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Wohnen mit Patina

Wer träumt nicht davon? Helle, überdurchschnittlich große Räume, großzügige Fensterflächen, vielleicht noch Balkon oder gar ein Erker? Altbauwohnungen bieten ein Ambiente, das im Neubau nur schwer erreichbar ist.


Fotos: fotolia

Alleine in Wien befindet sich laut Statistik etwa ein Drittel aller Hauptsitzwohnungen in Altbauten der Wiener Gründerzeit. Hier findet man derzeit noch circa 15.000 bis 17.000 private Gründerzeithäuser mit einer seit Jahrzehnten bestehenden Infrastruktur.

Breites Preisband

Hohe, stilvolle Räume, Holzparkettböden und charakteristische Kastenfenster – weitere Charakteristika von Altbauten sind sehr große Räume mit hohen Decken. Im Gegensatz zu 2,60 Meter Raumhöhe sind in den Gründerzeithäusern Raumhöhen von 3 Metern die Regel, 3,50 Meter oder 4 Meter auch keine Seltenheit. Häufig finden sich Durchgangszimmer und kleine Vorrats- bzw. Speisekammern in unmittelbarer Nähe zum Küchenbereich und Kabinette, die früher den Dienstboten als Logis dienten. Doppel-Flügeltüren, die charakteristischen Kastenfenster (häufig noch mit Einfachverglasung), knarrende Eichenparkettböden im Fischgrätmuster, breite Echtholz-Fußleisten und -Türzargen, Stuckarbeiten an der Decke – Herz was willst du mehr! Doch auch dieses Lebensgefühl hat seinen Preis, wenngleich Altbauwohnungen in der Regel günstiger kommen als Neubauwohnungen. Alt-Immobilien befinden sich oft in innerstädtischen Vierteln. Darüber hinaus sind Altbauten in bevorzugten und gefragten Lagen wesentlich häufiger anzutreffen als die wenigen Baulücken für einen Neubau. Gerade die Immobilienpreise in Innenstadtlagen sind in den letzten Jahren explodiert, aber nicht jeder kann sich in City-Nähe eine Neubauwohnung leisten. Dagegen nehmen sich Preise für ältere Bestandswohnungen vergleichsweise günstig aus. Vielfach lockt bei Altbauten bzw. Altbauwohnungen der im Verhältnis zu neu erstellten Wohnungen vergleichsweise günstige Preis. Gründe, sich für eine Alt-Immobilie zu entscheiden, gibt es genügend; Gründe, die dagegensprechen, auch.

Am teuersten kommen Altbau-Eigentumswohnungen in generalsanierten Objekten. Haus und Wohnungen sind – sofern ordentlich saniert wurde, in einem technischen 1A-Zustand. Der Vorteil: Für die nächsten Jahre sollte mit keinem Reparaturaufwand oder zumindest nur geringem zu rechnen sein. Diese Objekte können dann preislich Neubau-Eigentumswohnungen überflügeln, denn „Sanieren hat seinen Preis“, gibt Architekt Mag. Gerhard Fritz zu bedenken. „Viele Developer machen um derartige Objekte einen Bogen.“ Da muss man sich schon genau auskennen, damit die Revitalisierungskosten nicht in ungeahnte Höhen steigen. Die Zeiten, in denen Kaufwillige bereit waren, fast jeden Preis zu bezahlen, sind längst vorbei. Am preisgünstigsten sind unsanierte Wohnungen in unsanierten Zinshäusern zu bekommen. Da heißt es dann doppelt aufpassen. Hier muss man nicht nur die Wohnung, sondern das ganze Haus genau analysieren. Was nützt eine topsanierte Wohnung, wenn das Hausdach undicht oder das Fundament feucht ist?

