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Renovieren statt neu bauen

Der Kauf einer sanierungs­bedürftigen Wohnung kann eine günstige Alternative zum Neubau sein. Für Ärzte interessant: Die Kombination mehrerer Einheiten zu Praxis und Wohnraum.


Um einen Altbau auf diesen Standard zu bringen, muss man mit Quadratmeterkosten von rund 750 Euro und vier Monaten Umbauzeit rechnen.

Immobilienentwickler Michael Schmidt schockt so schnell nichts mehr: Wohnungen, die seit den 1970ern keinen Bewohner mehr gesehen haben, verschimmelte Duschen, die in Ermangelung eines Badezimmers in Küchen eingebaut wurden, Müllberge und auseinandergefallene Möbel im Wohnzimmer, jahrzehntealte Teppiche, undichte Fenster, desolate WCs am Gang.
Schmidt ist mit seinem Unternehmen 3SI Immogroup ständig auf der Suche nach sanierungsbedürftigen Zinshäusern in Wien. Der Zustand der Wohnungen schreckt ihn nicht ab. Für ihn zählen Dinge wie Lage, eine reich gegliederte Fassade oder die Möglichkeit zum Dachbodenausbau. Schmidt kauft die alten Häuser, die meist großteils leer stehen, und beginnt mit einer Rundumerneuerung der allgemeinen Teile. Die Fassade erstrahlt in neuem Glanz, die Leitungen für Strom, Wasser und Gas werden erneuert, ein Lift eingebaut, zur Hofseite hin Balkone angebracht und Gärten im Erdgeschoß angelegt. Erst dann beginnt der Abverkauf der einzelnen Wohnungen, die vorerst im Originalzustand bleiben – aus gutem Grund. Der Kunde kann die Immobilie dann noch völlig nach seinem Geschmack gestalten. Dabei können Wohnungen zusammengelegt und moderne Grundrisse verwirklicht werden. „Bei den Größen ist von 30 Quadratmetern bis zu einem ganzen Stockwerk mit 350 Quadratmetern alles möglich“, sagt Schmidt, der auch schon Ärzte unter seinen Kunden hatte. „Wir haben zum Beispiel im 20. Bezirk das Erdgeschoß eines Altbaus für eine Ordination adaptiert. Die Wohneinheit schließt direkt daran an und wurde auf die Hofseite mit privatem Garten ausgerichtet.“ Gerade für die oft unbeliebten Erdgeschoßzonen sieht er interessante Nutzungsmöglichkeiten. „Man kann über die Straße separate Zugänge zu Ordinationen schaffen. Hausbewohner und Patienten treffen sich dadurch nicht im Stiegenhaus. Denkbar ist auch eine Ordination im Erdgeschoß, die über eine eigene Treppe mit der Wohnung darüber verbunden ist.“
Für eine unsanierte Wohnung kalkuliert Schmidt etwa in einem aktuellen Projekt in der Seidengasse im siebten Wiener Bezirk mit einem Quadratmeterpreis von 3.300 Euro, in der Schikanedergasse im vierten Bezirk nahe dem Naschmarkt lagebedingt mit 200 Euro mehr. Die für Ordinationen geeigneten Erdgeschoßzonen kosten ca. 500 Euro pro Quadratmeter weniger. Billigpreise sind das
freilich nicht für eine stark renovierungsbedürftige Wohnung. Allerdings sind darin schon die Kosten für die Totalsanierung der allgemeinen Teile, die neuen Leitungen, den Lifteinbau, die Balkone etc. enthalten.
Bauträger wie Schmidt stellen ihre Kunden vor die Wahl. Unsaniert kaufen oder – mit der Möglichkeit der Mitsprache bei der Planung – die Fertigstellung der Wohnung zum Fixpreis, inklusive Fußbodenheizung, modernem Grundriss und stilvollem Bad. In der Seidengasse steigt dann der Quadratmeterpreis auf 4.500 Euro.
Wer unsaniert kauft, muss sich selbst um die Fertigstellung kümmern. Die Handwerker können allerdings oft vom Bauträger übernommen werden. Bei dieser Variante muss man noch ca. 750 Euro Sanierungskosten pro Quadratmeter zum Kaufpreis dazurechnen.

Unsaniert Steuer sparen

Unabhängig von den Renovierungskosten lässt sich mit der unsanierten Variante durch den niedrigeren Kaufpreis sofort eine Stange Geld sparen (siehe auch Vergleichsrechnung „Unsanierte 100-Quadratmeter-Wohnung – wo die Ersparnis liegt). Das liegt an der Grunderwerbssteuer und den Nebenkosten, die ca. zehn Prozent vom Kaufpreis ausmachen. So beträgt zum Beispiel die Grunderwerbssteuer 3,5 Prozent, die Grundbucheintragungsgebühr 1,1 Prozent oder die Maklerprovision drei Prozent. Auch die Finanzierungs(neben)kosten sind durch den niedrigeren Fremdkapitaleinsatz geringer. Bei späterer Vermietung kommt noch ein steuerlicher Aspekt dazu: Zahlreiche Sanierungskosten können als Instandsetzungsaufwand – zum Beispiel Tausch der Fenster, Erneuerung der Elektroinstallationen – in der Regel beschleunigt auf zehn Jahre abgeschrieben werden. Zum Vergleich: Die reinen Anschaffungskosten der Wohnung müssen auf 67 Jahre abgeschrieben werden.

