Scheibchenweise Realbesitz
Die österreichischen Immobilienaktien glänzen durch hohe Aufwertungsgewinne und niedrige Finanzierungskosten. Angesichts bevorstehender Übernahmen und Fusionen bleibt in der Branche kein Stein auf dem anderen. Für Anleger bleibt es spannend.
In Zeiten, in denen Geld auf dem Sparbuch keine Zinsen mehr bringt und Staatsanleihen hoher Bonität sogar ein Verlustgeschäft geworden sind, rücken alternative Veranlagungen verstärkt in den Blickwinkel – allen voran Immobilien. „Historisch betrachtet waren sie immer schon Teil einer diversifizierten Veranlagung größerer Vermögen“, betont Louis Obrowsky, Experte der Semper Constantia Immo Invest. Denn: „Immobilien bieten sichere Mieterträge, Inflationsschutz und sind für viele wirtschaftliche Szenarien – ausgenommen Krieg – eine sinnvolle Veranlagung.“
Die Palette der Anlagemöglichkeiten reicht vom selbst genutzten Wohnungseigentum über Vorsorgewohnungen, Zinshäuser, Gewerbe- oder Spezialimmobilien bis hin zu indirekten Immobilieninvestments wie den stark regulierten Offenen Immobilienfonds oder den meist in Form einer Kommanditgesellschaft konzipierten Geschlossenen Immobilienfonds.
Wer mit indirekten Immobilieninvestments freilich sowohl Transparenz als auch Pepp sucht, greift besser zu Immobilienaktien, also Aktiengesellschaften, die Büros, Einzelhandelsflächen, Wohnungen oder Hotels bewirtschaften und entwickeln. Die an der Wiener Börse notierten Unternehmen Buwog, conwert, CA Immo oder s Immo werfen zum Teil recht satte Kursgewinne ab und bringen Dividendenrenditen von bis zu vier Prozent. Immofinanz schwächelt dagegen und muss noch einige Hausaufgaben erledigen.
Übernahme
Mit knapp 50 Prozent Kursgewinn innerhalb der letzten zwölf Monate schneidet der Wohnungsspezialist conwert, dessen Immobilienvermögen von 2,7 Milliarden Euro zu drei Viertel auf Deutschland und zu einem Viertel auf Österreich entfällt, am besten ab – mit gutem Grund: Nach einer jahrelangen Phase von Eigentümer- und Managementwechseln hat der im September des Vorjahres neu gekürte CEO Wolfgang Beck das Immobilienportfolio gestrafft, Kosten gesenkt und für 2016 einen Rekordgewinn angekündigt. Das gefiel nicht nur dem deutschen Wohnungskonzern Adler Real Estate, mit rund 25 Prozent größter Einzelaktionär, sondern vor allem dem deutschen Wohnimmobilien-Marktführer Vonovia, der den conwert-Aktionären Anfang September ein attraktives Übernahmeangebot unterbreitete: Zur Wahl steht die Möglichkeit, 149 conwert-Papiere in 74 Vonovia-Aktien zu tauschen. Das entspricht einem Gegenwert von knapp 18 Euro je conwert-Aktie beziehungsweise einem Aufschlag von knapp 24 Prozent auf den volumengewichteten Durchschnittskurs der letzten sechs Monate. Zum Vergleich: Im Frühjahr 2015 hatte die Deutsche Wohnen bei conwert mit bloß 11,50 Euro je Aktie rund ein Drittel weniger offeriert. Alternativ bietet Vonovia, einen Abfindungspreis von 16,16 Euro je Aktie in bar zu zahlen. Nachdem das Angebot von Vonovia, die zehnmal so groß ist wie conwert, ausgesprochen fair und somit entsprechend attraktiv ist, wird sie die Mindestannahmeschwelle von 50 Prozent plus eine Aktie vermutlich problemlos erreichen. Kleinaktionärsvertreter Willi Rasinger befürchtet vielmehr, dass die Aktie schlussendlich vom Wiener Kurszettel verschwinden wird.
Verschmelzung
Mitte April ließ Immofinanz mit einem Knalleffekt aufhorchen: Der nach der Abspaltung der Wohnaktivitäten über die Buwog und dem Verkauf des Logistikportfolios nur noch auf die beiden Segmente Einzelhandel und Büro fokussierte Konzern erwarb 26 Prozent am Bürospezialisten CA Immo von der O1 Group mit dem Ziel, die beiden Unternehmen zu fusionieren. Damit soll ein klarer Marktführer in Zentral- und Osteuropa mit rund sechs Milliarden Euro Portfoliowert geschaffen werden – in der Hoffnung auf entsprechende Kurssteigerungen an der Börse. „Wichtig ist ein fairer und transparenter Evaluierungsprozess“, betont CA Immo-CEO Frank Nickel. Er sieht sein Unternehmen für die Verschmelzungsgespräche gut gerüstet, nachdem der innere Wert der Aktie binnen eines Jahres von 22,05 auf 25,68 Euro (per 30. Juni 2016) angestiegen ist und sich angesichts eines signifikanten Neubewertungsergebnisses und sinkender Finanzierungskosten ein neuerliches Rekordjahr abzeichnet. Die CA Immo konzentriert sich in ihrem Portfolio von 3,7 Milliarden Euro auf große, moderne Büroimmobilien in den Top-Wirtschaftszentren Berlin, Frankfurt, München, Wien, Warschau, Prag, Bukarest und Budapest. Insbesondere in Deutschland will Nickel die Entwicklungspipeline dank hoher Grundstücksreserven vorantreiben. Trotz solider Kapitalausstattung und hoher Profitabilität kommt die Aktie der CA Immo derzeit kaum vom Fleck, weil viele Anleger abwarten, ob und unter welchen Bedingungen der Merger über die Bühne gehen wird.
