Wo ein Wille ist, ist noch kein Weg
Gesundheitspolitiker und -ökonomen sprechen gerne von der Notwendigkeit einer Stärkung des niedergelassenen Bereichs, wenn es um Fragen der Kosteneffizienz des Gesundheitssystems geht. Als wichtiger Bestandteil werden dabei extramurale Kooperationen genannt, die zudem auch noch Patientenbedürfnisse besser abdecken würden. Die Ärzte GmbH scheint dabei (noch) nicht der Weisheit letzter Schluss zu sein. Es gibt sie aber, die positiven Praxisbeispiele.

Dr. Gerhard Pöppl wird zukünftig mit seinen Kollegen nicht nur am LKH Kirchdorf die jungen Patienten medizinisch betreuen, sondern auch in der gemeinsamen Kassengruppenpraxis für Kinder- und Jugendheilkunde.
Die im Vorjahr beschlossene Ärzte GmbH ist bislang eine einzige Enttäuschung. Nur schuld daran will keiner sein, die Verantwortung wird zwischen den ehemaligen Verhandlungspartnern lieber hin und her geschoben. Bundesminister Stöger macht die Einstellung der Ärzte und die fehlenden Basisverträge für das Dilemma verantwortlich. Der Hauptverband wehrt sich gegen sein Bremser-Image und verweist auf die Ärztekammer. Diese gibt das Kompliment postwendend retour und bezeichnet zudem die gesetzlichen Rahmenbedingungen als ungeeignet. Womit sich der Kreis wieder schließt.
Dabei hat alles so gut begonnen vor einem Jahr, als die Möglichkeit der Ärzte GmbH geschaffen wurde. Seit Herbst 2010 ist das Gesetz in Kraft. Sinn der neuen Gesellschafterform sollte es vor allem sein, die teuren Spitalsambulanzen zu entlasten. Dieses Ziel wurde – bisher – eindeutig verfehlt, aus Mangel an Interesse. Österreichweit gibt es aktuell eine einzige Ärzte GmbH in Wien. In den meisten Bundesländern wurden noch nicht einmal die rechtlich notwendigen Schritte umgesetzt.
Gesundheitsminister Stöger stellte erst unlängst Ärztekammer und Krankenkassen die Rute ins Fenster. Sollten in den acht ausständigen Bundeländern nicht bald die fehlenden Grundverträge abgeschlossen sein, werde er „den Druck auf die Verhandlungspartner erhöhen“. Die Kritik der Ärzte, die Gründung einer Ärzte GmbH sei zu langwierig und zu teuer, außerdem steuerlich unattraktiv, weist Stöger zurück und sieht eher im traditionellen Rollenverhalten der Ärzte die Ursache für den Misserfolg. Auch der Präsident des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, Hans Jörg Schelling, macht das fehlende Interesse der Ärzte dafür verantwortlich.
Das mangelnde Interesse der Ärzte sei nur Ausdruck der unattraktiven Rahmenbedingungen, kontert Ärztekammer-Präsident Walter Dorner und tauft das neue Modell um in „Gesellschaft mit beschränkter Hoffnung“. „Das zugrunde liegende Gesetz erfüllt nicht die Erwartungen, jedenfalls nicht jene der Ärzte.“ Für Dorner ist die Ärzte GmbH zu kompliziert und risikoreich, außerdem wären die restriktiven Vorgaben bei der Anstellung von Gesundheitspersonal ein zusätzliches Hemmnis.
„Arzt kann nur verlieren“
Zustimmung für seine Argumentation erhält Dorner von Gerald Entremont, Managing Director der M’Management GmbH: „Wenn ich mich in die Situation eines Arztes versetze, wundert es mich nicht, dass sich sein Interesse in Grenzen hält. Ein Arzt, der bereits einen Kassenvertrag hat, kann nur etwas verlieren, er kann für sich nichts verbessern. Wenn sich an den Rahmenbedingungen nichts ändert, wird die Ärzte GmbH ein Flop bleiben.“ Die einzige Erfolgschance für das Modell sieht Entremont in der Möglichkeit für Jungärzte, durch die Gründung einer GmbH zu einem Kassenvertrag zu kommen.
Dabei sei die Nachfrage der Patienten und grundsätzlich auch die Bereitschaft der Ärzte zu extramuralen Kooperationen durchaus gegeben, ist Entremont überzeugt. Er muss es wissen. M’Management betreibt für unterschiedlichste Eigentümer nicht nur Ärzte- und Gesundheitszentren, sondern bietet für die Ärzte in den Zentren auch vielfältige Dienstleistungen an, vom Telefon über die IT-Infrastruktur und -Betreuung, über organisatorische Unterstützung, Qualitätssicherung bis hin zu hygienischen Belangen. „Seine Aufgabe als Unternehmer fordert den Arzt heute immer mehr“, sagt Entremont, „hier können wir ihn entlasten, damit er sich auf seine eigentliche Arbeit mit den Patienten konzentrieren kann.“
Das Tiroler Unternehmen schafft Netzwerke, in denen niedergelassene Ärzte und medizinische Dienstleister ihre Kompetenzen einbringen und dabei von Synergieeffekten profitieren. Mit derzeit sechs Zentren in Baden, Linz, Innsbruck, Salzburg, St. Pölten und Ostermiething/Oberösterreich, 150 Ärzten und Gesundheitsdiensten als Vertragspartner gehört M’Management zu den großen Playern am heimischen Gesundheitsmarkt. Jedes Zentrum versucht, auf der einen Seite einen möglichst breiten Fachbereich abzudecken und eine Rundumversorgung anzubieten – von der Prävention (Fitness Center) über die Diagnose (Radiologie) und Therapie bis hin zur Nachversorgung (Physiotherapie) – darüber hinaus aber auch einen medizinischen Schwerpunkt zu etablieren, in Linz etwa die erste kardiologische Reha-Ambulanz Österreichs oder Sportmedizin in Innsbruck.
