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Thermalwasser als Quelle der Entspannung

Was Thermalgäste täglich am eigenen Körper verspüren, konnte auch wissenschaftlich nachgewiesen werden: Ein Thermalbad entspannt Körper und Seele, sorgt für subjektives Wohlbefinden. Weiterführende Studien zum Thema laufen.


Dr. Franziska Matzer

Eine wissenschaftliche Studie der Universitätsklinik für medizinische Psychologie und Psychotherapie der medizinischen Universität Graz im Auftrag des Steirischen Thermenlandes und in Kooperation mit dem Landesklinikum St. Pölten hat erstmals nachgewiesen, dass Thermalwasser den Stressindikator Cortisol im Speichel senkt. Bisher lagen Heilindikationen nur für chronische und altersbedingte Krankheitsbilder wie Rheuma, Gicht und Prostata vor.
Die Grundlage der Studie war die Hypothese, dass durch ein Bad im Thermalwasser Antistress-Hormone ausgeschüttet und der Stresslevel reduziert würden. In einem standardisierten Verfahren wurden die Ergebnisse des Badens im Thermalwasser mit einer therapeutisch anerkannten Entspannungsmethode – progressive Muskelrelaxation nach Jacobson – und einer Ruhe-Kontrollgruppe verglichen. Vor und nach den jeweils 25-minütigen Formen der Entspannung wurden den Testpersonen Speichelproben zur Bestimmung des Cortisol-Gehaltes entnommen. Zusätzlich bekamen sie vor und nach jeder Entspannungsmethode eine standardisierte psychologische Rating-Skala zur Beurteilung des Wohlbefindens.
„Die Studie liefert ein eindeutiges Ergebnis“, erläutert Studienleiter Dr. Babak Bahadori vom Landesklinikum St. Pölten: „Der Cortisolgehalt im Speichel sinkt bereits nach einmaligem 25-minütigen Baden im Thermalwasser signifikant ab. Dieses Ergebnis ist vergleichbar mit einer bereits im Einsatz befindlichen standardisierten Methode zum Stressabbau, nämlich der progressiven Muskelrelaxation.“
Der Neurologe Dr. Christian Fazekas, Vorstand an der Universitätsklinik für Medizinische Psychologie und Psychotherapie in Graz, ergänzt: „Psychologische Selbstbeurteilungsverfahren zeichnen ein noch deutlicheres Bild: Der subjektiv empfundene Erholungswert, als Gradmesser der psychologischen Messungen im Anschluss an die Entspannungsmethoden, wies im Thermalwasser einen signifikant höheren Wert auf. Das Thermalwasser ist daher auch aus medizinpsychologischer Sicht nachweisbar dazu geeignet, den Stresslevel rasch zu senken.“

Nachfolgestudie

Eine Nachfolgestudie der Universitätsklinik für medizinische Psychologie und Psychotherapie Graz, wieder in Kooperation mit dem Steirischen Thermenland, widmet sich nun der Fragestellung, wie Baden im Thermalwasser und Bewegung im Vergleich zu einer Entspannungsphase im Ruheraum auf unterschiedliche Anzeichen von Stress wirken, jeweils als Einzelmethode und in Kombination. Zusätzlich soll auch geklärt werden, ob Personen unterschiedlich von diesen Methoden profitieren, wenn sie sich stark oder weniger stark belastet fühlen.
80 Personen beteiligten sich an der Studie in Bad Radkersburg, im Oktober 2012 wurden die entsprechenden Daten erhoben. Die Probanden wurden dabei in vier Gruppen eingeteilt:

  • 30 Minuten Walken, schnelles Gehen bei 5 bis 6 km/h in ebenem Gelände
  • Baden im Thermalwasser
  • Walken mit anschließendem Baden im Thermalwasser
  • Vergleichsgruppe ohne Aktivitäten

