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Mono oder multi?

Wien im Uhrenfieber. Das Portfolio an Flagship Stores und erstklassigen Juwelierfachgeschäften hat in der Bundeshauptstadt innerhalb weniger Jahre internationales Top-Niveau erreicht.


Vom Feinsten. Nach der Expansion des eigenen Geschäftes mit Integration einer Patek Philippe-Boutique und Rolex-Shop-in-Shop kooperiert Bucherer seit Dezember 2011 auch mit IWC in Sachen Monobrand-Präsentation.

Noch nie zuvor hat sich in Wien in Sachen Luxusboutiquen innerhalb so kurzer Zeit so viel getan. Das größte Projekt stammt von Louis Vuitton: Das Kultlabel eröffnet noch heuer einen World Store mit 1.500 Quadratmetern Verkaufsfläche plus eine separate Uhren- & Schmuckboutique. Doch auch die traditionelle Schweizer Uhrenindustrie hat im Kampf um die besten Plätze im „goldenen U“ der Bundeshauptstadt die Nase vorn. Wer sich bereits vor längerer Zeit hier etabliert hat, muss danach trachten, konkurrenzfähig zu bleiben. Das gilt für den klassischen Fachhandel ebenso wie für jene Uhren- und Schmuckmarken, die schon seit Langem mit Monobrand-Boutiquen in Wien präsent sind. Cartier ist bereits vor ein paar Jahren in eine deutlich größere Immobilie am Graben Ecke Kohlmarkt übersiedelt, ebenso Montblanc, deren erste Boutique sehr bald zu klein geworden war. Chopard hat wie auch die seit 2001 bestehende Breguet Boutique im vergangenen Jahr an ihrem angestammten Standort am Kohlmarkt expandiert. Doch auch alteingesessene Juweliere haben ausgebaut beziehungsweise neue Standorte eröffnet: Am Stephansplatz/Kärntnerstraße hat 2010 Bucherer (vorm. Haban) seine Geschäftsfläche auf 330 Quadratmeter verdreifacht – Patek Philippe Boutique und Rolex-Shop-in-Shop inklusive. Vor einem Jahr eröffnete Hermann Gmeiner-Wagner im Erste Bank-Gebäude am Graben/Tuchlauben auf einer Gesamtfläche von 700 Quadratmetern und mit einer Rekord-Portallänge von 56 Metern unmittelbar nebeneinander die erste Rolex-Boutique Österreichs sowie eine Wagner-Filiale mit zwölf weiteren Luxusmarken. Vor allem die Marke mit der Krone wird in Wien ihrem Status als Weltmarktführer mit einer beeindruckenden, um nicht zu sagen erdrückenden Präsenz gerecht. Angesichts der neuen beziehungsweise erweiterten Rolex-Präsentationen durch Bucherer und Wagner entschied sich auch Juwelier Schullin zu einer neuen Inszenierung seines Rolex-Sortiments in seinem erweiterten Geschäft im Looshaus am Kohlmarkt.

Konkurrenz belebt den Markt

Eine derartige Entwicklung lässt natürlich keinen Mitbewerber kalt. Prompt eröffnete ein eindrucksvoller, zweistöckiger Omega Flagship Store mit über 300 Quadratmetern am Stock im Eisen Platz 3 (vorm. Augarten Porzellan). Ein paar Meter weiter, Am Graben 12, wo bisher die Haban-Dependence logierte, entstand in Kooperation mit Bucherer Wien eine vergleichsweise kleine, aber feine IWC-Boutique. Doch damit ist der Zenit noch lange nicht erreicht. In wenigen Wochen eröffnet am Kohlmarkt 3 der erste Breitling Flagship Store Österreichs. Fortsetzung folgt, denn etliche Marken suchen noch nach einer geeigneten Immobilie. Gerade rechtzeitig vor dem großen Monobrand-Boom, ist auch die alteingesessene Wiener Uhrenszene kollektiv aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. So haben in den letzten zwei bis drei Jahren etliche Innenstadt-Juweliere die Neugestaltung ihrer Geschäfte in Angriff genommen, darunter Uhrmachermeister Hübner und Juwelier Heldwein am Graben, Juweliere Ellert am Stephansplatz und zuletzt, wie bereits erwähnt, Juwelier Schullin.

Polarisierende Koexistenz

Nun müssen sich neu eingerichtete, aber traditionell organisierte Juwelierfachgeschäfte mit superlativen Flagship Stores messen, welche „vonseiten mancher Marken durchaus als Werbemaßnahme betrachtet werden“, gibt Hans-Peter Jucker, Geschäftsführer Juwelier Bucherer zu bedenken. „Das bedeutet vor allem am Beginn, dass Gewinne nicht im Zentrum des Interesses stehen.“ Als Fachhändler kann man sich hingegen keine jahrelange Anlaufphase leisten. Das Konzept muss von Anfang an funktionieren. Bei Bucherer hat sich die Expansion bereits in deutlich gesteigerten Umsätzen niedergeschlagen. Auch Hermann Gmeiner-Wagner zeigt sich zufrieden mit dem Zulauf neuer Kunden, die keineswegs nur aus dem Tourismus kommen. Auch heimisches Publikum lässt sich von großen Verkaufsflächen mit internationalem Flair anlocken.

Was für den Fachhandel eine verschärfte Konkurrenzsituation darstellt, gereicht dem uhreninteressierten Konsumenten in jedem Fall zum Vorteil. Noch nie konnte man in Wien eine derart große Auswahl genießen. Wo am Ende gekauft wird, ist eine sehr individuelle Entscheidung. „Es gibt nach wie vor Kunden, die den klassischen Fachhandel bevorzugen – sei es aus Gewohnheit oder aufgrund der markenübergreifenden Auswahl“, betont Hans-Peter Jucker. Diese Kunden vergleichen gerne die Markenwelten und entscheiden sich anschließend für ihr ganz persönliches Modell, während man in Monobrand-Stores die gesamte Kollektion dieser einen Marke sehen, probieren und daraus auswählen kann. „Aus unserer Erfahrung heraus gibt es jedoch kaum Kunden, die nur in Monobrand oder nur in
Multibrand-Stores einkaufen“, erklärt Hermann Gmeiner-Wagner. In beiden Geschäftstypen ist eine professionelle Kaufberatung gleichermaßen wichtig – sowie eine Wohlfühl-Atmosphäre, die den Einkauf des Juwels oder der Uhr zu einem echten Erlebnis macht, an das man gerne und lange zurückdenkt.       ik