Wichtiges Signal gegen das Hausärzte-Sterben
Jeder angehende Allgemeinmediziner muss künftig ein halbes Jahr in einer Lehrpraxis arbeiten.
Die neue Ärzteausbildung sieht im letzten Jahr des Studiums ein klinisch-praktisches Jahr im Krankenhaus vor. Dem folgt eine neunmonatige Spitalsbasisausbildung. Danach können sich die angehenden Ärzte zwischen einer Ausbildung zum Facharzt, die sechs Jahre dauert, oder einer Ausbildung zum Allgemeinmediziner, die 3,5 Jahre dauert, entscheiden.
Die neue Ausbildungsform wird zwar erst im Mai 2018 spruchreif – wenn die ersten Jungmediziner so weit sind, das neue Modell in Anspruch nehmen zu können –, doch schon jetzt ist es wichtig, zu signalisieren, dass genug Ausbildungsplätze für Allgemeinmediziner zur Verfügung stehen. Denn, so fürchten etwa die Experten der Niederösterreichischen Ärztekammer, viele angehende Mediziner entscheiden sich eher für eine Facharztausbildung und gegen die Allgemeinmedizin. Ein Fakt, der den bereits bestehenden Ärztemangel weiter verschärfen könnte.
Der Gesetzgeber sieht eine Reihe von Kriterien vor, die zu erfüllen sind, um eine Lehrpraxis führen zu können: So darf im Rahmen der Lehrpraxis zum Beispiel jeweils nur ein Arzt ausgebildet werden. Diese praktische Ausbildung hat im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zum Lehrpraxisinhaber zu erfolgen. Der Lehrpraxisleiter muss zumindest drei Jahre selbstständig als Arzt in seiner Disziplin tätig gewesen sein und muss über die entsprechenden räumlichen Möglichkeiten verfügen. Auch über entsprechende pädagogische Fähigkeiten muss der Lehrpraxisleiter verfügen.
Einheitlicher Standard
Um all diese Fähigkeiten zu erwerben, ist eine insgesamt zwölfstündige verpflichtende Fortbildung für Lehrpraxisleiter vorgesehen. Sie setzt sich aus acht Stunden E-Learning sowie einer vierstündigen Präsenzfortbildung zusammen, die speziell die Themenblöcke Rasterzeugnis, Didaktik sowie Evaluation und Feedback umfassen müssen. Die Bundessektion Allgemeinmedizin der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) hat zusammen mit der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) ein Ausbildungsmodul entwickelt, im Zuge dessen die Ausbildungsinhalte der sechsmonatigen Lehrpraxiszeit analog zu den Rasterzeugnissen vermittelt werden können. „Die Lehrpraxis ist derzeit die einzige Möglichkeit, die Allgemeinmedizin so zu vermitteln, wie sie tatsächlich passiert. Mit diesem Modul soll ein möglichst einheitlicher Standard für ganz Österreich geschaffen werden“, hofft Dr. Gert Wiegele, Obmann der Bundessektion Allgemeinmedizin in der ÖAK. In der Kombination von E-Learning mit Anwesenheitspflichten sieht Wiegele darüber hinaus eine „neue wissenschaftliche Methode im postgraduellen Bereich“.
Auch Tirol setzt auf Allgemeinmedizin
Seit dem Sommersemester 2016 wird die Allgemeinmedizin auch stärker im Lehrangebot der Medizinischen Universität Innsbruck berücksichtigt: Gemeinsam mit der Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (TGAM) wird der Universitätskurs „Akademische Lehrpraxis“ angeboten. Ziel des Kurses ist es, Ärzten für Allgemeinmedizin und Turnusärzten, die Interesse an der Ausbildung von Studierenden haben, eine hochwertige wissenschaftliche Aus- und Weiterbildung anzubieten.
Im Lehrangebot für das Fach Humanmedizin an der Medizinischen Universität Innsbruck spielt die Allgemeinmedizin traditionell eine wichtige Rolle. Bereits in den ersten zwei Semestern des Studiums werden allgemeinmedizinische Lehrinhalte durch niedergelassene Allgemeinmediziner vermittelt, um so den Studierenden schon früh die Bedeutung der Allgemeinmedizin für die Gesundheitsversorgung insgesamt zu verdeutlichen. „Die Medizinische Universität Innsbruck war österreichweit die erste medizinische Ausbildungsstätte, die die Mitarbeit in einer allgemeinmedizinischen Praxis als Pflichtmodul im klinisch-praktischen Jahr für alle Studierenden eingebaut hat“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Peter Loidl, Vizerektor für Lehre und Studienangelegenheiten. „Um den niedergelassenen Kollegen für die Betreuung der Studierenden im klinisch-praktischen Jahr eine entsprechende Aus- und Weiterbildung im Sinne der Entwicklung von ,Akademischen Lehrpraxen‘ zu bieten, wurde nun in Zusammenarbeit mit der Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin ein spezifischer Universitätskurs eingeführt.“ Absolventen des Universitätskurses „Akademische Lehrpraxis“ dürfen für drei Jahre die Qualifikation „Akademische Lehrpraxis der Medizinischen Universität Innsbruck“ führen. Durch Teilnahme am Refresher-Kurs kann das Diplom für jeweils drei Jahre verlängert werden. Case-Studies und Problemorientiertes Lernen spielen dabei eine zentrale Rolle, zudem werden diverse Soft Skills der Teilnehmer weiterentwickelt. rh