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Neue Wege in der Psychiatrie

Die Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (ÖGPP) fördert die kontinuierliche medizinische Weiterbildung und die postgraduelle Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie. Ziel ist es auch, das psychiatrische Wissen verstärkt in die Ausbildung von anderen medizinischen Fächern einzubringen. Wie das gelingen kann, erklärt ÖGPP-Präsident Prim. Dr. Georg Psota.


Prim. Dr. Georg Psota, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie.

Gemäß Untersuchungen der WHO sind psychiatrische Erkrankungen im Zunehmen begriffen und von hoher gesundheitspolitischer und volkswirtschaftlicher Relevanz. Dementsprechend wichtig sind die fachgerechte rechtzeitige Behandlung und der Abbau von vorurteilsbedingten Diskriminierungen gegenüber psychiatrisch Erkrankten.
Die Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (ÖGPP) versteht sich als Fachgesellschaft für die Diagnostik, Behandlung und Erforschung psychiatrischer Krankheiten. Der Therapieaspekt bezieht sich auf akute, subakute und chronisch Kranke und schließt die Rehabilitation mit ein. Psychiater sollen in enger Zusammenarbeit mit benachbarten medizinischen, aber auch außermedizinischen Fachdisziplinen, die Therapie psychischer Erkrankungen wie beispielsweise von affektiven Störungen, psychotischen Erkrankungen, Demenzen, Sucht- und Abhängigkeitserkrankungen oder Angststörungen übernehmen.

Der Psychiatrie kommt damit eine zentrale Rolle innerhalb der medizinischen und psychosozialen Versorgung zu.

Im Vorwort zum kürzlich abgehaltenen ÖGPP-Kongress nehmen Sie die neue Ausbildungsordnung zum Anlass, das Fach Psychiatrie und Psychotherapie neu zu positionieren – wie kann oder soll diese Positionierung aussehen?
Wir wollen klarstellen, dass die Psychiatrie und die psychotherapeutische Medizin ein Teil der Medizin sind. Das ist nicht evident in Österreich, wo im herkömmlichen Sprachgebrauch, aber auch in Expertenkreisen, oft kein Unterschied zwischen Psychologen, Psychotherapeuten und Psychiatern gemacht wird. Zudem liegt die Zukunft in unserem Fach nicht in bevölkerungsfern errichteten psychiatrischen Anstalten. Von derartigen tradierten Bildern müssen wir uns verabschieden und konsequent an einer Neupositionierung arbeiten. Wir haben es mit kranken Menschen zu tun und sind ein Teil der Medizin, daher liegt unsere Zukunft in adäquaten Abteilungen in Schwerpunktkrankenhäusern, wo wir interdisziplinär mit anderen Fächern zusammenarbeiten und gegenseitig voneinander profitieren. Und schließlich gibt es viele medizinische Syndrome, die eindeutig von Psychiatern besser erkannt werden als von anderen Fachärzten, dazu zählt beispielsweise das Delir.

Wo liegen die Herausforderungen des Faches in den nächsten Jahren?
In dieser Klarstellung, was wir sind und was wir tun. Dafür haben wir gerade in Zeiten eines Sparkurses und des demografischen Wandels keine einfachen Rahmenbedingungen. Im Vergleich zu anderen Bereichen des Gesundheitswesens wurde in die Psychiatrie in der Vergangenheit wenig investiert, daher ist der Aufholbedarf groß. So haben wir etwa halb so viele Akutbetten wie vergleichsweise Deutschland. Wäre das in der Onkologie oder Unfallchirurgie so, wäre das bestimmt von größerem öffentlichem Interesse. Auch die Eingliederung in Schwerpunktspitäler kostet Geld, und hier müssen wir die Politik unterstützen, um gemeinsam einen erfolgreichen Weg einzuschlagen.

Gibt es genug Nachwuchs?
In der neuen Ausbildungsordnung ist die Psychiatrie gut verankert und das Interesse am Fach ist bei vielen jungen Medizinern da. Das Problem liegt woanders: Von den derzeit in Österreich arbeitenden Psychiatern werden in den nächsten Jahren viele in Pension gehen und dann fehlt es an Ausbildnern. Eine Mangelfachverordnung würde dem Fach sehr helfen.

Welche Rolle spielt die Forschung und wo liegt derzeit noch Forschungsbedarf?
Wir haben nicht nur in Österreich, sondern auch international einen hohen Forschungsbedarf im Bereich gelingender Versorgungsmodelle, Prävalenzen und den Schweregraden bei verschiedenen Erkrankungsformen. Themen, die uns künftig beschäftigen werden, sind auch E-Health und Informationssysteme.

Was fällt Ihnen bei jungen Bewerbern derzeit besonders positiv auf?
Natürlich bringt die Generation Y Eigenschaften mit, die für uns Ältere eine Herausforderung sind, jedoch erlebe ich junge Assistenzärzte als engagiert und bestrebt sich zu entwickeln.
Diese Generation ist aufgeschlossen, mobil, interessiert und offen gegenüber Neuem, das empfinde ich als sehr unterstützenswert. Wir haben in unserem Fach einen hohen Frauenanteil, da wird es notwendig sein, gute Rahmenbedingungen zu schaffen, um sie im Beruf zu halten.

Warum haben Sie sich für das Fach der Psychiatrie entschieden, was macht es spannend?
Ich wollte Kardiologe oder Kinderarzt werden, zur Psychiatrie bin ich aus meiner kämpferischen Vorgeschichte gekommen: Ich habe schon sehr früh die isolierten Psychiatrien abgelehnt und mich für  eine in die Medizin integrierte Psychiatrie mit hoher sozialer Kompetenz eingesetzt. Auch der traditionelle Umgang mit Patienten und ihren Angehörigen war für mich ein Zustand, den ich aktiv verändern wollte.

Was würden Sie einem jungen Kollegen, der heute mit dem Medizinstudium beginnt, auf alle Fälle raten?
Ich finde diesen Beruf enorm interessant und erfüllend. Wer viel lernen und sich einbringen möchte und der kommunikativen Medizin nahesteht, ist in unserem Fach sehr willkommen! rh