Man entwickelt eine gewisse Beziehung zu derartigen Möbelstücken“, beschreibt Hofer-Wittmann die feinen aber entscheidenden Unterschiede zu billiger Massenware.

Traditionelle Fertigung,
zeitloses Design
Seit rund 40 Jahren produziert Wittmann die Entwürfe des österreichischen Avantgardisten Josef Hoffmann. Seine Witwe, Carla Hoffmann, vertraute dem Unternehmen die Entwürfe ihres Ehemannes 1969 an. Bei den detailgetreuen Rekonstruktionen war Johannes Spalt federführend, der als Professor für Innenarchitektur und Industrieentwurf an der Universität für Angewandte Kunst Wien und kurzzeitig auch deren Rektor entsprechende Kunst-Kompetenz einbrachte. Gemeinsam mit Friedrich Kurrent, Wilhelm Holzbauer und Otto Leitner gründete Spalt im Jahr 1950 die „arbeitsgruppe 4“. Die pragmatische Bezeichnung benannte eine Gruppe von vier Archtekturstudenten, die in weiterer Folge weit über die Grenzen der Architektur hinaus Berühmtheit erlangen sollten. 1952 bezog man ein Atelier in der Wiener Josefstadt, das in den Folgejahren zu Treffpunkt und Schnittstelle einer jungen Architektur- und Kulturszene avancierte. Bedeutende Vertreter der Wiener Avantgarde nutzten diesen Ort zum Diskurs mit Gleichgesinnten. Möbelentwürfe von Johannes Spalt und Friedrich Kurrent wurden in späteren Jahren von Wittmann produziert und beeindrucken auch heute noch durch zeitlose Aktualität.

Heimische Qualität
international gefragt
Die Hoffmann Re-Editionen hatten auch für die Wittmannschen Möbelwerkstätten entsprechende Folgen. „Wir wurden damals sehr international, weil sich diese Möbel über Österreichs Grenzen hinaus sehr bewähren“, erzählt Heinz Hofer-Wittmann. Heute exportiert der heimische Möbelhersteller drei Viertel seiner Produktion in die EU, die USA sowie nach Asien.
Stimmig ist hier nicht nur die heimische Qualitätsproduktion in Etsdorf am Kamp, sondern auch die dauerhafte Aktualität insbesondere der Avantgarde-Möbel. „Entwürfe wie jene Josef Hoffmanns sind ganz generell Produkte, die sehr gut zu unserer eigenen Philsophie passen“, unterstreicht Hofer Wittmann. Im Jahr 1896 am heutigen Standort als Sattlerei gegründet, verfügt das Unternehmen auch heute noch über besondere Kompetenz in der Lederverarbeitung. Als man im zwanzigsten Jahrhundert auf die Produktion hochwertiger Möbel „umsattelte“, blieb das alte Wissen erhalten und fließt bis heute in die Fertigung mit ein. Dementsprechend formuliert sich auch das Selbstverständnis der Geschäftsführung: „Wir sind ein Handwerksbetrieb und haben gute Leute, die das seit vielen Jahren umsetzen.“  
Was hier Zurückhaltung und Understatement erkennen lässt, hat seinen Grund im besonderen Fokus des Unternehmens, das sich bewusst von kurzlebigen Modeströmungen distanziert. „Modische Kreationen sind für uns ungeeignet, weil unsere Möbelstücke sehr lange leben und sogenannte moderne Möbel dann nicht mehr aktuell sind. Wir streben bei der Zusammenarbeit mit unseren Designern an, dass der Entwurf mit der Langlebigkeit der Möbelstücke mithalten kann“, so Hofer-Wittmann. „Unsere Möbel werden an die nächste Generation weitergegeben und oft nach vielen Jahrzehnten von uns neu überzogen.“ Eine Lebensdauer von 100 Jahren sei hier erklärtes Etappenziel. Kunden, die sich von der Qualität der Erzeugung selbst ein Bild machen möchten, können der Herstellung ihres persönlichen Lebensmöbels gerne in Etsdorf am Kamp beiwohnen.
Die Liste der Entwerfer liest sich dabei wie das Who-is-Who des Möbeldesigns. Zu den Re-Editionen zählen auch die Entwürfe des Altösterreichers Josef Kiesler. Er emigrierte 1926 nach New York und avancierte dort zur Integrationsfigur der europäischen Avantgarde sowie der jungen amerikanischen Kunst. Kiesler etablierte sich als bildender Künstler und Bühnenbildner, als Architekt und Designer und entwarf unter anderem Ausstellungsräumlichkeiten für Peggy Guggenheim.
Gemeinsam mit Jean Nouvel entstand 2010 die Ausstattung des Hotels Sofitel Vienna Stephansdom. Daraus entwickelte man die Modellserie Vienna, in weiterer Folge entstanden einige europaweite Großprojekte. Ende 2012 realisierte Wittmann gemeinsam mit Svoboda Büromöbel die neue Ausstattung des Büros von UN Generalsekretär Ban Ki-moon. Die Etsdorfer Möbelwerkstätten lieferten unter anderem Kubus Fauteuils aus braunem Leder, Bestandteil der Re-Kreationen Hoffmannscher Provenienz.

