Räume für die Seele
Die traditionelle chinesische Lehre von Feng Shui wird als Lehre vom gesunden Wohnen vorwiegend in Wohnungen und Häusern, in Asien besonders in Unternehmen und Geschäftsobjekten zum Zweck der Umsatzsteigerung, eingesetzt.
„Da ich mich immer schon für die Gesundheit und alternative Heilmethoden interessiert habe, war es für mich einleuchtend, Feng Shui auch dort einzusetzen, wo es am stärksten gebraucht wird, nämlich an Orten der Angst. Das sind unter anderem Krankenhäuser, Arztpraxen, Pflegezentren und alle Arten von Heilräumen“, erklärt Architektin Claudia Schumm.
Als Heilraum definiert die Expertin einen Raum, der glücklich macht und Energie umwandelt. Es ist ein Raum, der alleine durch seine Beschaffenheit und Gestaltung mit Farben, Formen, Materialien und dem Zusammenspiel aller darin vorkommenden Objekte eine gewisse Grundstimmigkeit ausstrahlt. Es reicht oft ein kleiner Impuls, der die Menschen zu einer anderen Verhaltensweise veranlasst oder andere Gedanken und eine leichtere fließende Kommunikation zwischen den Menschen bewirkt.
Veränderung in der Krise
„Nirgendwo sind die Menschen offener für Veränderung als in der Krise“, ist Schumm überzeugt. Gerade da ist es entscheidend, welche Impulse auf den Betroffenen einwirken. „Ist das Umfeld negativ, verstärkt es die Angst und verschlimmert die Situation, Vertrauen ist da sehr schwierig aufzubauen. Hingegen wenn das Umfeld liebevoll ist und entspannt, reagieren die Menschen ruhiger. Und aus der Ruhe kommt die Kraft, die Inspiration für Neues. Vielleicht sogar eine Erkenntnis oder ein persönlicher Vorsatz, etwas zu verändern und selbst am Heilungsprozess etwas beizutragen“, so die Architektin. Die Expertin ist überzeugt, dass Patienten, Ärzte und Personal sowie Besucher und Angehörige gleich von einem heilsamen Umfeld profitieren. Der Geschmack der Gestaltung selbst ist individuell und richtet sich immer nach dem Auftraggeber, die Energie jedoch, die dahinter steckt, ist universell und kann jeder spüren.
Landesklinikum Hochegg, Wachkomastation, Gestaltungskonzept 2010
Eine Klinik, in der sich Langzeitpatienten ausschließlich im Innenraum aufhalten und das über viele Wochen und sogar Monate, bedeutet für mich immer, die Natur und Vielfalt nach innen zu bringen und Lebendigkeit durch farbige Abwechslung zu schaffen – besonders im sehr langen Gang, der den Hauptbereich der Station bildet. Hier wird nach und nach Gehen gelernt, die Erinnerung an das Ziel soll als Dauerimpuls gegeben sein. Acht verschiedene Farben in unterschiedlichen Kombinationen deuten die Streckenabschnitte an. Es gibt viel zu sehen, vor allem die großflächigen, auf Metalltafeln aufkaschierten Alpenblumen, die mit ihren sorgsam ausgewählten Hintergrundfarben ihre Lieblichkeit versprühen. An zwei Kommunikationspunkten wurden von Schülern der Kunstschule Mödling wellenartige Landschaften gemalt, die für eine sanfte Belebung und Unterbrechung der sonst langen geraden Zonen sorgen.
Die Zimmer wurden ebenfalls in unterschiedlichen Farben an den bettumfassenden Wänden und der Decke bemalt, somit bekommt jeder Raum für die behandelnden Ärzte und Pfleger einen eigenen Wiedererkennungswert. Routine soll somit vermieden werden: Das Unterbewusstsein erkennt, dass jedes Mal ein neues Energiefeld betreten wird. Die großen
Fensterflächen wurden mit lichtdurchlässigen Vorhängen in Regenbogenfarben bestückt und bringen Lebensfreude, Weichheit und Wärme in Zimmer.