Wohnungen zum „Selbstausbau“

Im mittleren Preissegment werden unsanierte Altbau-Eigentumswohnungen in sanierten Objekten angeboten. Ein gutes Beispiel ist hier das Haus „Hofstattgasse“ in Wien-Währing. Das Haus ist mit seinen Türmen und Figuren dem Schloss Neuschwanstein des Bayern-Königs Ludwig II. nachempfunden und wurde im Jahre 1904 von Architekt und Baumeister Johann Evangelist Hattey erbaut. Im Zuge der Haussanierung wurde das Dachgeschoß ausgebaut, im großzügigen Innenhof wurden zusätzliche Balkone errichtet, die Fassade und die Ver- bzw. Entsorgungsleitungen wurden saniert sowie ein Personenlift eingebaut. Die bestandsfreien Wohnungen mit Einheiten von ca. 70 Quadratmeter bis ca. 148 Quadratmeter kamen im Ist-Zustand – leichter bis kompletter Renovierungsbedarf – zum Verkauf. Was nicht heißen muss, dass man selbst zu Parkettschleifmaschine und Tapetenkleister greifen muss: Auf Wunsch werden die einzelnen Wohnungen auch saniert übergeben.
Für Fritz ein absolutes Muss beim Erwerb einer Altbauwohnung: „Planen Sie eine Geld­reserve für notwendige Renovierungsmaßnahmen und einen Sondertopf für unerwartete Instandhaltungsreparaturen ein.“ Bei einem „gebrauchten“ Haus ist zu erwarten, dass Instandhaltungsmaßnahmen früher anfallen als bei einer neuen Immobilie. Als Faustregel sollten Erwerber eines neuen Hauses ein Prozent des Kaufpreises pro Jahr für spätere Erhaltungsarbeiten zurücklegen.

Fachmann beiziehen

Um herauszufinden, ob sich das Sanieren lohnt, sollte auf jeden Fall ein Fachmann beigezogen werden, denn ein Laie kann den Aufwand kaum abschätzen. Gutachter hingegen wissen ganz genau, wo die Schwachstellen liegen und wie sie die Mängel aufspüren können. Außerdem verfügen sie über die notwendigen Werkzeuge, um diese klar aufzudecken, wie zum Beispiel Messgeräte, mit denen die Feuchtigkeit und Dichte der Wände angezeigt werden kann. Wurde zum Beispiel längere Zeit nichts in das Haus investiert, sind oft die Elektro- und Steigleitungen veraltet, die Fenster undicht und die Sanierungskosten allein können ein stattliches Sümmchen ausmachen. Feuchtigkeitsschäden spielen bei acht von zehn Altbauten eine unvermeidliche zentrale Rolle und sind dem historischen Baustoff Sandstein und seinen feuchtigkeitsspeichernden Eigenschaften geschuldet. Sandstein in den Grundmauern bindet Wasser und transportiert die Feuchtigkeit wie ein Kerzendocht die Mauerwände hinauf. Gerade die unteren Wohnungen und besonders Parterre-Einheiten können in Altbauten davon betroffen sein. Werden feuchte Wände entdeckt, müssen sie vor der Sanierung erst trockengelegt werden.
Besonders von Feuchtigkeit bedroht ist der Keller-und Sockelbereich: Typische Schadensbilder sind die Durchfeuchtung der Kellerwände im Außenwandbereich bei mangelhafter bzw. fehlender Vertikalabdichtung, der Keller- und der Erdgeschoßwände durch fehlende Horizontalabdichtung. Außen- und Innenputzschäden, Schimmelbildungen, Salpeter-Ausblühungen, Risse, Hohlstellen und Abplatzungen in den Außenwandbekleidungen zählen zu den typischen Symptomen. Pflicht ist ein kritischer Blick auf den Dachbereich. Wie ist der Dachstuhl erhalten, ist das Dach gedämmt? Hängt das Dach durch? Ist die Eindeckung lückenlos? Sind Feuchtigkeitsschäden im Mauerwerk unter dem Dachbereich erkennbar? Ein kaputtes Dach hat schon so manchen Wohntraum zerstört. Auch wenn Sie nur eine Eigentumswohnung erwerben: Ist das Dach kaputt – heißt es im Fall der Fälle„Mitzahlen“.

