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Quereinsteiger

Versicherungspolizzen gegen Einmalerlag sind trotz der verlängerten Mindestbindefrist ein attraktives Vehikel mit erstaunlich flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten.


Schulden- und Eurokrise sowie die Sorge vor einer neuerlichen Rezession spiegeln sich in erratischen Bewegungen an den Börsen wider und hinterlassen bei den Anlegern eine gewisse Ratlosigkeit. Ärzte, die gerade eine größere Summe Geld angespart oder gar geerbt haben, fragen sich deshalb zu Recht: Wie soll ich es jetzt einigermaßen ertragreich und trotzdem sicher unter anderem für meine Pensionsvorsorge anlegen, wenn die Kapitalmärkte derart stark schwanken und mit Sparbüchern und festverzinslichen Papieren nichts zu verdienen ist?
Eine interessante, derzeit aber wenig beachtete Möglichkeit ist der Abschluss einer Lebensversicherung gegen Einmalerlag. Diese früher durchaus beliebte Form der Geldveranlagung ist zuletzt in Vergessenheit geraten. Das liegt vor allem an der langen Mindestbindefrist von 15 Jahren, die insbesondere ältere Kunden abschreckt. Dabei wird meist jedoch übersehen, dass dieses Produkt in Wahrheit gar nicht so starr ist, sondern völlig legal eine Menge an flexiblem Gestaltungsspielraum zulässt.
Mehr als ein Drittel des Prämienvolumens war jahrelang in Einmalerlagspolizzen geflossen. Doch die Verlängerung der Mindestbindefrist von Einmalerlagspolizzen von zehn auf 15 Jahre Anfang 2011 hat sich entsprechend negativ auf das Geschäft der Assekuranz ausgewirkt: Das Prämienvolumen brach im Vorjahr um mehr als 30 Prozent auf 1,39 Milliarden Euro ein und auch in diesem Jahr geht es weiter bergab. Denn: „Die zahlungskräftige Klientel der über 60-Jährigen fällt jetzt aus“, bedauert Mathias Frisch, Leiter der Lebensversicherung in der Wiener Städtischen Versicherung. Schließlich ist die Nichteinhaltung der Bindefrist für den Versicherungsnehmer mit gewaltigen steuerlichen Nachteilen verbunden: Einerseits sind sieben Prozent Versicherungssteuer nachzuzahlen, andererseits ist die Differenz zwischen Ein- und Auszahlung zum persönlichen Einkommensteuersatz zu versteuern.
Auch die Finanzministerin zählt durch die Verlängerung der Mindestbindefrist zu den Verlierern. Nach branchenweiten Schätzungen sind ihr bereits rund 40 Millionen Euro an Steuergeldern entgangen. Die Versicherungswirtschaft forciert deshalb, zumindest für Kunden zwischen 50 und 55 Jahren eine Einschleifregelung auf zehn Jahre zu erreichen, sodass letztere mit 65 über ihr Geld verfügen können. „Bis jetzt liegt aber noch keine Entscheidung vor“, erklärt Uniqa-Vorstand Peter Eichler.

Steuerfreie Kursgewinne

Versicherungsprodukte waren schon bisher gegenüber einer Direktveranlagung steuerlich bevorzugt. Denn mit der vierprozentigen Versicherungssteuer auf die Prämie ist die gesamte Steuerpflicht erfüllt. Erträge wie Zinsen oder Dividenden sind somit im Polizzenmantel komplett KESt-frei. Dieser Vorteil ist neuerdings umso größer und interessanter. Denn die Kursgewinne von Aktien, Anleihen und deren Fonds unterliegen seit 1. April 2012 bei Direktveranlagungen der 25-prozentigen Vermögenszuwachssteuer. In der Versicherungspolizze bleiben sie dagegen weiterhin steuerfrei.
Diese Steuerersparnis für Kursgewinne macht am Ende des Tages einen ganz schönen Unterschied aus, wie die S-Versicherung errechnet hat: Ein 50-jähriger Arzt, der 100.000 Euro in eine fondsgebundene Lebensversicherung einzahlt, erwirtschaftet unter der Annahme einer jährlichen Performance von fünf Prozent nach 15 Jahren bei einem Direktinvestment 159.100 Euro, aus einer Fondspolizze dagegen 180.400 Euro (siehe Grafik links). Die jährliche Nettorendite aus dem Direktinvestment beträgt somit 3,14 Prozent, jene aus der Fondspolizze 4,01 Prozent, also 0,9 Prozent per anno mehr. Und das ist noch nicht alles: Innerhalb einer Fondspolizze kann man in der Regel kostenlos sein Portfolio je nach Risikoappetit umschichten. Grundsätzlich gilt: Je länger die Laufzeit, je höher die Performance und je öfter umgeschichtet wird, umso mehr rechnet sich die Versicherungslösung. Dieser Vorteil wurde bislang noch nicht ausreichend kommuniziert, ist man sich in der Branche bewusst, „weil die Materie äußerst komplex ist und das Loch durch die Vermögenszuwachssteuer noch auf keinem Kontoauszug zu sehen war“, meint Frisch. Doch das soll sich schon bald ändern. Denn die führenden Versicherungsanbieter arbeiten inzwischen an entsprechenden IT-Tools, um den Kunden den Mehrwert durch die Versicherungslösung fundiert transparent zu machen.

