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Pärchenbildung

Wie Theorie und Praxis an der neuen Linzer Medizinfakultät verbunden werden, erklärt Prof. Dr. Ferdinand Hofstädter, Vizerektor für den medizinischen Bereich an der Johannes Kepler Universität.


Prof. Dr. Ferdinand Hofstädter, Vize-rektor für den medizinischen Bereich an der Johannes Kepler Universität, Linz.

Seit Herbst 2014 hat die Johannes Kepler Universität (JKU) Linz eine vierte Fakultät: Die Medizinische Fakultät untersteht seit 1.Oktober 2014 der Leitung von Dekan Prof. Ferdinand Hofstädter, der zugleich auch das Amt des Vizerektors für den medizinischen Bereich ausübt. Damit wurde ein wichtiges Zukunftsprojekt für die JKU und das Bundesland Oberösterreich Realität. Die Errichtung der Medizinischen Fakultät ist für die JKU ein Meilenstein in ihrer Entwicklung und das größte Projekt seit ihrer Gründung vor knapp 50 Jahren.

Sie sind nun seit etwas mehr als sechs Monaten im Amt – welches Resümee ziehen Sie aus der Startphase der Linzer Medizinfakultät?
Bei einem derart komplexen Projekt ist die Zeit für ein echtes Resümee viel zu kurz. Ich denke, dass wir durch unsere Sonderstellung – wir sind eben keine medizinische Universität, sondern eine weitere Fakultät an der Johannes Kepler Universität – in der Krankenversorgung, Forschung und Lehre anders aufgestellt sind. Der Vorteil ist, dass wir sehr eng an eine bestehende Universität, mit all ihren Facetten und Disziplinen, angeschlossen sind. Ein Resümee zu ziehen ist auch schwierig, weil wir noch mitten in der Startphase stecken. Wir haben 60 Studierende, die derzeit in Graz unterrichtet werden. Erst kürzlich war ich dort und konnte mich von dem positiven Klima, das innerhalb dieser einmaligen Universitätskooperation herrscht, selbst überzeugen. Das Bachelorstudium Humanmedizin wird gemeinsam mit der Medizinischen Universität Graz durchgeführt. Es dauert sechs Semester, wobei die Studienfächer und -module der ersten vier Semester an der Medizinischen Universität Graz absolviert werden. Ab dem fünften Semester kommen die Studierenden an die JKU. Die Kapazität von derzeit 60 Plätzen wird innerhalb von acht Jahren schrittweise auf 300 Studienanfänger erhöht. Diese Lehr- und Forschungskooperation zwischen Linz und Graz ist bislang einzigartig in Österreich. Das Zusammenwirken der beiden Universitäten hat den raschen Start der Ausbildung erst möglich gemacht. 

Im Zusammenwirken mit den drei bestehenden Fakultäten, der Spitalslandschaft sowie der medizinnahen Industrie und Wirtschaft ist für den Standort Oberösterreich ein enormes Synergiepotenzial gegeben – gibt es hier schon konkrete Beispiele oder Pläne?
Es gibt jetzt schon eine intensive Zusammenarbeit zwischen der JKU, Instituten, Forschungseinrichtungen und Ärzten in den Krankenhäusern. Ich erlebe jeden Tag, dass sich hier wieder passende Partner finden, der Prozess ist gewollt, aber noch nicht gesteuert. So haben wir zum Beispiel ein Forschungsprojekt, das sich mit den Schwankungen der Aufmerksamkeit der Operateure während einer Operation beschäftigt. Ein anderes Projekt forscht am Aufbau künstlicher Organe. Diese Beispiele zeigen schon, dass bei einem späteren Vollausbau der universitären Medizin ein durchaus originelles Potenzial gehoben werden kann, das uns maßgeblich von anderen medizinischen Universitäten unterscheidet.

Was ist für Sie das Spannendste an dieser Aufbauphase?
Die Berufung der Professoren und der Aufbau der Fakultät. Da wir hier noch keine eigene Berufungskommission bilden können, haben wir erfahrene Experten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz zusammengeholt.

„Die Medizinische Fakultät der JKU soll zum Ausgangspunkt eines Medical Valley werden“, ist auf der Webseite zu lesen. Was konkret kann man sich darunter vorstellen?
Der Begriff ist ein Plagiat, der sich vom Medical Valley im deutschen Erlangen ableitet, einem überaus eindrucksvollen Vorzeigebeispiel auf diesem Gebiet. Auch unser Ziel ist es, die Industrie entsprechend einzubinden, um eine praxisnahe Entwicklung der Medizin voranzutreiben. Innovative Technologien und Dienstleistungen können die Gesundheitsversorgung dann maßgeblich verbessern, wenn alle wichtigen Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gesundheitsversorgung und Politik ihre Ressourcen bündeln.