Die Immofinanz muss zunächst ihre Hausaufgaben erfüllen – konkret: ihr Russland-Portfolio abspalten beziehungsweise verkaufen, das derzeit etwa ein Fünftel des Gesamtportfolios von 5,5 Milliarden Euro ausmacht. Dem Vernehmen nach gibt es einige Interessenten, bislang jedoch noch keine konkreten Angebote. „Die Fusion macht sehr viel Sinn“, betont Asset Manager Wolfgang Matejka. Ob es dazu kommt, hängt freilich von der Bewertung der Unternehmen und dem Umtauschverhältnis der beiden Aktien ab, dem dann die Aktionäre mit qualifizierter Mehrheit, also 75 Prozent der anwesenden Stimmen, zustimmen müssen. Klar ist jedenfalls, wie Alois Wögerbauer, Geschäftsführer der 3 Banken-Generali Investmentgesellschaft, formuliert, „dass die Immofinanz die CA Immo braucht, die CA Immo aber nicht unbedingt die Immofinanz“.
Teures Wohnen
Während conwert, CA Immo und Immofinanz nach wie vor unter ihrem inneren Wert an der Börse notieren, wird die Aktie der Buwog nach kräftigen Kursavancen bereits mit einem Aufschlag gehandelt. Anfang September rückte sie sogar in den ATX five, die Königsklasse der Wiener Börse, auf. „Wir konnten im abgelaufenen Geschäftsjahr 2015/16 in allen unseren Geschäftsfeldern Asset Management, Property Sales und Property Development solide Ergebnisse abliefern“, freut sich CEO Daniel Riedl. Der innere Wert stieg von 17,79 auf 20,18 Euro. Die Development Pipeline wurde massiv ausgebaut, Hamburg als zusätzliches Standbein aufgebaut. „Gemeinsam mit Berlin und Wien haben wir so die drei wichtigsten Immobilien-Standorte im deutschsprachigen Raum erschlossen“, erklärt Riedl. Da der deutsche Markt höhere Renditen ermöglicht als der österreichische und das Buwog-Portfolio sich zugunsten von Deutschland verschiebt, sollte sich die Gesamtprofitabilität weiter verbessern. Dabei geht es vor allem um das ertragreichere Entwicklungsgeschäft, auf das in etwa 15 Prozent des Geschäfts entfallen. Dass böse Zungen den deutschen Immobilienmarkt bereits als überhitzt bezeichnen, kann Riedl nicht nachvollziehen: „Es gibt mehr Nachfrage als Angebot und der Nachfrageüberhang sorgt für steigende Preise. Mit den Preissteigerungen in Deutschland wird es also nicht so bald vorbei sein.“
Zyklusorientierter Allrounder
Auch s Immo-CEO Ernst Vejdovszky berichtet von einer anhaltend hohen Nachfrage für Berliner Wohnimmobilien. „Nach dem steilen Anstieg von 20 bis 25 Prozent in den letzten eineinhalb Jahren werden die Preise eventuell nur noch geringfügig ansteigen. Ich erwarte aber nicht, dass sie zurückgehen.“ Nachdem sich der deutsche Wohnungssektor bereits nahe dem Zyklushoch befindet, hat s Immo etwa 20 Prozent der deutschen Flächen veräußert. Aufgrund selektiver Zukäufe bleibt Deutschland jedoch weiterhin der wichtigste Markt. Denn bei Büroimmobilien gebe es durch die steigende Zahl an Unternehmensgründungen, insbesondere in der Kreativ- und Technologiebranche, noch großes Potenzial. In Osteuropa, auf das rund ein Drittel des Immobilienvermögens von 2,1 Milliarden Euro entfällt, habe sich vor allem Rumänien in letzter Zeit sehr positiv entwickelt. „In Bukarest starten wir mit der Entwicklung der vielversprechenden Büroimmobilie The Mark und erweitern unser Einkaufszentrum Sun Plaza für bis zu 40 neue kleinere Geschäfte“, betont Vejdovszky.
Die sprudelnden Gewinne der s Immo resultierten bislang aus Verkäufen und Neubewertungen von deutschen Immobilien. Das große künftige Wertpotenzial liegt jedoch in Osteuropa, wo im Zuge der Finanzkrise in Summe 190 Millionen Euro abgeschrieben wurden. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir einen guten Teil in den nächsten drei, vier, fünf Jahren wieder in den Büchern haben“, glaubt der s Immo-CEO.
Fazit für den Anleger: Die österreichischen Immo-AGs stehen dank weiterhin zu erwartender Aufwertungsgewinne und optimierter Finanzierungskosten so gut da wie schon lange nicht. Eher risikoscheue Anleger sind am besten in der s Immo aufgehoben, mit der Aussicht auf Kurssteigerungen und eine attraktive Dividendenrendite. Die Aktie der Buwog, ebenfalls ein eher konservativer Wert, scheint inzwischen schon sehr hoch bewertet und ist eher aus Dividendenüberlegungen attraktiv. Bei conwert lohnt sich dagegen kaum mehr der Einstieg. CA Immo überzeugt durch großes Wachstums-potenzial, hohe Profitabilität und attraktive Dividendenrendite. Die Fantasie von Kursgewinnen scheint vorerst blockiert, solange es keine Klarheit über das Umtauschverhältnis gegen die Aktien der Immofinanz gibt. Letztere ist wiederum eine Wette darauf, dass das Russland-Portfolio ohne allzu große Verluste abgespalten wird und die Fusion mit CA Immo gelingt. emb