Veränderungen für Körper und Psyche
Sobald körperliche Wechselbeschwerden von psychischen begleitet werden, tun Ärzte gut daran im Zweifelsfall die Zusammenarbeit mit Psychologen zu suchen. Eine gesunde Psyche erleichtert doch so manche Therapie.
In der Medizin galten die Wechseljahre über Jahrzehnte als rein hormonelles Problem, das neben den körperlichen Symptomen auch unangenehme psychische Beschwerden hervorrufen kann. Zwischenzeitlich kann man davon ausgehen, dass Depressionen während des Klimakteriums unabhängig vom Abfall der Östrogene in dieser Zeit entstehen. Wahrscheinlich ist, dass sie begleitend dazukommen, in einer Zeit, wo die Frau insgesamt in einer starken psychischen Umbruchsituation steht. Es gibt Hinweise darauf, dass erlebter Stress – ganz gleich ob auf der körperlichen, der emotionalen oder auf der sozialen Ebene – das ohnehin labile Hormongleichgewicht noch weiter beeinflusst.
Und Stress hat die Frau in diesem Lebenszeitraum zumeist, weshalb man ihn auch „soziale Wechseljahre“ nennt: Die Kinder verlassen das Haus, manche Frauen versuchen den beruflichen Wiedereinstieg nicht ohne Schwierigkeiten, oftmals gibt es pflegebedürftige Eltern oder Schwiegereltern; das Gefühl, Jugend und Schönheit zu verlieren, unattraktiv zu werden, die Wahrnehmung der ersten Falten oder von Figur- und Gewichtsproblemen werden als belastend erlebt – viele Veränderungen, die es nötig machen, sich von dem Bisherigen zu verabschieden. Manche Frauen bezeichnen es auch als ein Stück Abschiednehmen von sich selbst. Dieser Prozess kann eine Verunsicherung der Identität oder auch ein Stück Identitätsverlust bedeuten und schmerzen. Manche Frauen reagieren in dieser Phase des Eintritts in die Wechseljahre sehr verunsichert und scheu.
Interessanterweise haben eigene Interviews mit Frauen, die sich im Wechsel befinden oder ihn bereits hinter sich haben, von dieser Unsicherheit oder Schüchternheit nichts mehr bemerken lassen. Diese Frauen berichten sehr selbstbewusst, wenn nicht gar ein wenig verwegen, von einer Persönlichkeitsveränderung in den Wechseljahren, die sie als sehr positiv erlebt haben. Zum Teil zeigen sie sich amüsiert darüber, dass sie plötzlich ein Verhalten gezeigt haben, das ihnen bis dahin selbst sehr fremd war: Die Frauen zeigten sich unzufrieden und sehr fordernd, wenn es um die Erfüllung ihrer Bedürfnisse geht. Sie sehen eine Veränderung eingeleitet, wo sie sich kompetenter und autonomer erleben. Dass diese Veränderungen vom Umfeld – nicht selten von der Familie oder anderen nahestehenden Personen – sehr irritiert oder manchmal gar als unangenehm erlebt werden, liegt auf der Hand. Die Frau in den Wechseljahren ist eben dabei, sich von den bisherigen Anforderungen und Zwängen zu befreien und nicht mehr bereit, sich den Diktaten von Lebensratgebern zu unterwerfen.
Zusammenarbeit mit Psychologen
Werden nun Mediziner mit Krankheitsbildern konfrontiert, die in Zusammenhang mit dem Klimakterium stehen, gilt es besonders feinfühlig zu agieren. In jedem Fall ist es sinnvoll und nötig, die hormonelle Situation bzw. den Gesundheitsstatus der betroffenen Klientin oder des Klienten medizinisch abzuklären. Es ist nicht automatisch davon auszugehen, dass die Betroffenen in den Wechseljahren leiden oder psychologische Hilfe in Anspruch nehmen sollten. Die klinische Psychologin/den klinischen Psychologen werden jene KlientInnen aufsuchen, die selbst einen Leidensdruck empfinden.
