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Scharfes Pflaster gegen Schmerzen

Ein Schmerzpflaster mit dem Chili-Wirkstoff Capsaicin zeitigt bei lokaler Behandlung von peripheren neuropathischen Schmerzen gute Erfolge.


In Österreich leiden mindestens 3,3 Prozent der Gesamtbevölkerung, das sind über 260.000 Menschen an neuropathischen Schmerzen. 20 bis 25 Prozent aller Klinikaufenthalte von Schmerzpatienten entfallen auf neuropathische Schmerzen. Schlaflosigkeit, Angst, Depressionen und vor allem starke Schmerzen machen das Leben für diese Menschen zur Qual.

Schwierige Medikation

Neuropathischer Schmerz ist eine komplexe, schwer behandelbare Störung, die aus Nervenschäden infolge verschiedener Erkrankungen, Medikationen oder chirurgischer oder traumatischer Verletzungen resultiert. Geschädigte Nerven erzeugen einschießende Schmerzen, ähnlich einem Stromblitz. Neuropathische Schmerzen sind scharf, brennend, elektrisierend, kurz und attackenförmig. Ein verletzter Nerv kann bereits bei leichter Berührung mit überschießenden Schmerzen reagieren und die Lebensqualität stark beeinträchtigen.
Zwar gibt es bereits eine Reihe von Arzneimitteln zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen, jedoch wird ihr Einsatz häufig durch unerwünschte Wirkungen wie Sedierung und Schwindelgefühl begrenzt. Weitere Hemmnisse sind Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, ein langsamer Wirkungseintritt, die Notwendigkeit einer potenziell aufwendigen Dosisfindung oder mehrfach tägliche Anwendung.

Schmerzpflaster mit Chili

Seit zwei Jahren ist in Österreich ein kutanes Pflaster mit dem Chili-Wirkstoff Capsaicin zur lokalen Behandlung von peripheren neuropathischen Schmerzen bei nicht-diabetischen, erwachsenen Patienten zugelassen. „Jahrelang waren wir auf der Suche nach lokal wirksamen Therapien. Denn die bisherige medikamentöse Behandlung der komplexen Störung war nicht zufriedenstellend, umständlich in der Dosierung und mit einer Reihe unerwünschter Wirkungen, wie zum Beispiel Schläfrigkeit und Schwindel verbunden“, betont Univ.-Prof. Dr. Burkhard Gustorff, Vorstand der Abteilung für Anästhesie, Intensiv- und Schmerzmedizin im Wiener Wilhelminenspital, die Notwendigkeit von alternativen Behandlungsmethoden.
Die Lösung ist seit zwei Jahren am Markt: ein 14 mal 20 cm großes, folienartiges Pflaster, dessen Chili-Wirkstoff Capsaicin beim Auftragen des Pflasters direkt an der Stelle, wo der Schmerz lokal auftritt, an die Haut abgegeben wird. Durch eine einmalige 30- oder 60-minütige Dauer der Behandlung werden die Nervenfasern durch das hoch dosierte Capsaicin reversibel deaktiviert, also gleichsam lahmgelegt. „Man könnte sagen, die Schmerznerven werden dadurch zunächst erregt, um anschließend unerregt sein zu können“, so der Schmerzmediziner. Mit dem hochkonzentrierten Wirkstoff Capsaicin werden periphere neuropathische Schmerzen durch Überstimulation der TRPV-1-Rezeptoren in den Nozizeptoren der behandelten Region gelindert. Diese Überstimulation bewirkt eine vorübergehende Deaktivierung dieser Schmerz verursachenden Nervenfasern.
Die rasch eintretende Schmerzlinderung hält im Schnitt etwa drei Monate an. „Das ist sehr variabel. Bei manchen Patienten hält die Wirkung nur acht Wochen, bei manchen bis zu sechs Monate. Die Behandlung kann problemlos jeweils nach Beendigung der Wirkung wiederholt werden. Das ist auch jahrelang möglich. Patienten kommen immer wieder mit dem Wunsch auf Verlängerung der Behandlung. Das hat den Vorteil, dass man dadurch herkömmliche Medikamente mit all ihren Nebenwirkungen ersetzen kann“, so Gustorff.  Das Pflaster kommt vorwiegend bei Engpasssyndromen zur Anwendung – zum Beispiel dem Karpaltunnelsyndrom –, Gürtelrose und anhaltendem brennenden Schmerz nach Operationen.