Wo liegen die Herausforderungen in den nächsten Jahren?
Die größte Herausforderung ist sicher die Schaffung einer Fakultät mit einem Team an Professoren, die gut abgestimmt die klinische Versorgung, die Forschung und die Lehre gemeinsam weiterentwickeln. Damit im Zusammenhang steht die naheliegende Herausforderung: Wenn die Studierenden am 1.10.2016 aus Graz hierherkommen, dass sie bestens in eine moderne, patientenzentrierte Medizin eingeführt werden. Die kommen mit großen Erwartungen, die wir natürlich bestmöglich erfüllen wollen.

Warum glauben Sie, dass sich junge Studenten gerade für das Medizinstudium in Linz entscheiden?
Einerseits aus dem banalen Grund der geografischen Nähe. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass ein derartiger Neuanfang, den wir hier erleben, schon auch gewisse Pioniergeister anzieht. An einer jungen, entstehenden Fakultät können die Studenten viel mitwirken und gestalten, sie empfinden das bereits jetzt als ein Stück „ihrer Gründung“.

Altersforschung und Versorgungsforschung sind wesentliche Bestandteile des Bachelorstudiums – diese Forschungsschwerpunkte sind österreichweit einzigartig. Durch welche Besonderheiten grenzt sich Linz noch von anderen medizinischen Angeboten in Österreich ab?
Versorgungsforschung ist auch in Deutschland und in allen entwickelten Ländern mit Ausnahmen von England, Holland und Skandinavien ein bisher zu wenig geförderter Bereich, der aber immer wichtiger wird. Auch hier haben wir in Linz gute Voraussetzungen, da wir von einem großen Versorgungspotenzial in einem relativ abgegrenzten Raum ausgehen können. Im Bereich der Altersforschung wissen wir noch viel zu wenig, was ältere Leute tatsächlich benötigen, da wird noch viel Forschung erforderlich sein.

Gibt es Angebote oder Schwerpunkte im Bereich der postgradualen Ausbildung?
Derzeit haben wir ja noch keine Postgraduierten, aber an der JKU gibt es bereits Angebote im Bereich Medizinrecht oder Medizinethik, die wir auch für unsere Studierenden nutzen werden.

Gibt es universitäre und außeruniversitäre Zusatzausbildungen, die ein Mediziner aus Ihrer Sicht unbedingt machen sollte?
Ich würde jedenfalls das Thema Wissensmanagement auf die Agenda setzen. Wir haben in der Medizin einen enormen Wissenstransfer, der von der Grundlagenwissenschaft bis hin zu Studienergebnissen reicht, die ein Einzelner gar nicht überblicken kann. Daher ist also die Frage, woher ein Arzt aus der Fülle an Informationen wirklich valide Daten finden und sein Wissen im Sinne einer evidenzbasierten Medizin erweitern kann, in Zukunft sehr zentral.
Der zweite Bereich, der immer wichtiger wird und für den eigenen Erfolg künftig ausschlaggebend sein wird, ist das Qualitätsmanagement, also Instrumente, die dabei helfen, die Qualität der medizinischen Leistung zu bewerten.

Was sollen aus Ihrer Sicht Absolventen auf jeden Fall mitbringen, wenn sie in Linz ihr Medizinstudium abgeschlossen haben werden?
Man kann nur dann ein guter Arzt sein, wenn man das, was man macht, mit Freude macht. Das wäre mir wichtig.

Stichwort Ärztemangel – gibt es ausreichend Nachwuchs?
Es ist weniger ein Nachwuchsproblem als mehr ein Verteilungsproblem. In Ballungszentren haben wir ausreichend Angebote, nicht aber in der Peripherie. Und wir haben einen Prozentsatz an Medizinern, die nie medizinisch tätig werden und einen weiteren, der ins Ausland geht. Das sind aber Probleme, die eine Universität nicht lösen kann. Da ist die Politik gefordert.

Einerseits sind Auslandserfahrungen für den Lebensweg wichtig, andererseits haben wir eine massive Abwanderung junger Mediziner ins Ausland – welchen Ausweg sehen Sie aus diesem Spannungsfeld?
Vor allem für einen Mediziner, der in der Forschung tätig sein will, ist es wichtig, an Spitzeninstitutionen im In- und Ausland zu arbeiten und mobil zu sein. Die Mediziner verlassen Österreich ja nicht, um im Ausland zu forschen, sondern weil die Rahmenbedingungen hier nicht attraktiv sind. Dieses Problem ist, wie bereits erwähnt, nicht von den Universitäten zu lösen, sondern von der Politik.

Was würden Sie einem jungen Kollegen, der heute mit dem Medizinstudium beginnt, auf alle Fälle raten?
Er muss lernen, Patienten in Ruhe und sehr genau anzuschauen. Bei allen erlernten Fakten darf nie der Blick auf das Wesentliche, den Patienten, verlorengehen. rh