Wehrt euch!
Für manchen scheint Mobbing ein Schlagwort unserer Zeit zu sein wie Burnout oder Work-Life-Balance – bis er selbst betroffen ist. Dann wird mitunter schlagartig und schmerzhaft klar, welche Dimensionen Mobbing annehmen kann.
Ein Beispiel: Kollege Huber arbeitet seit Jahren im Unternehmen und kennt die Arbeitsprozesse nur zu gut. Der neue, junge Mitarbeiter Müller mit hervorragender Ausbildung und großen Ambitionen stößt zu Ihrem Team dazu und bemüht sich, Top-Leistungen zu bringen, doch Kollege Huber sabotiert sie. Wichtige Informationen werden dem neuen Mitarbeiter vorenthalten, in der Mittagspause wird über ihn hergezogen, seine Leistungen werden vor anderen schlecht gemacht. In Konversationen wird Müller lächerlich gemacht, ausgegrenzt, ja, Huber thematisiert sogar Privates. Der junge Mitarbeiter fühlt sich sichtlich schlecht, wird von Woche zu Woche unsicherer, bleibt krankheitshalber immer öfter von der Arbeit fern. Schauen Sie zu? Auf welche Seite stellen Sie sich?
Vielfältige Gesichter
Was hier passiert, ist Mobbing – ein Phänomen, das es zweifelsohne schon immer gab, das aber längst zahlreiche Facetten angenommen hat und beinahe jeden treffen kann. Mobbing richtet sich gegen Kollegen, von Vorgesetzten an Mitarbeiter und umgekehrt, gegen Jugendliche, Schüler, Sport- oder Studienkollegen. Die Methode ist immer ähnlich: persönlich verletzen, einschüchtern, entmutigen, ausgrenzen und aus Rollen drängen, die dem Gemobbten nicht gegönnt werden. Mobbing, das durch Vorgesetzte erfolgt, wird „Bossing“ genannt. Im englischen Sprachraum wird eher der Begriff „Bullying“ für Mobbing gebraucht. Mobbing via Internet, Chatrooms, Mobiltelefone und Instant Messaging ist „Cybermobbing“.
Nicht jeder Konflikt am Arbeitsplatz ist Mobbing, denn die gezielte Ausgrenzung wird durch Wiederholungen über einen längeren Zeitraum charakterisiert, die systematisch erfolgen und eine Intensität annehmen, die es dem Betroffenen kaum mehr möglich macht zu reagieren. „Eine gesetzliche Definition von Mobbing gibt es in Österreich nicht“, erfährt man bei der Wirtschaftskammer. „Ob Mobbing vorliegt, kann immer nur anhand des konkreten Einzelfalls beurteilt werden.“ Der Psychoterror fußt mitunter auf Aggressionen gegen bestimmte Rassen, Geschlechter, Glaubensrichtungen und Überzeugungen, vermeintliche Vorteile, hierarchische Ebenen oder er scheint einem einfachen Neidgefühl zu entspringen.
Enorme Tragweite
Mobbing verbreitet sich wie eine schleichende Vergiftung. Am Anfang steht Ärger über ungerechtfertigte Äußerungen und Angriffe, dann wird der Druck sukzessive verstärkt, bis der Gemobbte regelrecht verzweifelt und unter handfesten gesundheitlichen Problemen leidet: Herz-Kreislauf-Probleme, Verdauungsbeschwerden, Schlafstörungen und depressive Zustände – ähnlich akuten Stresssymptomen. Dann ist allerdings längst Feuer am Dach. „Mobbingbedingte Erkrankungen verstecken sich hinter unzähligen Syndromdiagnosen, wie zum Beispiel Insomnie, Angsterkrankung, Depression, Persönlichkeitsstörung, Anpassungsstörung, Paranoia, psychovegetatives Syndrom, posttraumatische Belastungsstörung und so weiter. Unabhängig von der Richtigkeit dieser Diagnosen fehlt die entscheidende Ursachenbenennung ‚Mobbing‘“, sagt Argeo Bämayr, Neurologe und Psychotherapeut in Coburg mit Schwerpunkt Mobbing. Der Experte bedauert, dass Mobbing nicht als Diagnose in der medizinischen Diagnostik existiert. Als Ursache von Krankheiten sei es inzwischen in die Lehrbücher der Psychotraumatologie aufgenommen worden, doch die fehlende medizinische Diagnose habe oft fatale Folgen für Mobbingopfer bei Begutachtung und Therapie.
