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Wer im Glashaus sitzt ...

... kann sich über besonders viel Licht, Wärme und Bezug zur Natur freuen. Experten für Glasbauten räumen mit alten Märchen und hehren Wünschen auf.


Foto: Glas Marte

Nicht jede Art von Glas eignet sich automatisch für große Außenflächen von Gebäuden. „Technisch gesehen ist es problemlos möglich, großflächige Verglasung in Wohngebäuden einzusetzen“, weiß Ing. Bernhard Feigl, geschäftsführender Gesellschafter von Glas Marte GmbH, dem Glasbau-, Sicherheitsglas- und Isolierglasexperten aus Bregenz. „In der Regel handelt es sich um dreifach Isolierglas mit einem Ug-Wert im Bereich von 0,6 W/m2K, das heißt, mit sehr hoher Wärmedämmung. Dadurch ist auch eine hohe Behaglichkeit direkt hinter dem Glas – auch bei tiefen Außentemperaturen – gegeben.“
Zusätzlich gilt es, den „sommerlichen Wärmeschutz“, also die Gefahr der Überhitzung, zu beachten. „Sonnenschutzschichten auf dem Glas bzw. eine Außenbeschattung können hier Abhilfe schaffen“, rät Feigl. „Das Unternehmen Glas Marte kann diese Elemente bis zu einer Größe von 7,2 m mal 3,2 m herstellen.“ Das heißt, ein großes Einfamilienhaus bestünde aus acht Gläsern und würde keine sonstigen Wände mehr benötigen. Glas kann zudem transluzent oder farbig ausgeführt werden.

Wohnen im Glashaus

Auch Fertigteilhäuser setzen zum Teil bereits auf hochwertige großflächige Glasflächen, die viel Licht und Natur ins Innere lassen. Wunderschöne, alte Glashäuser eignen sich dagegen nicht allzu gut für ein neues Leben als Wohnhaus, denn „die Idee ist dieselbe wie bei einer Loftwohnung in einer alten Fabrik – eine reizvolle Sache, aber nicht praktikabel“, weiß der Glasexperte, denn „alte Gewächshäuser können den Wohnansprüchen selbst bei ‚sportlicher‘ Einstellung nicht genügen. Neben den unzähligen physikalischen Problemen wie Hitze, Kälte oder Kondensat wäre auch mangels Sicherheitsglas keine Bewilligung für eine Wohnraumnutzung zu bekommen“.
Der Biomedizintechniker Roland David hat allerdings das Experiment gewagt und mit Kind und Kegel im Glashaus gewohnt. „Wir haben unser altes Glashaus während der letzten neun Jahre in wechselnden klimatischen und familiären Bedingungen genutzt – und diese Jahre haben uns und unsere Kinder nachhaltig geprägt“, erzählt David. Das Glashaus wurde Mitte der 60er-Jahre gebaut, ist 400 m2 groß und weist eine Giebelhöhe von fast sieben Metern sowie Gärtnerglas von 6 mm Stärke auf. „Das heißt, es ist im Winter nicht beheizbar. Wir haben es durch ‚Room in Room’ belebbar und bewohnbar gemacht“, sagt der Biomedizintechniker mit Hang zu alten Autos. Ein etwa 75 m2 großer Leichtbau wurde im Innenraum an eine Seite des Glashauses gebaut.
„Dieser Container wurde lediglich in Leichtbauweise mit 8 cm Dämmung errichtet, die Fenster sind Glastischplatten von einem schwedischen Möbelhaus, dazu gibt es Marmorböden, ein Bad, zwei Toiletten etc. Dieser Leichtbau ist im Winter einfach zu beheizen“, erklärt David die Lösung. Die sommerliche Hitze wurde durch Beschattung sowie externen innenliegenden Schutz im Zaum gehalten. Zudem hilft die „pneumatische Öffnung aller etwa 27 Meter langen Seiten- und Giebelfenster“, ergänzt der Wohnexperimentalist. Wenn David erzählt, was ihn am Wohnen im Glashaus fasziniert, beginnt der Zuhörer zu verstehen: „Man muss es einmal probiert haben: zu erfahren, wie die Jahreszeiten eine Wohnsituation beeinflussen und wie man im Takt der Tageszeiten seinen Frühstückstisch auf Rollen mal in die Sonne, mal in den Schatten stellt – und wie bezaubernd es ist, wenn der Schnee am Glasdach den Lichteinfall wie durch eine fette Opalscheibe filtert, um sich kurz danach mit einem unverwechselbaren Pfeifen als Lawine zu verabschieden.“ Das Glashaus ist übrigens noch bis Herbst zu besichtigen, dann wird es abgerissen.
Mit Häusern aus Glas – und zwar tatsächlich komplett aus Glas – machte auch der Architekt Carlo Santambrogio auf sich aufmerksam. Konstruktionen aus verschiedenen Glasstärken – bis zu sechs, sieben Zentimeter dick – machen es möglich, dass die Glashäuser nicht nur im warmen Klima gebaut werden können. Noch existiert das Konzept nur auf dem Papier und ist vor allem dazu gedacht, die Glasmöbel des Kreativen zu promoten. Davon abgesehen, dass penible Sauberkeit und ein Hang zur Ordnung im Haus mit Durchblick wohl ein Muss sind, sollte der Besitzer auch kein Problem damit haben, kaum mehr Geheimnisse bewahren zu können. In seinen Showrooms in Mailand, New York und London können die Glashauskonzepte von Santambrogio (www.santambrogiomilano.it) bestaunt werden.

Zu kalt und zu warm

„Glashäuser“ haben nach wie vor den Ruf, im Winter zu kalt und im Sommer zu heiß zu sein. Ist nun der Temperaturfaktor in den Griff zu bekommen oder braucht ein Glasbau immer eine Klimaanlage? „Bei älteren Bauwerken ist das leider tatsächlich oft der Fall“, gibt Feigl zu. „In der Zwischenzeit hat man aber viel gelernt.“ Früher waren Wintergärten höchst populär, dann wurden großflächig verglaste Wand-Dachkonstruktionen in die Häuser integriert. „Derzeit sieht man oft sogenannte Sommergärten, die als Glashäuser bezeichnet werden“, weiß der Glasspezialist und ergänzt: „In Wirklichkeit wurde festgestellt, dass nicht jedermann im tiefen Winter tagelang in einem Glashaus sitzen will, selbst wenn es perfekt wäre.“ Der Sommer soll verlängert werden, die lauen Sommernächte und ganz besonders die Zwischenjahreszeiten wollen genutzt werden. Feigl spricht aus Erfahrung: „Je mehr man sich mit dem Thema beschäftigt, desto mehr sieht man, selbst als Glasfachmann, dass es nicht überall Glasdächer braucht und dass leichte oder besondere Konstruktionen äußerst charmant sein können.“
Auch was die Möblierung von großflächig verglasten Häusern anbelangt, verändern sich die Grundregeln je nach Einblick von außen. Innenarchitekten und Einrichtungsexperten haben Tipps auf Lager, was dabei zu beachten ist. Feigl rät dazu, die Möbelmesse in Mailand zu besuchen, denn dort seien Tausende Angebote für innen und außen zu bestaunen. Das Leben in einem Haus aus Glas erfordert jedenfalls einen besonderen Umgang mit Öffentlichkeit. Belohnt wird es mit viel Licht und Natur.                   bw