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Mobil trotz Diabetes

Lange bevor Amputationen erforderlich sind, schränkt der Diabetische Fuß die Mobilität ein. Zur Prophylaxe sind regelmäßige Untersuchungen und die Evaluation des Sturzrisikos erforderlich.


Primaria Univ.-Prof. Dr. Monika Lechleitner, Ärztliche Direktorin und Leiterin der Abteilung für Innere Medizin im LKH Hochzirl. Foto: ZVG

Prophylaxe und Therapie stellen ab einer Diabetes-Diagnose essenzielle Begleiter im Alltag von Patienten dar, um zahlreiche mögliche Begleit- und Folgeerkrankungen zu verhindern oder einzuschränken. Einer der essenziellen Faktoren ist die laufende fachgerechte Untersuchung der Füße, denn erkranken Diabetiker an einem Diabetischen Fußsyndrom, sind damit immer Mobilitätseinschränkungen verbunden – lange bevor es zu Amputationen von Zehen, Fuß oder Bein kommt. Primaria Univ.-Prof. Dr. Monika Lechleitner, Ärztliche Direktorin und Leiterin der Abteilung für Innere Medizin im LKH Hochzirl, betont, wie wichtig in der Phase der Immobilität und besonders in höherem Lebensalter die Diagnose von diabetischer Neuropathie, muskuloskeletalen Veränderungen, aber auch einer Abnahme von Muskelmasse und Muskelkraft sind. Weitere Co-Morbiditäten wie diabetische mikro- und makrovaskuläre Spätkomplikationen – zum Beispiel Visuseinschränkungen infolge diabetischer Augenveränderungen und die PAVK – verstärken die Mobilitätseinschränkungen, warnt die Internistin, die unter anderem auf Geriatrie, Diabetes und Ernährung spezialisiert ist.

Mobilitätsmotivation im Fokus

Die Blutzuckerkontrolle stellt freilich die Basis in der Prävention diabetischer Folgeerkrankungen dar. Auch Lebensstilmaßnahmen wie Widerstandstraining oder regelmäßige Bewegung sind essenziell, um Mobilitätseinschränkungen vorzubeugen. Die Motivation Betroffener ist dabei nicht immer einfach. „Empfehlungen zu Bewegungsmaßnahmen sind Inhalt der strukturierten Diabetikerschulung“, sagt Lechleitner und ergänzt: „Die Österreichische Diabetikergesellschaft bietet darüber hinaus eine Bewegungsbox mit weiteren detaillierten Darstellungen zur Bewegung an. Auf Initiative der ÖDG findet einmal jährlich ein Nordic Walking Event statt.“
Auch die Ernährung spielt eine entscheidende Rolle für die Beibehaltung der Mobilität. Sarkopenie, die altersassoziierte Reduktion von Muskelmasse und Muskelkraft, verhindert häufig, dass Diabetiker mobil bleiben oder werden. „Die Sarkopenie kann jedoch durch entsprechende Ernährungsmaßnahmen, insbesondere die Zufuhr hochwertiger Proteine, verhindert bzw. behandelt werden“, räumt Lechleitner ein. Ernährung und Bewegung stellen somit entscheidende Faktoren in Diabetikerschulungen dar, um der Reduktion von Muskelmasse vorzubeugen.

Sturzrisiko minimieren

Diabetes-Spezialisten betrachten zudem Diabetikerhunde als sinnvolle Ergänzungen, um Bewegungsmangel vorzubeugen. Diese Maßnahme funktioniert jedoch nur bei Menschen, die mit Hunden vertraut sind und für die das Tier im Alltag keine Belastung darstellt, sondern eine Motivation zur Bewegung.
Die Patienten werden in Diabetikerschulungen dazu angehalten, Bewegung als Fixpunkt in den Alltag zu integrieren, aber dabei nicht das Sturzrisiko außer Acht zu lassen. „Um das Sturzrisiko zu minimieren, sind auch hier eine gute Diabetesschulung und die regelmäßige Untersuchung hinsichtlich diabetischer Folgeerkrankungen an erster Stelle zu nennen“, bestätigt Lechleitner. „Regelmäßige Bewegung, das Vermeiden eines diabetischen Fußsyndroms und entsprechende Schuhversorgung vermindern ebenfalls das Sturzrisiko.“ Die Internistin rät zu einer Reihe von Funktionstests, die insbesondere bei älteren Patienten angewendet werden können: „Geriatrisches Assessment mit Aufstehtest, Timed Get up & Go-Test, Mobilitätstest nach Tinetti – diese Überprüfungen sind wichtige Maßnahmen, um ein erhöhtes Sturz- und somit Verletzungsrisiko zu erfassen“, rät Lechleitner. Regelmäßige Untersuchungen der Füße sind zwingend erforderlich, um rechtzeitig den Faktoren gegenzusteuern, die die Mobilität einschränken. Die Patienten werden dazu angehalten, die Kontrolle der Füße nicht ausschließlich den medizinischen und pflegerischen Experten zu überlassen, sondern sie zu einem Teil ihres täglichen Körperpflegerituals zu machen. Die Fußpflege selbst gehört in die Hände von Fachpersonal, damit kleine Wunden nicht zum Problem werden und auf diese Weise die Bewegung einschränken. „Hinsichtlich der medikamentösen Therapie gilt ein Hauptaugenmerk dem Vermeiden von Unterzuckerungen. Bei Einnahme von Medikamenten zur Blutdrucksenkung muss eine Orthostase, die gestörte Regulation bei Lagewechsel, Berücksichtigung finden.“
Oberstes Ziel bleibt, Bewegungseinschränkungen so gut es geht und von Anfang an zu vermeiden. Im Idealfall stünden „Bewegungsberater“ zur Verfügung, wünscht sich Lechleitner. Wichtig seien jedenfalls die rechtzeitige diagnostische Erfassung von Komplikationen, die zu Mobilitätsstörungen führen, sowie die Beurteilung des Sturzrisikos. bw