Häufige Zustandsbilder, die in diesen Zeitraum fallen, sind Depressionen und/oder Angststörungen – auch deshalb, weil viele Begleitsymptome des Wechsels wie etwa Schweißausbrüche, Herzrasen, heftige innere Unruhe beängstigen und Panik auslösen können bzw. denen einer Panikattacke auch ähnlich sind. Eine begleitende klinisch-psychologische Behandlung kann die Symptome abfedern und zu einem adäquaten Umgang führen.
Kaum kommen PatientInnen in die klinisch-psychologische Praxis, die als Primärproblem die Wechseljahre nennen; allerdings stellt sich im Laufe der gemeinsamen Arbeit oftmals heraus, dass die subjektiv empfundenen Beschwerden oder Probleme mit der Zeit des Eintritts in die Wechseljahre in Zusammenhang stehen. Es stellt sich die Frage, was die Betroffenen im individuellen Fall hinter sich lassen, wie sie die momentane Situation für sich bewerten und wie eine Neuorientierung helfen kann. Entsprechend der Zielformulierung der Klienten wird eine hilfreiche Behandlung erfolgen.
Klimakterium virile
Das Klimakterium ist allerdings kein rein weibliches Phänomen, auch Männer reagieren mitunter verstört auf altersbedingte Veränderungen. Das Alter ab 50 Jahren ist oft auch für Männer mit einer Lebensrichtungsänderung verbunden. Und auch wenn der Körper des Mannes die biologische Veränderung nicht mit solch deutlichen Symptomen zeigt, wie es der Körper der Frau durch die Wechselsymptome tut, spürt er dennoch die körperlichen Veränderungen. Es zeigen sich erste Einschränkungen im Leistungsvermögen oder körperliche Beschwerden treten auf. Wie bei der Frau sind auch die sichtbaren Veränderungen wie der Verlust von Haaren, Falten oder der Bauchansatz schwer zu akzeptieren.
Allerdings ist der gesellschaftliche Druck von außen auf die Männer nicht so deutlich: Der Standard für Attraktivität bei Frauen ist deutlich stärker ausgeprägt als bei Männern. Die Medien zeigen uns täglich in sehr intensiver Weise „Idealbilder“ von Menschen, die in der Regel jung, schön und schlank sind, wobei diese Ideale bei Frauen im Vergleich zu Männern überrepräsentiert sind. Deshalb sinken die Selbsteinschätzung und das Selbstbewusstsein bei Frauen in dem Maß, wie sie glauben, mit diesen Idealbildern nicht mithalten zu können. Dagegen kann bei Männern das Gefühl der Leistungseinschränkung – weniger „dynamisch“ zu sein – Selbstzweifel auslösen. Sollte in dieser Phase – was ebenfalls biologisch bedingt sein kann – eine sexuelle Problematik auftauchen, löst dies oftmals Unsicherheit und Ängste aus. Nachdem „das Klimakterium des Mannes“ bislang kaum bekannt wurde, bleiben bei vielen Männern diese Gefühle unausgesprochen.
Feinfühliger Umgang
Ein Gespräch kann helfen, den Körper wieder besser anzunehmen, anstatt die Symptome als lästig oder beängstigend zu empfinden – mit anderen Worten: Der Körper kann wieder als Freund angenommen werden. Für Angehörige der Gesundheitsberufe bedeutet dies, dass nichts an Vorwissen vorausgesetzt werden kann. Gleichzeitig wird interessiertes Zuhören als sehr hilfreich erlebt. Die Betroffenen sind gewohnt, dass sich das Umfeld nur oberflächlich darauf einlässt, wenn über Beschwerden – etwa die Hitzewallungen, die Gewichtszunahme, zunehmende innere Unruhe, Weinerlichkeit – gesprochen wird; schließlich handelt es sich um etwas, „wo jede Frau durch muss“. In der Praxis zeigt sich, dass damit viele Frauen mit ihren Erfahrungen, die für sie ja doch neu sind, selbst einen Umgang finden müssen und dabei das Gefühl haben, nicht ernst genommen zu werden und allein gelassen zu sein.
bw
Kontakt:
Mag. Ulrike Steiger-Hirsch
Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin
officesteiger-hirsch.at
www.steiger-hirsch.at