Mors in tabula
Der unerwartete Tod eines Patienten im Zuge einer Operation stellt nicht nur einen Schicksalsschlag für die Angehörigen des Betroffenen, sondern auch ein dramatisches Erlebnis für den behandelnden Arzt dar.
Autor: Mag. Gerhard Stingl
Verteidiger in Strafsachen, Stingl und Dieter Rechtsanwälte OG
Kalchberggasse 10/III, 8010 Graz
Routiniertes Verhalten in der Situation eines „Mors in tabula“ – auch „Exitus in tabula“ genannt – ist nicht zu erwarten, da Routine ein wiederholtes Verhalten in ein- und derselben Situation voraussetzt. Es ist nicht davon auszugehen, dass ein Arzt für eine solche Situation demgemäß eine „Routine“ erlangt. Umso wichtiger ist es, dass für diese Situation klare Richtlinien bezüglich des Verhaltens vorliegen. Es ist nicht nur darauf zu achten, dass rechtlich korrekt vorgegangen wird, sondern auch, dass mit dieser Situation – ohne nur auf die rechtliche Konsequenz zu achten – richtig umgegangen wird. Dafür ist ein funktionierendes Qualitäts- und Risikomanagement notwendig. An der Universitätsklinik Salzburg wurde in diesem Zusammenhang ein Modell erarbeitet, welches das Folgeverhalten nach dem Versterben am OP-Tisch oder in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Operation regelt.
Obduktionsvorschriften
Gemäß § 25 Abs. 1 KAKuG sind Leichen von in öffentlichen Krankenanstalten verstorbenen Pfleglingen zu obduzieren, wenn die Obduktion sanitätspolizeilich oder strafrechtlich angeordnet wurde. Auch bei diagnostischen Unklarheiten oder bei Tod am OP-Tisch ist eine solche Obduktion verpflichtend und es besteht hier kein Einspruchsrecht der Angehörigen.
Anzeigepflicht
Gemäß § 54 Abs. 4 ÄrzteG ist bei Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung unverzüglich bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Anzeige zu erstatten. Dies trifft bei einem Verdacht eines medizinischen Behandlungsfehlers zu. Eine solche Anzeigepflicht ist nicht unbedingt bei „Mors in tabula“ gegeben.
In Salzburg ist eine Vorsichtsmeldung bei „Mors in tabula“ vorgesehen; hier liegt eine Vereinbarung mit der Sicherheitsbehörde, konkret mit der Polizei, der Staatsanwaltschaft und dem Strafgericht, vor.
Es sollte dadurch gewährleistet werden, dass eine unparteiische und objektive Untersuchung des Todes vorgenommen wird. Beachtlich ist hier sicherlich die Problematik der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht, wobei bei einer Sachverhaltsdarstellung die beruflichen Verschwiegenheitsregeln ausgesetzt sind. Im gegenständlichen Fall wird ohne Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens eine Obduktion angeordnet. Die zwischen der Universitätsklinik Salzburg und den Sicherheitsbehörden getroffene Vereinbarung ist bezüglich ihrer Zulässigkeit nicht unproblematisch, da ohne Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bzw. eines strafrechtlichen Gerichtsverfahrens öffentliche Gelder verwendet bzw. öffentliche Ressourcen eingesetzt werden.
Eine externe Obduktion in der Gerichtsmedizin bedarf im Normalfall eines gerichtlichen Auftrages und hierfür ist eine Anzeige der zuständigen Kriminalpolizei notwendig. Nichtsdestotrotz ist eine einheitliche Vorgehensweise zu befürworten und hierfür ist eine neutrale Aufarbeitung des Todesfalles notwendig, um Vorwürfen von Angehörigen und den Medien vorzugreifen.
Abgrenzung von Todesfällen
Anzeigepflichtige und nicht anzeigepflichtige Todesfälle müssen abgegrenzt werden. Anzeigepflichtig sind jene Todesfälle, die überraschend eingetreten sind, also keine Todesfälle im Rahmen eines Notfalleingriffes. Hier würde wohl eine klinische Obduktion ausreichen. Nur der überraschende Tod auf dem OP-Tisch bzw. unmittelbar danach im Rahmen eines elektiven Eingriffs sollte zu einer beweissichernden Obduktion durch neutrale Mediziner führen.
Beweissicherung
Nachstehende Beweissicherungspunkte sind bei „Mors in tabula“ zu beachten:
- Feststellung und Eintragung des Todeszeitpunktes in die Krankenunterlagen
- Meldung des Todesfalles an die Anstaltsleitung
- Kontaktaufnahme sowie Führen eines Gespräches mit den Angehörigen, wobei es zweckdienlicher wäre, hier ein „Krisenhandbuch“ für den Inhalt und den Verlauf des Gespräches aufzulegen
- Transferierung des Verstorbenen in die Gerichtsmedizin (bei Verdacht eines Fremdverschuldens)oder zur Pathologie
- Versiegelung der Krankenakte
- Gedächtnisprotokolle und Abschlussbericht der beteiligten Personen – Mediziner, OP-Pflegepersonal oder technische Assistenz – dem Akt anschließen
- Klare Richtlinien für den Fall des Auftretens von Auffälligkeiten in der Pathologie, Abbruch der Obduktion, Weiterleitung an die Gerichtsmedizin unter Beilegung einer Stellungnahme des Pathologen
- Sicherung von Beweismitteln (Operationsbesteck, technische Einrichtungen usw.)
- Koordinierte Medienkontakte, wobei es zweckdienlich wäre, hier ebenfalls ein eigenes Handbuch hinsichtlich des Umganges mit den Medien zu erstellen
Zweckdienlich wären verbindliche Richtlinien bzw. auch ein entsprechendes Handbuch bei Vorliegen von Behandlungsfehlern. Transparenz, Einbindung des geschädigten Patienten, rasche Weitergabe von Informationen, Einbindung der behandelnden Ärzte und der Pflege, Hintanhaltung von Vertuschungen, Einbeziehung von externen Sachverständigen sowie eine externe Schadensabwicklung sollten selbstverständlich sein. In jedem größeren Spital ist eine eigene Stabsstelle für Qualitäts- und Risikomanagement wie auch Medienbetreuung eingerichtet.