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Tradition & Innovation

Heimisches Möbel­design endet nicht mit dem Jugendstil. Während nach Mitte des 20. Jahrhunderts Kunst und Design als weitgehend unabhängige Genres galten, widmen sich heute wieder viele Künstler freien Entwürfen wie auch klaren Gestaltungsaufträgen.


Entwurf: Prof. Roland Rainer, Österreich 1952, Modell: 4/5/4 - Stadthallensessel, Hersteller: A. & E. Pollak, Wien, Material: Gestell aus Buche mit braun gebeizter Sperrholzfläche, Armlehnen Buche

Die Geschichte des heimischen Möbeldesigns nach 1945 ist untrennbar mit den Aktivitäten der großen Namen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verbunden. Foto: Thonet

Entwurf: Carl Auböck, um 1950, Hersteller: Werkstätte C. Auböck, Wien, Material: Holzschwarte in Nuss ruhend auf 3 Messingrohrbeinen.

Österreichisches Design ist seit jeher geprägt von Tradition und Innovation – und von einigen Namen, die selbst für Designbanausen bekannt klingen. Die Geschichte des heimischen Möbeldesigns nach 1945 ist untrennbar mit den Aktivitäten der großen Namen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verbunden: Josef Hoffmann und Koloman Moser gründeten 1903 gemeinsam mit Fritz Wärndorfer die Wiener Werkstätte, um den Kunstbegriff neu zu definieren – und beeinflussten damit viele nachfolgende Generationen. Möbel, Gebrauchsgegenstände, Textilien, Keramiken und Schmuck gewannen einen Wert weit über jenen des Nutzens hinaus. Von diesem Innovationsgeist beseelt interessierten sich immer mehr Wiener Familienbetriebe wie zum Beispiel Augarten, Backhausen, Lobmeyr oder Wittmann für die Arbeiten der Wiener Werkstätte und entwickelten eigene Produktlinien. Diese Unternehmen bildeten die Basis dafür, dass Österreich heute als eines der innovativsten Designländer der Welt gilt.

Außergewöhnliche Auktion

Auch die Auktion „Austrian Design“ im Wiener Dorotheum Ende Februar 2012 machte eindrucksvoll deutlich, dass es keine „Lücken“ im heimischen Möbeldesign gibt. Der Wiener Kunst- und Möbelhistoriker Christian Witt-Dörring würdigt in seinem Katalogvorwort die „Vorreiterrolle“ dieser Dorotheum-Auktion, welche eine Vielzahl „zu Unrecht bis heute nur rudimentär von der Öffentlichkeit wahrgenommenen Wiener Möbel und Beleuchtungskörper der Zwischenkriegszeit und der Wiederaufbauzeit“ bietet. In der Auktion tauchen die wichtigsten Namen des österreichischen Möbeldesigns nach 1945 genauso auf wie jene, von denen diese Designer beeinflusst wurden. Entwürfe von Josef Frank, Oswald Haerdtl, Fritz Reichl, den Unternehmen Hagenauer, Auböck, Kalmar sowie Anna Lülja Praun oder Roland Rainer setzten laut Witt-Döring die „spezifische Wienerische Materialsprache in hervorragender handwerklicher Umsetzung“ fort.

