Realer Mehrertrag
Wer sein Geld nicht nur sicher anlegen, sondern zumindest die Kaufkraft erhalten will, darf es nicht auf dem Sparbuch oder in biederen Staatsanleihen vergammeln lassen, sondern muss den Mut haben, in seiner Veranlagung bewusst Risiken einzugehen.
Österreichische Haushalte verfügen nach Berechnungen der Österreichischen Nationalbank über ein Geldvermögen von rund 484 Milliarden Euro. Die Hälfte davon, also 232 Milliarden, entfällt auf Sparanlagen, die von Tag zu Tag weniger wert werden: Bei null Prozent Zinsen und einer offiziellen Inflationsrate von zwei Prozent sinkt der reale Wert nach fünf Jahren auf 210 Milliarden, gemessen an der gefühlten Inflation von 2,9 Prozent gar auf 200 Milliarden. Fazit: Übervorsichtige Anleger, die ihr Geld auf dem Sparbuch parken, werden jedes Jahr ein bisschen ärmer.
Aber auch mit sicheren Staatsanleihen lässt sich die Inflation nicht mehr abfedern, nachdem die Notenbanken billiges Geld in die Volkswirtschaften pumpen und damit die Zinsen auf einem absoluten Tiefstand halten. Wer höhere Zinsen lukrieren will, muss bei der Bonität Abstriche machen, also ein höheres Risiko bei der Verlässlichkeit des Schuldners eingehen, dass Zinsen und Kapital pünktlich bezahlt werden. Außerdem sollte ein Teil des Vermögens in Aktien investiert werden, vor allem von marktstarken Unternehmen mit solider Bilanz und starkem Cashflow, aus dem regelmäßige Dividenden fließen. Jahrelang konnte man mit Anleihen trotz sinkender Zinsen gut verdienen, weil zusätzlich zum Kupon auch noch Kursgewinne winkten. Seit der Ankündigung der US-Notenbank, ihr Anleihekaufprogramm, mit dem sie derzeit noch monatlich 85 Milliarden in US-Schuldtitel pumpt, im Verlauf dieses Jahres zu drosseln und bis Mitte 2014 gänzlich zu stoppen, hat dieser Trend gedreht: Die Rendite zehnjähriger deutscher Staatsanleihen, Anfang Mai noch auf einem Allzeittief von 1,2 Prozent, ist in der Folge auf zwei Prozent angestiegen. Die Notenbanken werden die Zinsen jedoch weiter tief halten, solange die Wirtschaft nicht kräftig Fahrt aufnimmt und die Arbeitslosigkeit zurückgeht. „Das heißt aber nicht, dass die Renditen konservativer Anleihen nicht weiter steigen können“, meint Susanne Höllinger, Vorstandsvorsitzende der Kathrein Privatbank – konkret: „Ein Anstieg der Renditen zehnjähriger deutscher Staatsanleihen auf 3,2 Prozent scheint durchaus möglich“, schätzt Höllinger.
Nachdem Renditeanstiege gleichbedeutend mit Kursverlusten sind, muss man sich als Anleger darauf einstellen, dass auch in den nächsten Jahren mit sicheren Staatsanleihen nichts zu verdienen ist, wenn die Zinseinnahmen durch Kursverluste aufgefressen werden. Und diese Gefahr ist umso größer, je länger die Laufzeit der Anleihe ist.
Euro-Peripherie und Schwellenländer
Wer einen höheren Ertrag als die Inflation erwirtschaften will, muss also den Mut haben, höhere Risiken in der Veranlagung einzugehen. Man kann beispielsweise auf die Euro-Peripherie-Staaten, deren Wirtschaften sich langsam wieder erholen, ausweichen: Obwohl die Renditen seit der Finanzkrise inzwischen stark gefallen sind, liefern zehnjährige Schuldtitel aus Italien, Spanien oder Irland mit mehr als vier Prozent in etwa doppelt so hohe Renditen wie deutsche Bundesanleihen (siehe Grafik „Renditen für zehnjährige europäische Staatsanleihen im Vergleich“).
Einen noch höheren Ertrag bringen Anleihen von Schwellenländern mit einer Rendite von durchschnittlich knapp sechs Prozent in Hartwährung beziehungsweise 6,35 Prozent in Lokalwährung. Denn die Emerging Markets hatten durch die Ankündigung der Fed, ihr Anleihekaufprogramm auslaufen zu lassen, besonders stark gelitten. „Nach dieser starken Korrektur bieten sie gerade jetzt ein gutes Einstiegsniveau“, meint Alexander Fleischer, Leiter Anleihefonds Erste Sparinvest. Makroökonomisch stehen die meisten Emerging Markets jedenfalls deutlich besser da als die Industriestaaten. Denn sie punkten mit höheren Wachstumsraten, geringerer Verschuldung und besserer Demografie. Man darf allerdings nicht übersehen, dass man sich mit einer Veranlagung in Schwellenländern auch politische Risiken einhandelt, die Währungen heftig schwanken können und die Papiere oft nicht sehr liquide sind. Das kann vor allem dann problematisch werden, wenn ausländische Investoren – so wie in den vergangenen Monaten – ihr Kapital unvermutet rasch abziehen.