Werthaltige Investition
Ebenfalls eine Landmarke langlebiger Ästhetik ist der Möbelhersteller Vitra Design. Die Produkte und Konzepte werden am Schweizer Hauptsitz entwickelt und verbinden Vitras Ingenieurwissen mit der Kreativität führender Designer. Die Langlebigkeit von Materialien, Konstruktion und Ästhetik ist dabei wichtigster Grundsatz, zahlreiche Klassiker werden bereits seit den 1950er-Jahren hergestellt. Prägend waren für Vitra Designer wie Charles und Ray Eames, welche durch ihre Denktradition die Haltung des Unternehmens maßgeblich beeinflussten. Dementsprechend steht auch beim Schweizer Möbelhersteller die Langlebigkeit der Produkte im Mittelpunkt, kurzlebiges Design wird nicht ins Produktportfolio aufgenommen.
Am deutlichsten zeigt sich die Qualität hochwertiger Möbel auch heute noch an den Klassikern und diese bieten laut Fritz Hrusa, Geschäftsführer von Vitra Österreich, noch einen ganz anderen Mehrwert: „Ein Klassiker, der sich schon ein halbes Jahrhundert gegen alles, was neu auf den Markt kommt, durchsetzen kann, ist eine werthaltige Investition. Er gibt seinem Eigner die Sicherheit, ein Möbel zu besitzen, welches in seiner Idee, im Design und seiner Materialwahl zum Zeitpunkt des Entstehens etwas Besonderes war.“ Das Bezugsmaterial Leder „war und ist in diesem Zusammenhang immer ein aktuelles Thema“, betont Hrusa, zurzeit sei eine verstärkte Nachfrage nach „Top-Lederqualität“ zu verzeichnen. Der Eames Lounge Chair, seit Jahren Inbegriff eines Vitra-Klassikers und dementsprechend auch einer der Bestseller des Unternehmens, ist generell nur in Leder erhältlich. „Wir achten darauf, dass das Bezugsmaterial zum Charakter des Möbels passt“, so Hrusa.

Von Haut zu Haut
Auch Erik Ebner, geschäftsführender Eigentümer von Design Lovers Wien setzt auf die anhaltend hohe Aktualität avantgardistischen Lederdesigns. Im Verkaufslokal in der Wiener Otto Bauer Gasse findet sich auf zwei Etagen eine reiche Auswahl an wohnfertigen Designobjekten und Antiquitäten für jedes Budget. Im Vordergrund stehen Design-Originale aus den 50er-, 60er- und 70er-Jahren. Auch Klassiker des Art Deco und Bauhaus sind hier zu finden. Neben dänischen Möbeln um Arne Jacobsen und Verner Panton finden sich auch US-Designer wie das bereits oben erwähnte Dream- Team Charles und Ray Eames. Design Lovers bietet aber auch Möbel wohlbekannter heimischer Entwerfer wie Josef Hoffmann, Oswald Haertl, Josef Frank und Otto Prutscher. Bei den edlen Stücken handelt es sich um Neuerwerbungen, aber auch um zahlreiche „Schätzchen“ aus heimischen Privatsammlungen, die auch schon mal neu aufgearbeitet werden und solcherhand in frischem Glanz erstrahlen.
Hohe Qualität und Individualität sind hier angesagt, die Avantgarde der Ledermöbel steht hoch im Kurs. „Noch immer wird Leder, als Bezugstoff für Sitzmöbel, als besonders teuer und edel empfunden“, so Ebner. „Als Vorteil von Leder sehen Kunden die Tatsache, dass es im Unterschied zu Stoff durch den Gebrauch optisch gewinnt, anstatt schäbig zu werden. Außerdem führt die organische Substanz Haut zumindest unbewusst zu einer intensiven, oft lebenslänglichen Verbindung zum Lieblingssitzplatz.“ Leder sei außerdem besonders im gehobenen Konsumentenkreis ein Statussymbol geblieben.
Über die besondere Beziehung von Ledermöbeln und Designklassikern weiß auch Jochen Bähr, Geschäftsführer des Online-Shops www.einrichten-design.de zu berichten. „Klassiker sind beliebt, weil sie so zeitlos sind. Auch Leder ist zeitlos und somit passt das sehr gut zusammen.“ Und auch der Verwöhnfaktor und die Außenwirkung spielen eine große Rolle bei der Wahl entsprechender Möbelstücke. „Leder ist teuer, das gönnt man sich, ebenso wie die Design-Klassiker. Diese sind in den oberen Kreisen bekannt und auch deshalb beliebt – man möchte zeigen, was man hat“, so Bähr. Aufgrund der höheren Kostenstruktur werden Design-Klassiker vor allem in teuren Lederausführungen vermehrt von wohlhabenden Konsumentenschichten erworben, die Vorliebe für edle Ledermöbel zieht sich jedoch durch sämtliche Bevölkerungsschichten.
Ledermöbel der Avantgarde sind also jung und aktuell wie eh und je, dennoch bieten sie durch die Verknüpfung mit dem Naturmaterial ein facettenreiches Potenzial an Mehrwert. Und letztendlich ergibt sich auch daraus jener hohe Grad an Individualität, der diesen Designerstücken immer noch anhaftet. Um es in Anlehnung an den Wittmannschen Unternehmensleitsatz auszudrücken ist es nicht die Sprache der lauten, immer neuen Formen, sondern jene der Zurückhaltung und Eleganz.