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Suizid nach der Geburt • Intensivberatung für Schwerstkranke • Nervenschmerz-Patienten bleiben oft unterversorgt • Erfolgreiche Kooperation • Lachgas gegen Depressionen • Psychisch bedingte Krankenstände nehmen zu
Suizid nach der Geburt
Kürzlich fand erstmals der weltweite Aktionstag für die psychische Gesundheit von Müttern statt. Weltweit erlebt jede fünfte Frau psychische Ausnahmesituationen nach der Geburt: Depression, Angst, Zwangserkrankungen, Psychosen oder Wochenbettsyndrom. Experten schätzen, dass 70 % der betroffenen Mütter ihre Symptome verbergen. Ohne Verständnis, Unterstützung und Behandlung dieser nachgeburtlichen Erkrankungen haben diese verheerende Auswirkungen auf die betroffenen Mütter mit ihren Babys, ihre Partner und die ganze Familie. Aus diesem Anlass wurde zum Muttertag der erste weltweite Aktionstag für die psychische Gesundheit von Müttern initiiert: „Denn auch Österreich ist von einer flächendeckenden, spezialisierten psychiatrischen Versorgung erkrankter Mütter gemeinsam mit ihren Babys weit entfernt“, wie Prof. Claudia Klier von der MedUni Wien bekräftigt. „Deshalb ist dieser erste weltweite Aktionstag besonders wichtig, um diese Versorgungslücken, die seit Jahren bestehen, öffentlich zu machen.“ Klier leitet die Psychosomatik an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde im AKH und ist Präsidentin der deutschsprachigen Gesellschaft für peripartale psychische Erkrankungen. Deren Ziel ist die Weiterentwicklung ambulanter und stationärer Behandlungskonzepte für Frauen mit schwangerschaftsassoziierten psychischen Erkrankungen, Etablierung spezialisierter Mutter/Vater-Kind-Behandlungseinrichtungen, gesellschaftliche Aufklärung sowie Entstigmatisierung der psychischen Erkrankungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft.
Intensivberatung für Schwerstkranke
Ganzheitliche Beratungsangebote sind im Gesundheitswesen nicht zuletzt aufgrund knapper Ressourcen rar. Wie können schwer kranke Patienten gut beraten werden, wenn Ärztemangel, Pflegenotstand und Arbeitszeitverkürzung im Spital den Alltag prägen? „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Krebspatienten bis zu drei Monate nach der Diagnose warten müssen, bis sie Beratungsangebote erhalten“, erklärt Medizinethiker und Organisationsberater Dr. Stefan Dinges. Bis dahin kann – abgesehen von der Erkrankung selbst – viel passiert sein: Jobverlust, Ehekrise, Kinder, die unter dem Stress des veränderten Familienlebens leiden und auch krank werden. Die Intensivbetreuung und -beratung, die von der Österreichischen Gesellschaft für Gesundheitsmediation und Intensivberatung (ÖGGMIB) im Wiener Hanusch-Krankenhaus angeboten wird, setzt genau hier an. Die Idee ist durch die Weiterentwicklung der onkologischen Rehabilitation entstanden, die den Fokus auf die Wiederherstellung physischer Gesundheit bzw. auch auf psycho-onkologische Aspekte legt. Nicht finanziert wird dabei die Förderung sozialer Gesundheit, also der Erhalt der Arbeitsfähigkeit oder die Reintegration in den beruflichen Alltag.
Das Team aus Ärzten, Psychotherapeuten, Gesundheitsmediatoren, Juristen und der Pflege bietet auch einen interdisziplinären, multiprofessionellen und auf die Patientenbedürfnisse abgestimmten Ansatz. Betreut wird nicht nur während eines Spitalsaufenthaltes, sondern auch danach, sodass der Fokus auf Gesundheit und Arbeitsfähigkeit erhalten bleibt. Pro Patient stehen sechs bis acht Beratungseinheiten zur Verfügung.
www.oeggmib.at
Nervenschmerz-Patienten bleiben oft unterversorgt
Knapp eine Million Österreicher leiden an irgendeiner Form von Polyneuropathie. Betroffen sind vorwiegend Langzeit-Diabetiker und Menschen mit Nierenleiden. Auch Gifte und Alkohol oder ungewohnte, starke Medikamente können die Nerven nachhaltig schädigen und unerträgliche Schmerzen verursachen. „Betroffene leiden oft unter einer ebenso großen physischen und psychischen Belastung, denn zu den Beschwerden kommt immer wieder die Angst: Lande ich bald im Rollstuhl?“, berichtet Prim. Univ.-Doz. Dr. Udo Zifko, Vorstand der Neurologischen Abteilung am Evangelischen Krankenhaus-Wien.
