Verständigung ist Voraussetzung für Behandlung
Jede medizinische Behandlung bedarf der Zustimmung des Patienten – eine Herausforderung gerade bei fremdsprachigen Patienten. Erstmals bietet nun eine österreichische Kassenpraxis mehr Sicherheit durch muttersprachliche Live-Übersetzung.
Kommunikation ist die Grundlage für eine zielführende Behandlung und für die Information der Patienten über ihre Krankheit und geplante therapeutische Maßnahmen. Sie ist aber auch wichtig, damit der Arzt Informationen über den Zustand der Patienten erhält und andererseits über Verhaltensweisen zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit geben kann. Zudem ist für jeden Eingriff die Einwilligung eines einsichtsfähigen und urteilsfähigen Patienten notwendig. Das setzt eine entsprechende Aufklärung voraus, in der sich der Arzt dem Patienten verständlich über geplante medizinische Eingriffe und ihre Folgen artikulieren muss. Dazu reicht es nicht, Aufklärungsbögen auszufüllen oder Informationsbroschüren auszuhändigen. Die verständliche Information über die Behandlung in einem persönlichen Gespräch ist ein Patientenrecht und kann Haftungsfolgen bei Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht und damit des Behandlungsvertrages nach sich ziehen. Eine Reihe von Spitälern setzt daher mittlerweile auf das Angebot von Videodolmetschern, die rasch und kostengünstig in unterschiedlichen Sprachen hinzugezogen werden können.
Erstmals steht nun seit 1. Juni 2015 – nach erfolgreichen Pilotprojekten im Justizwesen sowie im Kommunal- und im öffentlichen Spitalsbereich – Videodolmetschen auch für Patienten einer österreichischen Kassen-Gemeinschaftspraxis zur Verfügung. Im Medico Chirurgicum in Wien 23 kann sich der Arzt auf Knopfdruck einen diplomierten Dolmetscher via Bildschirm zuschalten. Wie ein persönlich anwesender Dolmetscher übersetzt dieser das Arzt-Patienten-Gespräch in die jeweilige Muttersprache. Derzeit stehen diplomierte Dolmetscher für die 20 gängigsten Migrantensprachen zur Verfügung.
Sprachbarrieren: Riskant für alle Beteiligten
„Was Patienten und Behandler oft noch trennt, ist die gemeinsame deutsche Sprache. Diese Problematik ist noch ungleich schärfer bei Menschen mit Migrationshintergrund“, bestätigt Dr. Gerald Bachinger, Sprecher der Patientenanwälte.
Faktum ist, dass Sprachbarrieren in der täglichen Praxis zunehmen. Übersetzungen in die Muttersprache durch eilig herbeigeholte Mitarbeiter oder mitgebrachte Verwandte sind nur eine unzureichende und letztendlich für Arzt und Patient riskante Lösung. „Es kommt immer wieder vor, dass wir uns auf das siebenjährige Kind des Patienten als „Dolmetscher“ verlassen müssen. In dieser Situation ist dann weder für den Arzt noch für den Patienten ausreichende Sicherheit gegeben“, gibt Dr. Friedrich Anton Weiser, Gründer und Mitinhaber des Medico Chirurgicum in Alt Erlaa, zu bedenken. Fast ein Fünftel der Patienten der auf Magen- und Darmprobleme spezialisierten Praxis haben Migrationshintergrund. Diese können nun erstmals in ihrer eigenen Sprache genauer, vollständiger und vor allem sicherer mit den Ärzten kommunizieren. „Schlechte und unvollständige Kommunikation ist immer wieder Auslöser von tragischen und katastrophalen medizinischen Behandlungsfehlern“, erklärt Patientenanwalt Bachinger.
Übersetzung auf Kasse?
Derzeit werden die Videodolmetschdienste von den Ärzten des Medico Chirurgicum finanziert. „Unverständlich, dass sich die Kassen bis dato nicht engagieren, denn, abgesehen vom Leid der Patienten, betragen die durch missverständliche Kommunikation hervorgerufenen Folgekosten ärztlicher Behandlung österreichweit vermutlich ein Vielfaches des Videodolmetsch-Services“, so Weiser. Ähnlich sieht das Patientenanwalt Bachinger: „Jeder in gute Kommunikation investierte Euro rechnet sich durch das bessere Behandlungsergebnis und das Fehlen bzw. Minimieren der Kosten von suboptimaler Behandlung.“ rh