Rehageld und psychotherapeutische Versorgung – zum Nachdenken!
Dr. Peter Stippl, Präsident des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie (ÖBVP)
Bei manifestierten schwereren psychischen Erkrankungen besteht für die meisten Patienten nur eine geringe Chance, wieder in ein Arbeitsleben zurückzukehren. Von den 18.546 Rehageldbeziehern konnten 2015 gerade einmal 1.200 das Rehageldsystem verlassen, weil sie als gesund eingestuft wurden. Ob sie sich inzwischen tatsächlich in einem Arbeitsverhältnis befinden, ist nicht bekannt. Dass zwei von drei Rehageldbeziehern psychisch erkrankt sind, sollte bei den Sozialpolitikern die Alarmglocken läuten lassen. Nicht selten ist nämlich der Rehageldbezug die Folge einer mangels ausreichender und vor allem mangels rechtzeitiger Behandlung chronifizierten psychischen Erkrankung. Sehen wir uns das Angebot der Gesundheitsversorgung im Bereich der Psychiatrie und der Psychotherapie an, so zählt Österreich fernab von Deutschland und der Schweiz zu den Schlusslichtern. Eine Minimalstversorgung durch Versorgungsvereine zu für Psychotherapeuten wirtschaftlich unmöglichen Bedingungen in den meisten Bundesländern führt inzwischen zu Wartezeiten auf einen Kassenpsychotherapieplatz bis zu einem Jahr. Der seit Jahrzehnten von den Gebietskrankenkassen und der SVA eingefrorene Kostenzuschuss von 21 Euro bei Wahlpsychotherapeuten ist für viele Selbstzahler eine unüberwindbare Barriere und vom Ergebnis her die Einführung der Zweiklassenmedizin. Psychisch kranke Patienten machen ihre Anliegen leider nur sehr selten öffentlich. Mögen diese Zeilen daher zum Nachdenken für die Entscheidungsträger der Gesundheitspolitik, im Parlament, den Ministerien, der Arbeiter- und der Wirtschaftskammer, der Selbstverwaltungsgremien der Sozialversicherungen und der Volksanwaltschaft dienen.