Steigende Lebensqualität

Verabreicht werden solche Pflaster in Österreich zurzeit ausschließlich in Spitälern und Schmerzambulanzen. Die Anwendung des Schmerzpflasters soll zukünftig aber auch verstärkt im niedergelassenen Bereich erfolgen.
„Wichtig wäre, die Versicherungsträger von der Effizienz der Behandlung von Schmerzpatienten zu überzeugen“,so der Schmerzmediziner. Das Schmerzpflaster ist in der Regel gut verträglich und wurde von der Europäischen Arzneimittelbehörde zur Behandlung neuropathischer Schmerzen bei Erwachsenen zugelassen. Einzige Ausnahme stellen Patienten mit Diabetes mellitus dar. Nebenwirkungen stehen im Zusammenhang mit der Form der Verabreichung. Die Haut kann sich röten und ein starker Brennschmerz kann entstehen. Dieser Behandlungsschmerz, verursacht durch den Chili-Wirkstoff, wird bei der Verabreichung wiederum mit einem Schmerzmittel gelindert. Kurzzeitig kann es wegen des akuten Schmerzes zum Ansteigen des Blutdrucks kommen. Da das Pflaster keine systemischen Nebenwirkungen hat und daher keine Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu befürchten sind, eignet es sich besonders für ältere Patienten, die viele Arzneimittel einnehmen müssen.
Häufig kommt das Pflaster bei Patienten zum Einsatz, die bereits seit Jahren verschiedenste Therapien erfolglos ausprobiert hätten. Gustorff: „Rund 50 Prozent dieser chronischen Schmerzpatienten konnten wir mit dieser Behandlung helfen und ihre Schmerzen deutlich lindern. Das ist angesichts der ansonsten geringen Erfolge bei Neuropathien ein großer Erfolg. Mehr als die Hälfte der Patienten, die beispielsweise an Nervenschmerzen nach abgeheilter Gürtelrose (Postzoster-Neuralgie), Nervenverletzungen, Polyneuropathien, Chemotherapien oder Operationen (Narbenschmerzen) litten, haben bereits nach wenigen Tagen auf die Behandlung gut angesprochen. Bei Erwachsenen mit neuropathischen Schmerzen infolge einer Gürtelrose war sogar eine Schmerzreduktion von mehr als 50 Prozent erkennbar.“                                th

Neuropathischer Schmerz

In Österreich leiden mindestens 262.000 Menschen (3,3 % der Gesamtbevölkerung) an neuropathischen Schmerzen (Gustorff B et al. Prevalence of self-reported neuropathic pain and impact on quality of life: a prospective representative survey; 52: 132-36; Acta Anaesthesiol Scand 2008). Das sind Schmerzen, die durch Verletzungen oder länger andauernde Nervenreizungen hervorgerufen werden und nur bedingt medikamentös behandelbar sind.
Schlaflosigkeit, Angst, Depressionen und Berufsunfähigkeit machen das Leben für diese Menschen zur Qual (Backonja M et al. NGX-4010, a high-concentration capsaicin patch, for the treatment of postherpetic neuralgia: a randomised, double-blind study. Lancet Neurology 2008;7(12):11). 20 bis 25 % aller Klinikaufenthalte von Schmerzpatienten entfallen auf neuropathische Schmerzen (Verma S, et al. CNS Drugs 2005;19 (4):325-334).