Markante Namen

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die USA, Skandinavien und Italien Zentren der internationalen Designentwicklung. Designerpersönlichkeiten wie Charles Eames, Harry Bertoia, Arne Jacobson, Isamu Noguchi, Gio Ponti, Eero Saarinen und Hans J. Wegner kreierten neue Möbelformen. In Wien waren nach 1945 zwei Generationen tätig. Zum einen jene, die wie Oswald Haerdtl von den Entwürfen der Zwischenkriegszeit stark beeinflusst blieben und zum anderen junge Architekten wie Roland Rainer. Darüber hinaus wirkten bedeutende Österreicher wie Josef Frank und Ernst Plischke in der Emigration. Die Kaffeehaustradition brachte markante Entwürfe hervor, wie jene von Oswald Haerdtl, Auersperg oder Hoffmann. Auch die Architektinnen Margarete Schütte-Lihotzky und Anna L. Praun richteten Wohnungen von Künstlern und Politikern ein. Roland Rainer kreierte den berühmten „Stadthallen“-Stuhl und die Firmen Auböck, Hagenauer und Kalmar-Lampen feierten internationale Erfolge.
Josef Frank gilt als einer der wichtigsten Vertreter österreichischer Designgeschichte. Der Werkbund-Architekt war Pionier des modernen, funktionalen Designs und neben Hoffmann und Loos Vertreter der zweiten, gemäßigten Wiener Moderne. Frank lehrte an der Kunstgewerbeschule, unter anderem auch Julius Jirasek, einen begabten Schüler, der für die Firma Hagenauer Möbelobjekte entwarf. Für Kalmar entwarf Frank Lampen, Oswald Haerdtl zeichnete für Hagenauer ebenfalls für Beleuchtungskörper, aber auch Beschläge und Wanduhren verantwortlich. Heute werden Namen wie Lois Weinberger, Erwin Wurm, Philipp Aduatz, Philipp-Markus Pernhaupt, Nina Prantner oder Esther Stocker wieder vermehrt gewürdigt. Die Zeit des „Cocooning“, des vermehrten Rückzugs in das häusliche Privatleben, angesichts länderübergreifender Krisen bringt wohl auch eine Rückbesinnung auf die Ästhetik von Wohnobjekten mit sich und steigert das Interesse an neuen Formgebungen.
Die Sonderschau Design_Raum_Kunst im Rahmen der Messe Wohnen & Interieur stellt das Übertreten von Genregrenzen und die Verbindung von Kunst und Design in den Mittelpunkt, denn während sich die Möbeldesigner des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts dem Gesamtkunstwerk widmeten, besann man sich mit dem Ende der Avantgarde auf die beiden Disziplinen „Kunst“ und „Design“ als weitgehend unabhängige Genres. Gegen Ende des letzten Jahrhunderts hinterfragte man diese Trennung wieder. Heute wechseln Künstler ebenso wie Designer je nach Projekt zwischen freiem und experimentellem Entwurf und klar formulierten Gestaltungsaufgaben. Die Sonderschau Design_Raum_Kunst widmet sich diesem Thema und wird so zur Schnittstelle von Design, Kunst und Raumgestaltung heimischer wie internationaler Künstler und Designer.                  bw

Buchtipp

Möbeldesign der 50er Jahre.
Wien im internationalen Kontext
Herausgegeben von Eva B. Ottillinger, aus der Publikationsreihe M MD der Museen des Mobiliendepots. Böhlau Verlag Wien, ISBN 978-3205773764

Sonderschau DESIGN_RAUM_KUNST

Erstmals  im Rahmen der WOHNEN & INTERIEUR 2012, Österreichs größter Messe für Wohn(t)räume, Design, Accessoires, Home Entertainment und Garten
Termin: 10. bis 18. März 2012
Ort: Halle C der Messe Wien

Mit dem Ende der frühen Avantgarde des 19. und 20. Jahrhunderts und der Idee vom Gesamtkunstwerk, haben sich die beiden Disziplinen „Kunst“ und „Design“ als weitgehend unabhängige Genres etabliert. Gegen Ende unseres letzten Jahrhunderts wurde diese Trennung zunehmend hinterfragt. „Heute wechseln Künstler und Künstlerinnen ebenso wie Designer und Designerinnen je nach Projekt zwischen freiem und experimentellem Entwurf und klar formulierten Gestaltungsaufgaben. Die „Wohnen & Interieur“ reagiert auf diese Veränderungen und positioniert sich 2012 zum ersten Mal auch als Ausstellungsort für innovative und kreative Designlösungen und wird so zur Schnittstelle von Design, Kunst und Raumgestaltung heimischer wie internationaler KünstlerInnen und DesignerInnen“, erklärt DI Matthias Limbeck, themenzuständiger Geschäftsführer von Veranstalter Reed Exhibitions Messe Wien.
www.wohnen-interieur.at

Foto: bildagentur waldhäusl