Mut zu großen Visionen
Der Forscher Dr. Johannes Zuber, Gruppenleiter am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP*) in Wien, erhielt kürzlich den Deutschen Krebspreis 2016 und holte damit eine überaus renommierte Auszeichnung erstmals nach Österreich.
Wie muss ein Karriereplan aussehen, um erfolgreicher Forscher zu werden?
Es ist sicher ungewöhnlich, zuerst Medizin zu studieren und dann mit Leib und Seele in die Forschung zu gehen. Das war anfangs auch nicht der Plan, denn damals gab es dafür auch keine entsprechenden Aus- oder Weiterbildungen. Heute sieht das anders aus, viele Aufbaustudiengänge ebnen zumindest inhaltlich den Weg in die Forschung.
Wann kam es bei Ihnen zu diesem „Kurswechsel“?
Während des Studiums, das doch zu einem Gutteil aus Auswendiglernen bestand, war ich definitiv auf der Suche nach Erfüllung. Und dann spielte der Zufall mit. In Berlin wurde eine Stiftungsprofessur in der molekularen Tumorpathologie gegründet, ich habe Vorlesungen dort gehört und bin so im Labor gelandet
Wie teilten Sie die Zeit zwischen Forschung und Klinik?
Bisher kaum. Diese Frage stellte sich im Laufe der Karriere immer wieder und ich habe mich bisher immer zu 100% auf das eine oder das andere konzentriert. Für meine Doktorarbeit in der molekularen Tumorpathologie habe ich mein Studium pausiert und dann sehr intensiv und auch erfolgreich geforscht. Danach habe ich mein Studium beendet und mich klar für die Onkologie entschieden. Der Leukämie galt immer mein Hauptinteresse, weil es schon damals viele neue Therapieansätze gab. Nach vier Jahren Klinik kam dann der – bisher endgültige – Switch in die Krebsforschung.
Gab es Mentoren, die Sie auf Ihrem Weg unterstützten?
Ja, in meiner Karriere haben mich eine ganze Reihe von Mentoren unterstützt und geprägt. Während meines Postdocs am Cold Spring Harbor Laboratory in den USA hatte ich das Glück, wirklich berühmte Forschungspersönlichkeiten kennenzulernen – unter anderem auch den Entdecker der DNA James Watson. Die dort herrschenden flachen Hierarchien habe ich sehr schätzen gelernt und hautnah erlebt, wie Forschung auf Spitzenniveau läuft. Der Grundsatz lautete immer „the sky is the limit“ – nichts war unmöglich. Gefragt waren Ideen und Herzblut und nicht Titel oder Rangordnung. Mit diesen Voraussetzungen und viel privaten Sponsorgeldern lässt es sich natürlich gut arbeiten.
Als forschender Mediziner war ich insofern sehr gefragt, als meine Forschungsinteressen immer sehr nahe an den Patientenbedürfnissen ausgerichtet waren. Jedoch war immer klar, dass der Aufenthalt ein Ablaufdatum hat, auch das ist das Wesen dieser Forschungseinrichtungen, um jungen Talenten Platz zu machen.
War Europa dann überhaupt noch attraktiv?
Obwohl ich Angebote aus den USA hatte, war ich der amerikanischen Kultur etwas müde und wollte auch aus privaten Gründen wieder nach Europa zurück. Mein Chef war damals in Österreich auf einem Meeting und hat hier von meinen Forschungen erzählt. Drei Jobangebote kamen umgehend nach seiner Rückkehr. Die Entscheidung für das IMP war einfach, denn in Europa ist kaum ein vergleichbares Forschungsumfeld zu finden. Dank großzügiger Unterstützung von Boehringer Ingelheim bietet das Institut einfach alles, was ich brauche, und die Partnerschaft mit der Pharmaindustrie ist in meinem Feld ein besonderer Reiz. Daher kam ich 2011 als Group Leader nach Wien.
Fehlt Ihnen der Patientenkontakt?
Ja! Als Arzt zu arbeiten ist eine ganz andere Erfüllung, als Forscher zu sein. Gerade in der Leukämie betreut man über viele Monate sehr unterschiedliche Charaktere von Patienten, trifft gemeinsam Entscheidungen und überwindet Herausforderungen. Für seinen Einsatz wird man täglich belohnt. In der Forschung ist das genau das Gegenteil: Oft arbeitet man über Monate oder Jahre ins Blaue hinein und weiß, dass etwa 80 % der Ergebnisse in der Schublade landen werden. Irgendwann kommt dann ein Erfolgserlebnis, das ist zwar selten, aber dafür umso größer!
Was macht dann den Spaß an der Forschung aus?