In Vitro Center, Goldenes Kreuz in Sofia, Tokuda Hospital Sofia, Bulgarien, 2012
Es gibt kaum einen Ort, der emotionaler geladen ist als ein Kinderwunschzentrum. Hoffnung und Angst liegen hier eng beieinander, auch Selbstzweifel und Schuldthemen spielen hier eine entscheidende Rolle, wenn auch ganz subtil. Hier wurde besonders mit geistigen Botschaften gearbeitet, um direkt ins Unterbewusste zu dringen und Blockaden auf einer seelischen Ebene anzusprechen. Die beiden Schriftzüge an den jeweils gerundeten Wänden, die symbolisch für schwangere Bäuche stehen, lauten zuerst: „It’s a miracle“, also nimmt den Patienten das Ruder aus der Hand und sagt ganz deutlich: Es hat nichts mit dir zu tun, es ist ganz einfach ein Wunder! Und somit können sich der Geist und auch der Körper entspannen, loslassen und sind frei von Sorge und Projektionen aus der Vergangenheit. Man fängt sozusagen ganz neu an, alles ist wieder möglich. Der Satz „love meets life“ stellt die verloren gegangene Verbindung wieder her und ist eine Erinnerung an übergeordnete Kräfte.
Die Farben wurden generell sehr satt und tief gewählt, um eine intime, höhlige, ruhige Stimmung zu schaffen im Kontrast zum übrigen Spital, in welches das Zentrum eingebettet ist. Eine Besonderheit sind die mit der Leitung gemeinsam kreierten grafischen Bilder der Künstlerin Lily Bonnes, die vollgepackt sind mit Motiven und Fruchtbarkeitssymbolen, wie zum Beispiel der Hirsch, Luster (auch als Lichtbringer), aber auch die bulgarische Marteniza wurde eingearbeitet.
AKH Wien, Umgestaltung des HK 4, Eingriffraumes und der Schaltstelle, Fertigstellung 2011
Feng-Shui bedeutet übersetzt „Wind und Wasser“ und das wiederum bedeutet die Herstellung eines harmonischen Gleichgewichtes als Basis zum Wohlfühlen. Im Falle des AKH, genauer gesagt des orangen Bettenturms, in dem sich der HK4 befindet, war klar, dass zur übermäßigen Farbe Orange in allen Gängen unbedingt ein Ausgleich geschaffen werden sollte. Daher die Farben hellgrün im Boden und hellflieder/lavendel an den Wänden. Diese Kombination ist an sich schon sehr beruhigend und ausgleichend bzw. wirkt erweiternd, ist also generell gut, wo Enge vorherrscht. In einem Arbeitsumfeld, wo oft über zehn Personen gleichzeitig hochkonzentriert unter Zeitdruck zusammenarbeiten, ist dies ein entscheidendes Kriterium. Der hinterleuchtete Wolkenhimmel war der ausdrückliche Wunsch der Leitung und bot sich durch die bestehende Deckenbeleuchtung an. Die Herausforderung lag bei der umsetzenden Folienfirma, die die Einzelteile wie ein Puzzle geschickt zusammensetzte. Die Verwendung von kühlen Tageslichtleuchten bringt die Farben besser zur Geltung. Zwei Leuchtbilder bringen Emotion und einen Fokus jeweils für den Patienten und die Ärzte in der Schaltstelle ein bzw. verleihen dem Raum eine gewisse Identität: Schon heißt er „Lavendel-HK“. acm
Buchtipp
Claudia Schumm
Feng Shui im Krankenhaus – Räume für die Seele
mit einer wissenschaftlichen Studie von Ernst Gehmacher, Deutsch/Englisch mit zahlreichen farbigen Abbildungen und Audio CD
Verlag Springer Wien NewYork, 2004
Erstmals wurden Abteilungen von öffentlichen Krankenhauseinrichtungen – als besonderes Beispiel sei hier das Wiener Krankenhaus Hietzing (ehem. Lainz) erwähnt – nach den fernöstlichen Feng Shui-Richtlinien umgebaut und gestaltet. Dieses Buch zeigt sehr eindrucksvoll die Verbindung der Architektur mit der Medizin sowie die Wirkung des Raumes auf die Gesundung. Die positive Wirkung des Umfeldes auf den Genesungsprozess wird im Buch wissenschaftlich belegt, zahlreiche Künstler stellen ihre energetisierenden Arbeiten vor und auch Ärzte berichten über ihre persönlichen Erfahrungen, Feng Shui an einen ungewöhnlichen Ort zu bringen. Dieses Buch verbindet Medizin, Architektur, Kunst und Spiritualität.
Im Handel vergriffen – Restexemplare sind bei der Autorin erhältlich unter www.architekturundheilung.at