Beim Fenster hinausheizen

Der Altzustand von Türen und Fenstern sowie marode Holzbauteile erfordern oftmals einen kompletten Austausch. Gerade bei Altbauten stellt mangelnde Luftdichtigkeit ein häufig anzutreffendes Problem dar. Eines sollte man aber bedenken: Zimmer mit einer Raumhöhe von drei Metern und mehr sorgen zwar für ein unnachahmliches Wohngefühl, sie sind aber auch schwer zu heizen. Sind dann auch noch die Fenster undicht, können die Heizkosten ganz schön hoch werden. Ein Problem, das sich in den Griff bekommen lässt, wie Architekt Dipl.-Ing. Georg Lux betont. Bei dem von ihm entwickelten WienerKomfortFenster werden die bestehenden Innenflügel des Kastenfensters durch ein neues vorgesetztes Innenflügelelement ersetzt. Der Vorsatzrahmen wird am bestehenden Stock befestigt und gewährleistet einen dichten Anschluss an das Mauerwerk. Außenflügel und Stock des Kastenfensters bleiben im Bestand und im Sinne des Ensembleschutzes erhalten. „Neu dabei ist, dass aufgrund des Einsatzes von zeitgemäßer Technologie und Materialien die schlanke Proportion und Eleganz historischer Fensterrahmen erhalten bleiben, gleichzeitig aber Wärme- und Schallschutz auf ein zeitgemäßes Niveau angehoben werden“, sagt Lux.

Was gerne übersehen wird

Zentrale Punkte, die abzuklären sind, betreffen vor allem die Frage nach Heizungsart und Elektroinstallationen. Neuralgische Punkte können veraltete Etagenheizungen, alte Brennkessel, versottete Kaminzüge oder verstopfte Abflussleitungen sein. Statistisch gesehen gehören Arbeiten an der Heizungsanlage sowie Rohrleitungen zu den häufigsten Sanierungsmaßnahmen. Die Krux bei Sanitär- und Stromleitungen ist, dass sie nicht gleich ins Auge fallen und gerne bei Besichtigungen vernachlässigt werden.
Vor 40 Jahren reichten diese Leitungen völlig aus, weil damals neben der Zimmerbeleuchtung nur Fernseher oder Radio liefen und in der Küche außer dem Elektroherd nur noch der Kühlschrank in Betrieb war. Für den heute üblichen gleichzeitigen Gebrauch von Computer, Spielkonsolen, Kaffeemaschine, Fernseher, Kühlschrank, Gefriertruhe und Staubsauger sind diese Leitungen jedoch nicht leistungsfähig genug – und ein Austausch kann ganz schön teuer kommen. mn n

Die Checklist

  • Sind die Holzfußböden abzuschleifen?
  • Ist das Fundament solide? Sind Bodenbeläge und Treppenstufen abgenutzt und/oder ausgetreten?
  • Ist der Estrich unter den Fliesen trittstabil oder knirscht es beim Begehen?
  • Sind die Fenster und Zimmertüren dicht?
  • Sind Holz-Innenelemente wie Geländer, Türen, Türzargen, Zierträger etc. gesund und nicht vom Holzwurm oder -bock befallen?
  • Biegen sich die Decken durch?
  • Sind die Wände trocken? Sind verräterische Flecken, Wasserringe oder Schimmelbildungen an Wandbelägen auszumachen? Gibt es Spuren von Schimmel?
  • Ist der Keller feucht? Sickert Grundwasser in die Kellerräume ein? Ist Ungeziefer bzw. deren Überreste und Ausscheidungsprodukte auszumachen (z. B. Altbaukäfer), die auf feuchte Verstecke oder auch feuchtes, marodes Mauerwerk hinweisen (z. B. Kellerasseln, Tausendfüßler)?
  • In welchem Zustand befinden sich Heizungen, Kanal- und Wasseranschlüsse? Eine Sanierung kann extrem teuer kommen, weil meist das ganze System ausgetauscht werden muss.
  • Achten Sie auf die elektrischen Leitungen und die maximale Belastbarkeit.
  • Sind die Wände und Fenster ausreichend gedämmt (Achtung, in alten Häusern wurde oft Asbest verwendet)?
  • Ist das Dach dicht und wenn ja, wann wird es wahrscheinlich erneuert werden müssen?

Gründerzeithäuser und ihre besonderen Qualitäten

  • Große Wohnungen mit großen Räumen und Raumhöhen von bis zu 4 m
  • Außenwände aus Vollziegelmauerwerk (Wandstärke von 30 bis 90 cm)
  • Aufwendig gestaltete Straßenfassaden, häufig mit Stuckornament
  • Geschoßdecken als Holzbalken oder Tram-Traversendecken, oberste Geschoße meist mit Dippelbaumdecken, Massivdecken über dem Keller (Gewölbe oder preußische Kappen)
  • Holzfenster meist als Kastenfenster
  • Handwerkliche Qualität und Materialqualität von Bauteilen (Geländer, Vertäfelungen, Türen, Fußböden)