Beschwerden und Ängste könnte man aber vielen Patienten ersparen. Das zeigt eine soeben fertiggestellte, prospektive Studie unter 100 Polyneuropathie-Patienten auf, die eine ärztliche Zweitmeinung einholten. Demnach hatte jeder dritte Patient keine ausreichende diagnostische Abklärung seiner Beschwerden erhalten. Gleichzeitig unterblieb die nötige Dosisanpassung der Medikamente, wodurch zwei Drittel der Patienten schmerztherapeutisch unterdosiert und somit ihren Beschwerden ausgeliefert blieben. Vier von fünf Nervenschmerz-Patienten erhielten keine spezielle Physiotherapie oder Rehabilitation zur Verbesserung von Motorik und Gangbild.
www.ekhwien.at
Erfolgreiche Kooperation
qSeit einem Jahr wird Menschen der Zugang zur Psychotherapie erleichtert und der diesbezüglichen Unterversorgung in Wien entgegengewirkt: durch die Psychotherapeutische Ambulanz (pta) des Österreichischen Arbeitskreises für Gruppentherapie und Gruppendynamik (ÖAGG). Die pta wurde in Zusammenarbeit mit der Wiener Gebietskrankenkasse und der PVA vom ÖAGG gegründet, um Menschen zu erreichen, die am freien Markt aufgrund zu hoher Kosten und langer Wartezeiten auf Kassenplätze bis dahin keine Psychotherapie bekommen konnten. „Mit der Psychotherapie als Präventionsmaßnahme werden zum Beispiel Langzeitkrankenstände oder die Chronifizierung psychischer Störungen vermieden. Fragen und Probleme, die sich durch die fallweise notwendige Umschulung auf neue Berufe ergeben, werden aufgearbeitet und individuell in den Griff bekommen“, erklärt Mag. Maria-Anna Pleischl, Generalsekretärin des ÖAGG. Seit einem Jahr werden in den Wiener Räumlichkeiten 50 Gruppen mit im Durchschnitt zehn Patienten betreut. Ein Team von 25 Psychotherapeuten auf Honorarbasis, acht angestellten Mitarbeitern und einem Konsiliarpsychiater kümmert sich um die 400 Patienten aus dem Rehabilitationsprogramm in laufenden Gruppenpsychotherapien.
Das Case Management, das Menschen mit psychischen Problemen helfen soll, wieder in den Arbeitsalltag einzusteigen, anstatt in Frühpension zu gehen, hat die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) vor eine große Heraus-forderung gestellt. Nach einem Jahr Zusammenarbeit mit der ÖAGG-Ambulanz zieht WGKK-Obfrau Ingrid Reischl eine durchwegs positive Bilanz: „Es hat sich herausgestellt, dass es einen enormen Bedarf an ambulanten psychotherapeutischen Behandlungen gibt. Die Probleme, mit denen die Menschen zu kämpfen haben, reichen von Angstzuständen und Depressionen bis hin zu unterschiedlichsten Persönlichkeitsstörungen. Die WGKK hat mit einem Schlag 500 Therapieplätze geschaffen. Mit dem ÖAGG konnten wir einen kompetenten Partner finden, der die Betroffenen rasch und effektiv betreut.“
www.oeagg.at, www.wgkk.at, www.pt-ambulanz.at
Lachgas gegen Depressionen
Für den Nachweis, dass Lachgas bei schweren Depressionen helfen kann, wurde der aus Österreich stammende Anästhesist Peter Nagele beim Jahrestreffen der Society of Biological Psychiatry in Atlanta (USA) mit dem „Ziskind-Somerfeld Research Award“ ausgezeichnet. Die Fachgesellschaft würdigt mit der Auszeichnung hervorragende Arbeiten im Bereich der biologischen Psychiatrie. Mit dem mit 5.000 Dollar verbundenen Preis wird die wichtigste im Vorjahr im Fachjournal „Biological Psychiatry“ veröffentlichte Arbeit ausgezeichnet.
www.sobp.org
Psychisch bedingte Krankenstände nehmen zu
Die Zahl der psychisch bedingten Krankenstände nimmt zu und auch ein Drittel der Frühpensionen sind darauf zurückzuführen. Während psychische Probleme 1994 für eine Million Krankenstandstage verantwortlich waren, wurden 2014 schon 3,6 Millionen registriert. Das ist ein Plus von 340 Prozent, während laut Kaske die gesamten Krankenstandstage im entsprechenden Zeitpunkt um 4,6 Prozent zurückgingen. Der wirtschaftliche Schaden macht 3,3 Milliarden pro Jahr aus. Vor allem geht es darum, Maßnahmen zu setzen, bevor die Arbeitnehmer krank werden. Eine im AK-Auftrag erstellte Studie über die Arbeitssituation der Arbeitsmediziner, Sicherheitskräfte und Arbeitspsychologen ergab, dass diese ihre Tätigkeit als durchaus befriedigend und sinnvoll einschätzen. Allerdings ergaben sich daraus auch Wünsche, deren Umsetzung von der Arbeiterkammer nun gefordert wird: Zum einen ist das ein Anstieg der vorgeschriebenen Präventionszeiten pro Arbeitnehmer.
Darüber hinaus müssten die Arbeitspsychologen als gleichberechtigte Präventivfachkräfte neben den Arbeitsmedizinern und den Sicherheitskräften gesetzlich anerkannt werden. Gewünscht wird von allen drei Gruppen eine verstärkte interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie eine bessere Aus- und Weiterbildung.
www.arbeiterkammer.at