Jede der Testpersonen hat dabei alle vier Gruppen absolviert, was eine spätere Vergleichbarkeit der Daten begünstigt. Methodisch wurden die Untersuchungen im Vergleich zur ersten Studie erweitert. Neben dem Speicheltest zur Bestimmung des Cortisolgehaltes wurden zusätzlich Puls- und Blutdruckmessungen durchgeführt. Auf psychologischer Ebene musste nicht nur das subjektive Entspannungsempfinden auf einer Scala eingeordnet, sondern auch Fragen zur Befindlichkeit schriftlich beantwortet werden.
Die psychologischen Faktoren wurden bereits ausgewertet, die Labordaten sollen noch im Februar zur Verfügung stehen und anschließend eingearbeitet und die Ergebnisse publiziert werden. Darauf aufbauend könnten in der Folge neue Angebote und Dienstleistungen im Sinne neuer Therapieformen zur Stressprophylaxe entwickelt werden. Der Kooperationspartner Steirisches Thermenland erhofft sich aus dem Projekt einen nachhaltigen, auch wirtschaftlichen Nutzen.                                    vw

Präventive Anti-Stress-Programme

Interview mit Dr. Franziska Matzer, Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin an der Universitätsklinik für Medizinische Psychologie und Psychotherapie der Medizinischen Universität Graz und Co-Autorin der wissenschaftlichen Studien über die entspannende Wirkung des Thermalwassers.

Gemeinsam mit Ihren Kollegen gelang Ihnen erstmals der wissenschaftliche Nachweis, dass Thermalwasser stressabbauend und gesundheitsfördernd wirkt.
Bisher wurde die heilende Wirkung des Thermalwassers nur im Zusammenhang mit Erkrankungen untersucht. Die Universitätsklinik für Medizinische Psychologie und Psychotherapie beschäftigt sich schon sehr lange und intensiv mit dem Thema Gesundheitsprävention. Daher war es naheliegend, auch dessen mögliche präventive Wirkung zu erforschen. Gemeinsam mit dem Landesklinikum St. Pölten und dem Steirischen Thermenland haben wir daher 2011 eine erste Studie initiiert.
 
Was haben Sie konkret herausgefunden?
Wir haben die stressabbauende Wirkung eines Thermalbades mit zwei anderen klassischen Entspannungsmethoden verglichen – und zwar auf einer objektiv messbaren physiologischen und einer subjektiv empfundenen psychologischen Ebene. Das Ergebnis zeigte, dass alle drei Methoden eine eindeutig identifizierbare körperliche Entspannung hervorriefen und zwar in einer vergleichbaren Wirkung, dass auf der Empfindungsebene das Thermalwasser allerdings mit Abstand am besten abschnitt.

Wirkt das Wasser sofort oder braucht es dazu regelmäßige Bäder?

Eine einmalige Intervention reicht aus, um eine nachweisbar positive Wirkung zu erzielen. Im Sinne der Prävention ist es jedoch empfehlenswert, regelmäßige Entspannungstools in den Alltag einzubauen. Dafür bietet das Thermalwasser eine hervorragende Möglichkeit, auch weil es besonders nachhaltig wirkt.

Aktuell arbeiten Sie an einer weiterführenden Studie. Womit beschäftigt sich diese?
Die Arbeit baut auf den Ergebnissen der ersten Studie auf. Die Entspannungsmethoden werden dabei um das Element Bewegung erweitert. Bekanntermaßen ist ja auch Bewegung ein geeignetes Mittel, um Stress abzubauen. Für uns hat sich daher die Frage ergeben, inwieweit die unterschiedlichen Methoden wirken, auch in Kombination miteinander. Speziell interessiert uns zudem die Fragestellung, ob die Wirkung der Methoden auch von der Höhe der Stressbelastung beeinflusst wird.

Gibt es schon Ergebnisse dazu?

Nein, leider nicht. Wir warten noch auf die Laborergebnisse, es müssen hunderte Speichelproben ausgewertet werden. Ich hoffe aber, dass wir bis spätestens März mit ersten Ergebnissen an die Öffentlichkeit gehen können.

Was wird mit diesen Ergebnissen dann weiter passieren?

Möglicherweise lassen sich aus den Ergebnissen der zweiten Studie schon konkrete Empfehlungen ableiten, welche Entspannungsmethoden sich für unterschiedliche Stressbelastungen besonders eignen. In einem weiteren Schritt ist angedacht, die Studienergebnisse für die Entwicklung gezielter Präventivprogramme zur Stressbewältigung und -vorbeugung zu nutzen.