Widerspruch und Dokumentation
Umso zentraler ist Prävention – und die beginnt bei den ersten Anzeichen von Mobbing. Als Zeuge bedarf es mitunter einer gehörigen Portion Zivilcourage, die jedoch dramatische Ereignisse verhindern kann und daher höchst wichtig ist. Da Mobbing nur dann vorliegt, wenn Repressionen über einen längeren Zeitraum erfolgen, ist eine detaillierte Dokumentation erstes Mittel zur Lösung. „Bei Mobbing liegt immer eine Täter-Opfer-Konstellation vor“, warnt Eva Pichler von der Selbsthilfegruppe Mobbing in Graz, selbst Mobbing-Opfer. „Ist diese nicht gegeben, handelt es sich nicht um Mobbing.“ Alarm zu schlagen, ohne dass tatsächlich der Tatbestand von Mobbing vorliegt, kann allen Betroffenen schaden, daher ist Vorsicht geboten. Wird ein Konflikt im Unternehmen allerdings bewusst geschürt und unterfeuert, inklusive einer bewussten Verletzung der Persönlichkeitsrechte, dann raten Experten zu vertraulichen Gesprächen – sowohl seitens des Gemobbten als auch seitens möglicher Zeugen. Das kann mitunter gerade für Männer schwierig sein, die eine Missinterpretation persönlicher Schwächen befürchten. Dennoch ist das Gespräch der wichtigste Schritt, um die Mobbing-Spirale zu unterbrechen. Im Idealfall wird ein Arzt oder Psychologe konsultiert, der Gemobbte geht in Krankenstand und überlegt in Ruhe weitere Schritte. Pichler empfiehlt zudem eine zusätzliche anwaltliche Beratung. Selbstverständlich kann es auch hilfreich sein, kompetente Unterstützung bei Fachinstitutionen zu suchen. Präventionsberatung und Krisenmanagement bieten beispielsweise Arbeiterkammer oder ÖGB, aber auch die AUVA. Auch die Selbsthilfegruppe Mobbing & psychosozialer Stress am Arbeitsplatz in Graz begleitet Mobbing-Opfer und hilft bei der Wahl geeigneter Maßnahmen.
In jedem Fall vergiftet Mobbing das Arbeitsklima auch für nicht Involvierte, gesundheitliche Auswirkungen für den Gemobbten können enorm sein, aber auch die Folgekosten durch den Arbeitsausfall sind in ihrer unternehmerischen und volkswirtschaftlichen Bedeutung nicht zu unterschätzen. Daher gilt für Zeugen wie Betroffene: Eine Reaktion mithilfe von spezialisierten Institutionen kann die Wirkspirale des Mobbings unterbrechen. Zuschauen und schweigen ändert nichts. bw
So kann sich Mobbing äußern
- Beschimpfungen
- Schikanen
- Drohungen
- Unterlassen von Information
- Verbreiten von Gerüchten
- Lustigmachen
- Ignorieren, Kontaktverweigerung
- systematisches Zuteilen unangenehmer oder sinnloser Aufgaben
Die Mobbing-Parameter
- Häufigkeit: Schikanen finden mindestens einmal pro Woche statt.
- Dauer: Die belastende Situation dauert länger als ein halbes Jahr.
- Systematik: Die Handlungen gegen den Betroffenen sind nicht zufällig, sondern geplant und zielgerichtet.
- Ungleiche Machtstrukturen zwischen den Beteiligten verringern den Handlungsspielraum für die Mobbingbetroffenen.