Gestaltungsmöglichkeiten

Völlig irrelevant ist die 15-jährige Mindestbindefrist, wenn man mit einem Einmalerlag eine lebenslange Rente finanziert. Dabei ist es egal, ob es sich um eine sofort beginnende Rente handelt oder um eine aufgeschobene, deren Auszahlung erst später beginnt. Geht es dagegen um eine zeitlich begrenzte Rente, dann sollte man sich jedoch an die Mindestbindefrist halten, auch wenn manche Anbieter verkürzte Laufzeiten akzeptieren. „Die Finanz könnte darin nämlich einen versteckten Auszahlungsplan sehen und auf einer Nachversteuerung bestehen“, warnt Allianz-Vorstand Manfred Baumgartl. Auch bei der sogenannten Zeitrente mit Kapitalerhalt, einer beliebten Kombination, bei der rund 40 Prozent des Kapitals als Zinsen konsumiert werden und rund 60 Prozent wieder zum ursprünglichen Betrag des Einmalerlags anwachsen, sollte man die Mindestbindefrist nicht unterschreiten.
Völlig legal kann man sich dagegen bis zu 25 Prozent der Versicherungssumme auf einmal oder in Raten auszahlen lassen. Allerdings muss eine solche Teilauszahlungsoption bei Vertragsabschluss vereinbart worden sein, weil die Entnahme sonst als Teilrückkauf interpretiert würde, der Rückkaufsabschläge und eine Steuernachzahlung zur Folge hätte. In der Praxis sehen die Verträge der meisten Anbieter diese Möglichkeit der Teilauszahlung bereits standardmäßig vor.
Eine andere gänzlich legale Option ist die Verdoppelung der Versicherungssumme. Der große Vorteil dabei: „Die Bindefrist für die Zuzahlung verkürzt sich damit auf jene des bestehenden Vertrags“, erklärt S-Versicherungsvorstand Heinz Schuster. Im Vergleich zu einem Sparbuch vor KESt kann die Versicherung dabei durchaus mithalten: „Bei Restlaufzeiten zwischen drei und neun Jahren kommt man bei einer klassischen Lebensversicherung auf eine Verzinsung zwischen zwei und 3,5 Prozent“, rechnet Schuster vor.
Die Möglichkeit der Zuzahlung gilt im Übrigen auch bei Polizzen mit laufender Prämienzahlung. Wenn die verbleibende Restlaufzeit bereits überschaubar ist, macht es also Sinn, mit einem Einmalerlag die Prämiensumme zu verdoppeln. Allerdings ist auch hier die Mindestbindefrist für die Gesamtlaufzeit des Vertrags einzuhalten. Außerdem muss weiterhin laufend angespart werden.
Wer demnächst eine Auszahlung aus einer Lebensversicherung erwartet, das Kapital vorerst aber nicht benötigt, kann das Thema Mindestbindefrist leicht entschärfen, indem er die Polizze um zwei, drei oder fünf Jahre verlängert. In diesem Fall darf man allerdings nicht verabsäumen, die Prolongation vor Vertragsende zu vereinbaren. Denn wenn die Polizze bereits abgelaufen ist, kann man sie nicht mehr verlängern. Der einzige Nachteil einer Vertragsverlängerung: „Der Garantiezins bei klassischen Lebensversicherungen wird an das gültige, meist niedrigere Niveau angepasst“, stellt Generali-Produktmanagerin Renate Schönwetter klar. Deshalb muss man hier beinhart kalkulieren. Sofern die Gesamtverzinsung aktuell und vor allem voraussichtlich auch in den nächsten Jahren nicht unter den bisherigen Garantiezins der Polizze fällt, hat die Reduktion per saldo keine nachteiligen Folgen.
Fazit: 15 Jahre sind zwar eine lange Zeit. Angesichts der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten sollte man sich deswegen von einem Abschluss einer Einmalerlagspolizze aber nicht abschrecken lassen – und vor allem nicht als attraktive Alternative zu einem Direktinvestment in Fonds.       emb