Was die Sanierung kostet

Sparen lässt sich natürlich auch bei der Sanierung selbst. Die 750 Euro pro Quadratmeter sind für einen hochwertigen Umbau der Altbauwohnung angesetzt, der in etwa vier Monate in Anspruch nimmt. Dinge wie Parkettboden, Stuck an der Decke, Fußbodenheizung oder Fernseher im Bad sind komfortabel, müssen aber nicht sein – besonders dann nicht, wenn man die Wohnung zu einem attraktiven Preis vermieten möchte und am Ende noch eine kleine Rendite herausschauen soll. Auch in Praxisräumlichkeiten wird man mit nüchterner Ausstattung auskommen, etwa mit Laminat statt Parkettboden. „Ohne Dinge wie Stuck oder Fußbodenheizung kann man die Kosten auf rund 600 Euro pro Quadratmeter senken“, schätzt Sanierungsprofi Schmidt.
Mit etwas handwerklichem Geschick lässt sich noch mehr sparen. Klassische Tätigkeiten sind etwa Böden selbst verlegen, verfliesen oder verputzen. Gas, Wasser und Strom sind schon heikler und sollten Profis überlassen werden. Auch bei der Statik sollte man vorsichtig sein und sich mit der Eigenleistung zurückhalten. Wer einen modernen Grundriss im Altbau will, muss Wände entfernen und sollte daher unbedingt einen Statiker zu Rate ziehen. Im Gegensatz zum Neubau, wo Gipskartonwände einfach entfernt werden können, sind im Altbau selbst Zwischenwände aus Ziegeln gemauert und gehen oft durch die Geschoße. Reißt man so eine Wand ein, senken sich die Wände in den anderen Stockwerken ab. „Im Altbau sparen Sie daher am meisten, wenn Sie die Wände stehen lassen. Da bedarf es schnell statischer Konstruktionen und das kostet, zum Beispiel wenn ein Stahlrahmen eingezogen werden muss. Auch der teure Abriss und die Entsorgung einer Ziegelwand entfallen. Bei einer durchschnittlichen Sanierung fallen 300 bis 400 Schuttsäcke an“, sagt Johannes Kirchner, der die auf Wohnungssanierungen spezialisierte Baufirma  Haus & Heim betreibt und unter dem Namen „Immo-Flüsterer“ Wohnungskäufer bei technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen berät.
Ohne das Versetzen von Wänden wird es allerdings schwer, eine Wohnung nach modernen Anforderungen zu gestalten. So leiden selbst große Altbauwohnungen unter zu kleinen Badezimmern und der Trennung von Küche und Essraum.

Günstige Schmalspursanierung

Handelt es sich um eine Wohnung aus den 1960er-, 1970er- oder 1980er-Jahren, die zwar in die Jahre gekommen, aber noch bewohnbar ist, reicht oft eine oberflächliche Sanierung. „Solche Wohnungen bieten bei Sanierungen in der Regel das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis als ein Altbau. Hier gibt es schon Bäder, die Decken sind aus Beton und nicht aus Holztrams, die Fenster größer und die Grundrisse besser bzw. leichter änderbar“, meint „Immo-Flüsterer“ Kirchner, der für seine Kunden schon 400 Wohnungen auf Herz und Nieren geprüft hat.
Für eine oberflächliche Sanierung mit Bodenschleifen, Ausmalen und neu Verfliesen sollte man rund 200 bis 300 Euro pro Quadratmeter rechnen. Allerdings zahlt es sich oft aus, gleich mehr Geld in die Hand zu nehmen und alles zu erneuern, empfiehlt Kirchner. Er orientiert sich deshalb an der durchschnittlichen Lebensdauer von Elektroinstallationen, Heizkörpern oder Thermen. Neigt sich deren Haltbarkeit dem Ende zu, ist ein sofortiger Tausch vernünftiger. Ansonsten muss vielleicht die schön verflieste Wand schon nach ein paar Jahren wieder aufgestemmt werden. So halten etwa Armaturen im Schnitt 15 Jahre, alte Radiatoren bis zu 40 Jahre, Thermen 20 Jahre, Kunststofffenster 25 Jahre und die Elektroleitungen 45 Jahre.

Allgemeinflächen prüfen

Im Renovierungsfieber der neu gekauften Wohnungen sollte man aber nicht auf einen Check der Allgemeinflächen des Hauses vergessen. Ist das Dach in Ordnung? Wurden wirklich alle Leitungen erneuert? Oder wurden Fassade und Stiegenhaus nur schnell neu ausgemalt, um die Käufer zu blenden? Hier drohen enorme versteckte Kosten, die noch zur Renovierung der eigenen Wohnung hinzugerechnet werden müssen. Denn jeder einzelne Wohnungseigentümer muss etwa die spätere Ausbesserung des Dachs anteilig mitbezahlen. Je größer in so einem Fall die Eigentümergemeinschaft, desto besser. Hier sind oft große Nachkriegshäuser mit vielen Wohneinheiten gegenüber dem klassischen Altbau im Vorteil. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, wie gut dotiert die Reparaturrücklagen sind.
Wurde das Haus von einem vertrauenswürdigen Anbieter saniert, sollten die Eigentümer aber zumindest für ein paar Jahre von größeren Reparaturen verschont bleiben. Immo-Flüsterer Kirchner empfiehlt jedenfalls, bei jedem Haus in den Keller zu schauen. Sind dort nur alte und verrostete Leitungen zu sehen, besteht für ihn wenig Hoffnung, dass in den Stockwerken darüber viel mehr als die Wandfarbe erneuert wurde.

Checkliste

Renovierung

Wo besteht Handlungsbedarf?

  1. Elektroinstallationen?
  2. Heizung?
  3. Gasleitungen?
  4. Fenster und Türen?
  5. Böden? Estrich vorhanden?
  6. Decken?
  7. Lage/Zustand der Abflüsse?
  8. Lage/Zustand der Kamine?
  9. Putz, Anstrich?
  10. Wärmedämmung?
  11. Grundriss? Statik?

Quelle: 3SI Immogroup