Unternehmen statt Staaten
Auf der Suche nach Zusatzrendite wird man auch bei Unternehmensanleihen fündig: Mit fünfjährigen europäischen Corporate Bonds kann man je nach Bonität Zinsaufschläge zwischen 1,7 Prozent für gute Schuldner und 5,6 Prozent für Emerging Markets Corporate Bonds gegenüber deutschen Staatsanleihen lukrieren (siehe Grafik „Zusatzrendite mit Unternehmensanleihen“). Das Emissionsvolumen erreichte im Vorjahr neue Rekorde, nachdem sich die Unternehmen auf dem Kapitalmarkt so billig wie noch nie refinanzieren konnten, um etwa teurere Kredite zurückzuzahlen. Der Vorteil aus Anlegersicht: Damit ist auch das Universum der Emittenten gewachsen. Auf gut Deutsch: „Man kann das Portfolio besser streuen als mit Staatsanleihen“, erklärt Fleischer. Die Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen guter Bonität liegen derzeit auf dem niedrigsten Niveau seit der Lehman-Pleite 2008. Das scheint bei hoher Profitabilität durchaus gerechtfertigt. Bei Unternehmensanleihen mit schlechter Bonität, also High Yield Bonds, hält Höllinger die niedrigen Aufschläge dagegen nicht für adäquat. Denn: „Wir rechnen nicht damit, dass die erwarteten Ausfälle damit ausreichend kompensiert werden können“, so die Kathrein-Chefin.
Fazit: In dieser bunten Welt der Anleihen fällt es in den schnelllebigen Märkten schwer, stets zur richtigen Zeit die richtigen Titel herauszupicken und obendrein die Fälligkeit der Papiere im Auge zu behalten. Die Qual der Wahl der Einzeltitel überlässt man am besten einem versierten Fondsmanager, der sich im gesamten Anleihespektrum bewegen kann. Und: „Durch die Beimischung von Aktien können die Ertragserwartungen gesteigert werden, ohne zwingend das Risiko zu erhöhen“, betont Höllinger. Konkret: „Mit zehn bis 15 Prozent Aktienanteil war ein Portfolio erfahrungsgemäß stabiler als eines mit ausschließlich sicheren Anleihen. Und mit einem Anteil von 20 bis
25 Prozent lässt sich nachweislich auch die Inflation schlagen“ (siehe Tabelle „Volles Spektrum“).
Bonitätsstufen
Ratings zwischen AAA und BBB- befinden sich im Investment-Grade-Bereich. Ab Schuldnerqualität BB+ gilt eine Veranlagung als spekulativ. Ausgewählte Unternehmen aus den einzelnen Bonitätskategorien:
- AAA: Schuldner höchster Bonität, Ausfallrisiko auch längerfristig so gut wie vernachlässigbar: Johnson & Johnson, Bank NL Gemeenten
- AA+ bis AA: Sichere Anlage, Ausfallrisiko so gut wie vernachlässigbar: Abbey National, Allianz, Deutsche Börse, HSBC, Merck & Co, Nestlé, Pfizer, Roche, Procter & Gamble, Philipp Morris, Shell, Total
- A+ bis A: Sichere Anlage, sofern keine unvorhergesehenen Ereignisse die Gesamtwirtschaft oder Branche beeinträchtigen: AT&T, BASF, Bayer, BHP Billiton, BMW, Cez, Danone, E.ON, ENI, Erste Group, GlaxoSmithKline, McDonald’s, OMV, Philip Morris, Siemens, Vodafone, Volkswagen
- BBB+ bis BBB: Durchschnittlich gute Anlage. Bei Verschlechterung der Gesamtwirtschaft ist mit Problemen zu rechnen: Alstom, Carlsberg, Carrefour, Deutsche Telekom, France Télécom, Gazprom, Heineken, KPN, Lufthansa, Metro, Repsol, Vivendi
- BB+ bis BB: Spekulative Anlage. Bei Verschlechterung der Lage ist mit Ausfällen zu rechnen: Arcelor-Mittal, Fresenius, Nokia, Rémy Cointreau, Renault, Südzucker, Wienerberger
- B+ bis B: Hochspekulative Anlage. Bei Verschlechterung der Lage sind Ausfälle wahrscheinlich: UPC, Thomas Cook, Fiat, Grohe, Europcar, Aston Martin, Peugeot






