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Unzufriedene Ärzte: Zu viel Bürokratie, zu lange Arbeitszeit

Eine aktuelle Studie der Österreichischen Gesellschaft für Marketing (OGM) hat ergeben, dass die Arbeits- und Berufszufriedenheit der Jungärzte im Vergleich zu den anderen ärztlichen Gruppen durchwegs geringer ist. Ergebnis: Jeder Dritte würde nicht noch einmal Medizin studieren.


Für Ärztekammerpräsident Dr. Walter Dorner ist dabei besonders bedenklich, dass laut Angaben der befragten Jungärzte nur 10 Prozent ihrer Arbeitszeit auf die effektive ärztliche Ausbildung entfällt, 37 Prozent ihrer Zeit verbringen sie mit der Betreuung und Behandlung von Patienten, aber 42 Prozent gehen für Patientendokumentation, Administration und bürokratische Tätigkeiten auf.

Wenn Beruf keine Berufung ist

57 Prozent der Jungärzte sind mit den Arbeitszeiten unzufrieden. Das betrifft vor allem die Anzahl der Arbeitsstunden – immerhin 60 Prozent gaben an, im wöchentlichen Durchschnitt mehr als 60 Stunden zu arbeiten. Aber auch die Struktur und die Verteilung der Arbeitszeiten führen zu Unmut, denn mehr als die Hälfte hat zwei Nachtdienste pro Woche und dazu noch zwei Wochenenddienste pro Monat. „Für viele Kollegen in Ausbildung machen diese Überstunden, Nacht- und Wochenenddienste einen notwendigen Teil ihres Gehalts aus, doch damit gehen auch gesundheitliche Risiken einher, und das bereits in jungen Jahren“, gibt Dorner zu bedenken.
Immerhin: 60 Prozent der Jungärzte sind trotz aller angesprochenen Mängel mehr oder weniger zuversichtlich, ihr angestrebtes ärztliches Karriereziel zu erreichen. Alarmierend ist aber der Befund bei jenen, die an eine erfolgreiche ärztliche Karriere nicht so recht glauben: Sie gaben in der Befragung an, dass sie aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen nicht wieder den medizinischen Ausbildungsweg eingeschlagen hätten, sondern heute eine andere Ausbildung und einen anderen Berufsweg einschlagen würden. Das sind immerhin 30 Prozent aller befragten Wiener Jungärzte.
Stephanie Plefka, eine betroffene Turnusärztin, sieht einen möglichen Grund dafür in den hierarchischen Organisationsstrukturen, die in den meisten Krankenhäusern noch immer vorherrschen. „Es werden einem oft Steine in den Weg gelegt, die es neben den langen Arbeitszeiten und der massiven Administration nicht unbedingt leicht machen, mit der gewünschten medizinischen Karriere Erfolg zu haben“, erzählt Plefka aus Erfahrung. Nichtsdestotrotz würde sie jederzeit wieder den Beruf der Ärztin ergreifen. „Ich sehe die Arbeit mehr als Berufung denn als Beruf. Und mir macht das Arbeiten mit Menschen, trotz der vielleicht oft schwierigen Umstände, Spaß.“

Führungsschwäche evident

Überwiegend zufrieden sind die Ärzte in Ausbildung mit dem Arbeitsklima und der Kollegialität an ihrer Abteilung, weniger jedoch mit Führung, Aufgaben, Arbeitszielen sowie Leistungsbeurteilung und Feedback. Das liegt vor allem daran, dass zwei von drei Jungärzten angeben, überwiegend mit Aufgaben betraut zu werden, die ihren ärztlichen Ausbildungszielen nur wenig entsprechen. Am positivsten von allen abgefragten Bereichen der Arbeitszufriedenheit wird noch das Thema Gender und Gleichbehandlung gesehen. Weibliche Ärzte werden gleich wie ihre männlichen Kollegen behandelt und ausgebildet, so die mehrheitliche Meinung auch bei den weiblichen Jungärzten. Plefka: „Ob Ärztin oder Arzt – wir müssen als Turnusärzte alle gleich viel arbeiten und leisten und haben damit auch die gleichen Qualifikationen.“ Doch mit Ende der Ausbildung ändere sich diese Gleichstellung schlagartig. „Im ärztlichen Beruf herrschen leider immer noch ungleiche Karrierechancen für Frauen und Männer vor“, weiß Plefka aus ihrer hochschulpolitischen Tätigkeit als ehemalige Gleichbehandlungsreferentin der ÖH Medizin Wien zu berichten.                       rh

Hoher Rücklauf bei Befragung

Beauftragt wurde die Studie zur Arbeitszufriedenheit der Wiener Ärzteschaft von der Ärztekammer. Dazu wurde im Februar 2012 ein Fragebogen an 12.000 Wiener Ärzte versendet. Der Rücklauf war mit 1.813 ausgefüllten Fragebögen beachtlich. Die Basis für die wichtigsten Ergebnisse für die Jungärzte in Ausbildung bildeten 374 Interviews.

Zufriedenheit mit Führung und Vorgesetzten (Arbeitsziele, Unterstützung und Leistungsbeurteilung) – in Prozent (Rest auf 100%: keine Angabe): siehe Grafik

foto: bildagentur waldhäusl