Ich habe die einzigartige Möglichkeit, als erster Mensch auf diesem Planeten etwas zu entdecken, das das Leben hier verbessert. Ich finde fundamentale Zusammenhänge, die vorher keiner gesehen hat, und kann ganz neue Wege aufzeigen, wie dieses Wissen genutzt werden kann.
Was braucht ein junger Forscher auf jeden Fall?
Mut, etwas auszuprobieren und sich proaktiv in Themen einarbeiten und herausfinden, wohin es einen zieht. In meinem Fall war das die Krebsgenetik, es gibt aber viele mögliche Forschungsfelder. Man muss auch den Mut haben, eine Phase mit schlecht bezahlten Praktika durchzustehen, die einen aber an wichtige Forscherpersönlichkeiten heranführen, die dann auch als Mentoren fungieren können. Nicht jedem macht endloses Herumschaufeln von kleinen Mengen Flüssigkeit Spaß. Aber wenn beim Ein- und Ausschalten von Genen in Krebszellen die Augen ins Leuchten kommen, dann ist man sicher am richtigen Platz! Für diese Phase des „Sich Ausprobierens und Entdeckens“ muss man sich Zeit nehmen, nicht ein paar Wochen, sondern gut ein bis zwei Jahre.
Was bedeutet für Sie die Auszeichnung mit dem Deutschen Krebspreis 2016?
Ich habe es zuerst gar nicht für möglich gehalten! Es ist eine besondere Ehre, denn Österreich ist nicht so eng mit dem Netzwerk der deutschen Forschung verflochten. Da freut man sich doppelt, dass man auf der Landkarte wahrgenommen wird.
Natürlich ist der Preis eine Wertschätzung meiner Arbeit an sich, er zeigt aber auch, dass neue genetische Methoden in der Krebsforschung als sehr vielversprechend beurteilt werden. Dieses Forschungsfeld wird bisher von den USA dominiert und es ist wichtig, dass wir in Europa Schritt halten. Für mich ist der Preis jetzt auch ein wichtiger Ansporn und eine Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Kurs sind.
Was wünschen Sie sich für die weitere Entwicklung – persönlich und auf Ihre Arbeit bezogen?
Ich würde mir mehr große Flaggschiffinitiativen wünschen. In den USA wird viel mehr Geld in die Hand genommen, die Hemmschwelle, groß zu denken und zu handeln, ist viel geringer. In Europa verteilt die Politik das Geld, was den Weg in die Champions League der Forschung oft erschwert. Wir brauchen Visionäre, die sich erlauben zu denken, wo wir in 20 oder 50 Jahren sein wollen und nicht am Ende einer Regierungsperiode. Für heimische Verhältnisse leisten wir ausgezeichnete Forschung in Österreich, wir könnten aber viel mehr, wenn wir diesen Spirit des „Durch-die-Decke-Denkens“ mehr leben könnten. Ich wünsche mir, dass die biomedizinische Forschung hier mit genauso viel Herzblut betrieben wird wie die WM im Abfahrtslauf.
Werden Sie der Forschung erhalten bleiben?
Die Frage ist leicht zu beantworten! Die gesamte Krebsforschung ist derzeit in einer wirklich revolutionären Aufbruchstimmung. Wir haben sozusagen die Forschungslandkarte mit der Routenbeschreibung, jetzt geht es nur mehr darum, mit Höchstgeschwindigkeit ans Ziel zu kommen. Es ist wirklich begeisternd, Teil dieser „Fahrgemeinschaft“ zu sein! rh
Auf einen Blick
Der Deutsche Krebspreis zählt zu den renommiertesten wissenschaftlichen Auszeichnungen im deutschen Sprachraum und ehrt jährlich Forscher für herausragende und zukunftsweisende Arbeiten im Bereich der Onkologie. Mit Johannes Zuber (41) geht der Preis dieses Jahr an einen Wissenschaftler, der das Gebiet der funktionellen Krebsgenetik maßgeblich geprägt hat. Mit seinem Team am IMP sucht er mittels innovativer genetischer Verfahren nach Genen, die für das Überleben von Krebszellen wichtig sind und als Angriffspunkte für zielgerichtete Krebstherapien dienen könnten. Durch Entwicklung und Anwendung optimierter RNAi-Screening-Methoden entdeckte Zuber unter anderem BRD4 als „genetische Schwachstelle“ und therapeutisches Zielgen zur Behandlung der akuten myeloischen Leukämie (AML). Nachdem BRD4-Hemmer mittlerweile vielversprechende Effekte bei AML und anderen Krebsarten gezeigt haben, gelang Zuber und seinem Team kürzlich die Aufklärung molekularer Mechanismen, die zur Resistenz gegenüber diesen Substanzen führen können. Diese Erkenntnisse haben große Bedeutung für die weitere Entwicklung von BRD4-Hemmern in der Klinik.