„Bei unserem Modell bleibt jeder Arzt eigenständiger Unternehmer und kann trotzdem aus der Kooperation Vorteile ziehen. Diese Zusammenarbeit im niedergelassenen Bereich wird zukünftig aus wirtschaftlicher Sicht noch sinnvoller werden, berücksichtigt man die zunehmend verschärften gesetzlichen Auflagen und Normen für Ordinationen“, ist Entremont überzeugt. Der Bedarf an Kooperationen steige jedenfalls kontinuierlich, das müssten aber nicht immer gleich gemeinsame Zentren sein. Angedacht werden auch Auslagerung bzw. das gemeinsame Nützen von Dienstleistungen, Callcenter zum Beispiel oder Einkaufskooperationen.
Kindergruppenpraxis mit Kinderambulanz
Ein ganz spezielles Kooperationsmodell wird seit Juli dieses Jahres im oberösterreichischen Kirchdorf als Pilotprojekt umgesetzt. Als Folge der Einsparungen am LKH Kirchdorf im Zuge der OÖ Spitalsreform wurde die gesamte Kinderambulanz in eine Kassengruppenpraxis für Kinder- und Jugendheilkunde ausgelagert. Alle vier im Krankenhaus angestellten Fachärzte der Kinderabteilung werden zukünftig auch als Gesellschafter in der Gruppenpraxis engagiert sein.
Die neue Gruppenpraxis ist eine Kassenordination und in der ehemaligen Ordination von Prim. Dr. Friedrich Häckel situiert. Der langjährige Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde am LKH Kirchdorf hätte als einziger niedergelassener Pädiater im Bezirk durch seinen Ruhestand eine große Lücke hinterlassen. Eine Lücke, die nun mehr als nur geschlossen werden konnte, ist Dr. Gerhard Pöppl, einer der neuen Gesellschafter, überzeugt: „Wir haben die Öffnungszeiten von 15 auf 27 Wochenstunden erweitert, vor allem die Samstagöffnungszeit wird von Eltern mit schulpflichtigen Kindern sehr gut angenommen. Es gibt zukünftig keine urlaubsbedingten Schließungen mehr, die Ordination hat bis auf Sonn- und Feiertage immer offen.“
Auch der OÖ Ärztekammerpräsident Peter Niedermoser hält das Pilotprojekt aus mehrfacher Hinsicht für zukunftsweisend: „Die Verschränkung vom Spitalsbereich und den Ordinationen, flexible Strukturen und übergreifende Leistungen sind nicht nur aus Kostengründen erstrebenswert, sondern bringen auch für die Patienten enorme Vorteile.“
Und letztendlich profitieren auch die Ärzte davon. Ihr 20-prozentiger Einkommensverlust im Krankenhaus wird durch die Arbeit in der Gruppenordination ausgeglichen. Das Modell könnte damit gerade in der Peripherie Vorbildcharakter haben, wo es immer schwieriger wird Jungärzte zu gewinnen, weil sowohl Verdienstmöglichkeiten als auch Arbeitsbedingungen wenig attraktiv erscheinen. Fachärzte, die künftig nach Kirchdorf kommen, erhalten vertraglich zugesichert die Möglichkeit, in der Gruppenpraxis mitzuarbeiten. So konnten mit diesem zukunftsweisenden Pilotprojekt gleich drei Fliegen mit einer Klappe erwischt werden. Die Kinderabteilung im Krankenhaus ist langfristig abgesichert, das Einkommen der Ärzte ebenso und schließlich wird auch eine optimale Betreuung der Patienten mit einem breiten Angebot und in enger Abstimmung zwischen Krankenhaus und niedergelassenem Bereich sichergestellt.
Die Nachfrage nach Kooperationen im niedergelassenen Bereich ist also zweifelsfrei gegeben. Auch am Engagement und Willen der Ärzte mangelt es nicht, wenn die Rahmenbedingungen entsprechend gestaltet werden – und wenn alle Beteiligten gemeinsam an konstruktiven Lösungen arbeiten, anstatt sich gegenseitig den „Schwarzen Peter“ zuzuschieben. Denn am Ende führt ohnehin kein Weg an einer verstärkten Zusammenarbeit vorbei.
Das weiß auch Ärztekammer-Präsident Dorner und prognostiziert: „Früher oder später werden die technische Entwicklung und die Spezialisierung die Mediziner zwingen sich zusammenzuschließen.“
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