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Nachgefragt bei ...

... Dir. Dr. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Ärztekammer für Wien und Kurienchef der niedergelassenen Ärzte


Kürzlich war zu lesen, dass in Deutschland das Einkommen der niedergelassenen Ärzte kräftig gestiegen sei – im Jahr 2011 kamen sie auf einen Reinertrag von durchschnittlich 13.833 Euro pro Monat. Wie stehen Österreichs Niedergelassene im Vergleich dazu da?
Derartige Zahlen für Österreich liegen uns leider nicht vor und werden auch über die Statistik Austria nicht erfasst. In Deutschland hat man längst erkannt, dass man den Arztberuf wieder attraktiver machen muss. Dort sind die schlimmsten Jahre hoffentlich bereits vorbei und haben zu einem massiven Ärztemangel geführt. Umso ärgerlicher ist es aus meiner Sicht, dass wir in Österreich genau dieselben Fehler nachmachen, ohne über den Tellerrand bzw. die Landesgrenzen zu blicken.

In Wien sind die Verhandlungen mit der Gebietskrankenkasse (WGKK) nicht erfolgreich verlaufen. Was waren die wesentlichen Diskussionspunkte und wie wird es in diesen Fragen jetzt weitergehen?
Die Kasse hat sich selbst einen Ausgabenpfad von 3,6 % jährlicher Steigerungsrate vorgegeben. Das mag in Verhandlungen ein gutes Druckmittel sein, führt das System aber schon jetzt ad absurdum. Durch Spitalsauslagerungen und medizinischen Fortschritt kann die WGKK nämlich nicht einmal mehr die systemischen Steigerungen bezahlen. Da sprechen wir jetzt noch gar nicht von Tariferhöhungen, die jeder Berufsgruppe zustehen sollten, um die Teuerung auszugleichen – eine Sackgasse, aus der es offensichtlich derzeit keinen Ausweg gibt. Wir verhandeln jedenfalls am 28. November weiter.

Ist die Honorierung ärztlicher Leistungen der Hauptgrund, warum immer weniger Mediziner eine Ordination eröffnen möchten?
Die Honorierung ist ein wichtiger, aber nicht der einzige Grund. Vor allem die seit Jahren überbordende Bürokratie schreckt heutzutage viele Kolleginnen und Kollegen ab. Außerdem wird immer mehr versucht, in die ärztliche Therapie einzugreifen und verpflichtende Behandlungsleitlinien vorzugeben. Eine funktionierende Gesundheitsreform sollte es aber vielmehr erleichtern, in die Praxis zu gehen. Darüber hinaus wäre es schön, mehr Zeit für die Patienten zu haben und sich wieder der eigentlichen Aufgabe, der Medizin, widmen zu können.

Gibt es hier gravierende Unterschiede zwischen den Allgemeinmedizinern und Fachärzten?
Diese Probleme sind sicherlich bei den Allgemeinmedizinern noch ausgeprägter als bei den Fachärzten. Denken Sie nur an die vielen ABS-Anträge, die täglich beim Hausarzt anfallen. All das ist Zeit, die beim Patienten abgeht und auch nicht honoriert wird. Es wundert daher nicht, dass viele Landarztpraxen schon heute nicht mehr besetzt werden können.

Reichen Verhandlungen um Prozentzahlen bei Honoraren aus, das Problem zu lösen oder ist nicht eher eine tiefgreifende Strukturreform gefragt?
Das Verhandeln um Prozentzahlen ist in Wahrheit am Ende! Das sehen wir in den aktuellen Verhandlungen mit der WGKK in Wien sehr deutlich. Das Problem ist ein systemisches. Solange man die Kassen nicht strukturell entschuldet, sondern immer wieder nur die Löcher stopft, wird sich nichts ändern. Die Medizin könnte bereits heute viel mehr, als wir in den Kassenordinationen anbieten können. Einfach, weil die Kasse dafür kein Geld hat. 80 % unserer Kataloge stammen aus dem letzten Jahrhundert.

Ist die gesundheitliche Basisversorgungen durch niedergelassene Ärzte angesichts dieser Entwicklungen auch in den nächsten fünf bis zehn Jahren in Österreich sichergestellt?
Zehn Jahre sind ein langer Zeitraum. Derzeit weiß die WGKK nicht einmal, wie sie 2015 finanzieren soll. Aktuell zeichnen sich daher eher Leistungsstreichungen und die Verstärkung der Zwei-Klassen-Medizin ab. Wir Ärztinnen und Ärzte werden aber auch weiterhin unser Möglichstes dazu beitragen, die Versorgung sicherzustellen.