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Sprachbarrieren im Gesundheitswesen

Mangelnde Aufklärung kann für Ärzte erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Doch wie kann ein Patientengespräch stattfinden, wenn buchstäblich nicht dieselbe Sprache gesprochen wird?


Foto: fotolia

Wer schon einmal im Ausland krank geworden ist, weiß um die Probleme: Kommunikation mit Ärzten und Pflegepersonal. So geht es Menschen mit Migrationshintergrund, Gehörlosen und anderen Personen mit Verständigungsschwierigkeiten in Österreich täglich. So geht es aber auch den Ärzten, die aufgrund eines Gespräches – das in diesem Fall kaum stattfinden kann – über Diagnose und Therapie entscheiden sollen. Ein gelungenes Arzt-Patienten-Gespräch ist die zentrale Basis für eine erfolgreiche Behandlung und das ist oft in der eigenen Muttersprache schon schwierig genug.
Die Österreichische Plattform für Patientensicherheit, das Gesundheitsministerium, das Wiener Institut für Ethik und Recht in der Medizin und der ÖGS.barrierefrei starten daher mit Anfang 2013 ein Pilotprojekt, um Spitalsambulanzen,
Arztordinationen, Rehab- und Pflegeinstitutionen mit entsprechenden Dolmetschangeboten auszustatten.

Einfache und günstige Lösung

Per Videodolmetsch soll eine einfache, rasche und kostengünstige Lösung zur Verfügung stehen. Innerhalb von zwei Jahren wird eine zentrale Stelle für Österreich geschaffen, in der speziell für den Gesundheitsbereich geschulte Dolmetscher für die Sprachen Türkisch, Bos­nisch, Kroatisch, Serbisch und die Gebärdensprache jeweils von Montag bis Sonntag in der Zeit von 6.00 bis 22.00 Uhr über Computer erreichbar sind und videodolmetschen können. „Ziel ist es, dem Gesundheitspersonal ein Tool zur Verfügung zu stellen, mit dem die Behandlung von Patienten mit wenig bis keinen Deutschkenntnissen oder eingeschränkter verbaler Kommunikationsfähigkeit im Notfall dennoch professionell stattfinden kann. Am Ende steht nicht nur ein Arzt-Patienten-Gespräch, das zu einer verbesserten Therapietreue der Patienten führt, sondern auch ein für die Beteiligten sicheres und professionelles Vorgehen. Nicht zuletzt ist davon auszugehen, dass die verbesserte Betreuung langfristig auch dazu führt, dass Kosten gespart werden, denn richtige Aufklärung verbessert den Therapieerfolg und verringert den Drehtüreffekt“, erklärt Dr. Maria Kletecka-Pulker, Geschäftsführerin der Plattform Patientensicherheit.

Verständigung ist keine Bringschuld

Das Gesundheitswesen kann sich nicht darauf ausreden, dass die passende Sprache eine „Bringschuld“ bei den Patienten darstellt: Abgesehen von akuten, lebensbedrohlichen Notfällen kann nur ein ausreichend aufgeklärter Patient seine Einwilligung zu einer Heilbehandlung geben. Kommt das nicht zustande, drohen straf- und privatrechtliche Haftung – für Arzt oder Spital. Abgesehen davon hat in Österreich jeder Mensch unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht oder Religion Anspruch auf gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen. Das ist aber häufig wegen sprachlicher Barrieren schwierig.
In der Medizin – im Spital, in Ambulanzen, beim niedergelassenen Arzt, in Pflege- und Rehab-Einrichtungen – greift man derzeit noch oft zu halbherzigen Hilfsmitteln: Einbeziehung sprachkundiger anderer Dienstnehmer der jeweiligen Einrichtung, Angehörige oder gar Kinder oder aber einfach ein Patient aus dem Wartezimmer, der einer benötigten Sprache kundig ist. Dass so Fehler und unzumutbare Belastungen und erst recht ein Verstoß gegen den Datenschutz passieren können, liegt auf der Hand. Aus Erfahrung spricht hier etwa Barbara Karner-Einzinger, BSc, Pflegedirektorin im St. Anna Kinderspital. „Ich habe selbst immer wieder erlebt, wie schwierig der Umgang mit Patienten ist, wenn es Sprachschwierigkeiten gibt. Das betrifft alle Beteiligten, Ärzte, die Pflege und die Patienten. Vor allem in Akutsituationen ist es notwendig, die Situation rasch zu erfassen, um schnell reagieren zu können. Hier sind eine gute Verständigung und das ‚Abholen‘ des Gesprächspartners das Um und Auf jeder Behandlung.“ Für den Umgang mit nicht-deutschsprachigen Patienten gibt es im Krankenhaus-Setting viele Möglichkeiten. So kommen vom Angehörigen-Dolmetscher über fremdsprachiges Gesundheitspersonal bis hin zum professionellen Dolmetschdienst die verschiedensten Varianten zum Einsatz. Entsprechend unterschiedlich ist demnach auch die Qualität der Informationsübermittlung und Verständigung.
Wichtige Informationen können leicht auf der Strecke bleiben und damit leidet sowohl die Qualität der Aufklärung mit ethischen und rechtlichen Konsequenzen als auch die Compliance der Patienten. „Wir haben im onkologischen Bereich für Diagnose- und Therapiegespräche bereits ein etabliertes System mit Übersetzern, das sehr gut funktioniert. Das bezieht sich aber auf geplante Gespräche. In der Notfallambulanz des St. Anna Kinderspitals versorgen wir rund 200 Patienten pro Tag, der überwiegende Teil spricht nicht oder nur wenig Deutsch. Ein Testlauf mit dem Videodolmetscher hat eindrucksvoll gezeigt, wie hilfreich ein derartiger Service ist. Wir hoffen natürlich, dass möglichst viele andere Krankenhäuser am Projekt teilnehmen, dann werden auch die Kosten in einem vernünftigen Rahmen bleiben und die Verfügbarkeitszeiten der Dolmetscher können ausgeweitet werden“, so Karner-Einzinger.                rh
www.plattformpatientensicherheit.at