Telemonitoring mittels NFC für mehr Patienten-Compliance
Die vor einiger Zeit in Österreich entwickelte NFC-Technologie (Near Field Communication) ist endgültig auf dem Weg zu einem elektronischen Kommunikationsstandard. Damit öffnen sich auch neue Anwendungsfelder im Bereich von AAL (Ambient Assisted Living) und der Telemedizin, etwa beim effizienten Monitoring chronisch Kranker.

Auf einem vom AIT in Zusammenarbeit mit den Seibersdorf Laboratories entwickelten und designten NFC-Tag mit integrierter analoger Linearskala kann der Patient sein subjektives Schmerzgefühl mittels NFC-fähigem Smartphone bestimmen und die digitalen Daten berührungsfrei ohne weiteres Eintippen übertragen.
NFC steht für „Near Field Communication“, eine Technologie für Kurzstrecken-Funkanwendungen, welche die Kommunikation von zwei mobilen Geräten über eine magnetische Nahfeldkopplung – bei maximal 20 cm Abstand – ermöglicht. Bringt man zwei NFC-fähige Geräte zueinander, so erfolgt ein automatischer und verschlüsselter Verbindungsaufbau und in weiterer Folge ein Datenaustausch zwischen den Geräten.
Obwohl NFC gegenwärtig einen wahren Techno-Hype erlebt und immer mehr Handy-Hersteller NFC-taugliche Smartphones auf den Markt bringen, so ist die „Erfindung“ nicht ganz neu, geht bis in das Jahr 2002 zurück. Auf den Markt gebracht wurde die Technologie von der Firma NXP Österreich aus dem steirischen Gratkorn. Jetzt erst scheint dieser Kommunikationsstandard seinen Durchbruch endgültig geschafft zu haben und gewinnt in vielen Bereichen des mobilen Alltags zunehmende Bedeutung.
NFC wird zukünftig unter anderem auch verstärkt im Heim- und Pflegebereich – etwa im Feld Ambient Assisted Living (AAL) – sowie in der Medizintechnik eingesetzt werden. Es geht darum, eine möglichst lückenlose medizinische Überwachung von Patienten sicherzustellen und ihnen gleichzeitig die größtmögliche Mobilität zu ermöglichen. Als weitere Anwendungsbeispiele kommen im E-Health-Bereich unter anderem Patientenidentifikation, Übertragung von biologischen Patientendaten (Blutdruck, Blutzucker etc.) oder das drahtlose Monitoring physiologischer Daten – etwa in der Sport- oder Intensivmedizin – in Frage.
Einfach & sicher
NFC kann auch als Erweiterung des RFID-Standards ISO 14443 gesehen werden und ist zu diesem voll kompatibel. Anders als bei RFID (Radio Frequency Identification), bei dem die Kommunikation zwischen einem Lesegerät und einem passiven Transponder erfolgt, kommunizieren bei einer NFC-Übertragung zwei aktive Geräte miteinander. Dabei wird der ursprünglich passive Teil, der zwar über Antenne und Chip, nicht aber über eine eigene Energieversorgung verfügt, erst durch den aktiven Teil (Smartphone) aktiviert. Eine Datenverschlüsselung im Chip und die sehr eingeschränkte Reichweite garantieren dem Anwender zudem höchste Datensicherheit.
Für den langfristigen Erfolg der Technologie, speziell im Gesundheits- und Pflegebereich, ist es essenziell, dass sie bei ihren Nutzern hohe Akzeptanz findet. Neben der zuverlässigen und „einfachen“ – sprich: bedienerfreundlichen – Funktionalität müssen die potenziellen Anwender davon überzeugt werden, dass von den Geräten keine Gefahr für ihre Gesundheit ausgeht.
„Vor dem Einsatz am Patienten ist daher die Wechselwirkung des Systems mit dem menschlichen Körper und mit der elektromagnetischen Umwelt genau zu untersuchen“, sagt DI Manfred Bammer, Geschäftsfeldleiter Health & Environment Department, Biomedical Systems am AIT Austrian Institute of Technology: „Besonderes Augenmerk ist dabei auf die speziellen Anforderungen in medizintechnischer Umgebung, zum Beispiel in Krankenhäusern, zu legen.“ Dabei sind die Analyse der Strahlungsabsorption bzw. der im Menschen induzierten Körperstromdichten, die Immunität gegenüber externen Störfeldern, das Störpotenzial für medizinische Geräte in der Umgebung sowie die Wechselwirkung mit elektronischen Implantaten sowie der Datenschutz wesentliche Designparameter.
Hart & weich
Die Technologie eignet sich besonders dort, wo „harte“, quantitative Messwerte und „weiche“, subjektive Faktoren wie Schmerz oder Wohlbefinden elektronisch erhoben, zusammengeführt, aufbereitet und analysiert werden müssen, wie etwa bei chronischen Krankheiten.
In gemeinsamen Forschungsprojekten mit Partnern aus dem Gesundheitsbereich entwickelt das Health & Environment Department des AIT konkrete Anwendungsmodelle für NFC. Dafür werden NFC-Tags mit innovativen analogen Skalen und textilen Tags designt, die zum Beispiel zukünftig nicht nur Punkt- sondern auch flächige Sensoren aufweisen, interaktive Systemelemente implementiert und mögliche neue Anwendungsgebiete erforscht. Aktuell wird an innovativen analogen NFC-Tags als Hilfsmittel in der Schmerztherapie gearbeitet, einem bedeutenden Zukunftsfeld der modernen Medizin; oder auch an der Implementierung von NFC auf Medikamenten-Blisterpackungen zur Überwachung und Hilfestellung bei der Einnahme oder für einen effektiveren Kopierschutz.
Neben der Forschung beschäftigt sich das AIT aber auch mit der klinischen Evaluierung und Weiterentwicklung von NFC-Anwendungen, die bereits in der Praxis eingesetzt werden.
Herz-Telemonitoring-System
Im Krankenhaus der Elisabethinen in Linz kommt NFC seit 2009 bei der Überwachung von Patienten mit Herzinsuffizienz zum Einsatz. „Durch die Nutzung telemedizinischer Dienste sollen nicht nur Effizienzsteigerungen und damit verbundene Kosteneinsparungen bei chronischen Erkrankungen erreicht, sondern auch Patienten ermuntert werden, ihre Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen“, sagt OA Dr. Christian Ebner: „Das ELICARD Telemonitoring-System schafft für den Patienten mehr Sicherheit und Lebensqualität. Es ermöglicht eine lückenlose medizinische Überwachung von zu Hause aus, reduziert notwendige stationäre Aufenthalte, minimiert die Ambulanzbesuche aus Kontrollgründen und erhöht zusätzlich die Compliance, da die Patienten bei der oft komplexen medikamentösen Therapie besser geführt werden und lernen, damit aktiv mit ihrer Krankheit umzugehen.“
Die wissenschaftliche Basis für das ELICARD Telemonitoring-System bildete neben den positiven Erfahrungen aus vergleichbaren Projekten in Belgien, Deutschland (Charité) und Nordirland auch die vom E-Health-Team des AIT Safety & Security Departments und der Medizinischen Universität Graz an fünf österreichischen Krankenhäusern durchgeführte MOBITEL Studie.
Sie kam zu dem Schluss, dass „bei Patienten mit Herzinsuffizienz und einer akuten Episode einer kardialen Dekompensation mittels mobilfunkbasiertem Telemonitoring die Anzahl und Dauer von Krankenhausaufenthalten deutlich vermindert und die Prognose verbessert werden.“
Das Einlesen und die Übertragung der Messdaten – Gewicht, Blutdruck, Herzfrequenz – erfolgt mittels NFC-fähigem Smartphone berührungsfrei ohne Eintippen. Die Daten werden automatisch mit den individuell festgelegten Grenzwerten der Patienten verglichen, bei auffälliger Datenlage wird der Arzt in der Ambulanz informiert. Mithilfe eigens entwickelter Symbolkarten werden auch subjektiven Befindlichkeitsdaten sowie Compliance-Daten – etwa betreffend die Medikamenteneinnahme – erfasst. Bei fehlenden Werten erfolgt eine umgehende Erinnerung an die Patienten.
Telemedizinpreis 2011
Ein zweites Beispiel für die erfolgreiche Implementierung der NFC-Technologie ist das Pilotprojekt „Gesundheitsdialog Diabetes mellitus“, das die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (VAEB) ihren Anspruchsberechtigten – vorerst in beschränktem Rahmen – anbietet. Kernstück des Projektes ist ein elektronisches Diabetikertagebuch namens „DiabMemory“, das die fortlaufende und konsequente elektronische Dokumentation der Messwerte und Therapiedaten von Typ 1 und Typ 2 Diabetikern unterstützt. Die VAEB wurde für das Projekt erst kürzlich vom Gesundheitsminister Dr. Alois Stöger mit dem E.T. Award 2011 für innovative Patientenkommunikation ausgezeichnet.
Gemeinsam mit dem E-Health-Team des AIT Safety & Security Departments und der Wiener Ärztekammer wurde das Design für die automatische Datenerfassung mittels NFC, die grafische Datenaufbereitung mit individuellen Zielwerten, die effiziente Unterstützung für behandelnde Hausärzte sowie die gesamte telemedizinische Unterstützung der Patienten erarbeitet.
Nach ersten Analysen der Ergebnisse zeigt sich ein vielversprechendes Bild. Patienten und betreuende Ärzte äußern sich sehr zufrieden. Die Patienten fühlen sich sicher im Umgang mit der Krankheit, sie haben ihren Krankheitsverlauf mit der AIT-Technologie immer unter Kontrolle und stehen in einem aktiven Dialog mit ihrem Arzt. Dadurch wird auch eine höhere Compliance sichtbar. Die Ärzte akzeptieren das System, weil die kontinuierlichen Daten eine gezieltere und qualitativ hochwertigere Betreuung ermöglichen. Zukünftig könnte das Modell auch auf potenzielle Risikopatienten ausgeweitet werden, um so schon präventivmedizinisch aktiv werden zu können. Eine Vision. Heute noch.
vw
Foto: AIT


