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Mobbing am Arbeitsplatz – Kavaliersdelikt oder unzumutbares Verhalten mit Rechtsfolgen?

Empirische Untersuchungen belegen, dass es sich bei Mobbing am Arbeitsplatz um ein weit verbreitetes Problem mit erheblichen Folgen für die unmittelbar Betroffenen handelt, womit auch nachteilige Folgen für den Arbeitgeber etwa durch Krankenstände oder Ausscheiden von Mitarbeitern verbunden sind. Wie sind derartige Verhaltensweisen aber rechtlich zu sehen? Ist Mobbing verboten und wenn ja – was sind die Folgen und wie können sich Betroffene wehren?


Dr. Thomas Majoros

Sucht man nach einer einheitlichen Definition des Begriffs „Mobbing“, wird man enttäuscht. Es gibt die unterschiedlichsten Definitionen, wobei sich diese nur teilweise überschneiden. Eine auch heute noch sehr gebräuchliche Definition stammt vom deutsch-schwedischen Mobbingforscher Heinz Leymann (Der neue Mobbing-Bericht, 1995): „Unter Mobbing wird eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen verstanden, bei der die angegriffene Person unterlegen ist (1) und von einer oder einigen Personen systematisch, oft (2) und während längerer Zeit (3) mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis (4) direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet.“ Kennzeichnend sind somit die Systematik der Schikanen, die Häufigkeit und Dauer derselben sowie das Ziel bzw. der Effekt der Isolierung des Betroffenen.

Mobbing als Rechtsbegriff

In Österreich gibt es – wie in den meisten anderen Staaten in Europa auch – kein eigenes „Mobbing-Gesetz“ oder gesetzliche Bestimmungen, die den Begriff „Mobbing“ definieren oder entsprechende Rechtsfolgen daran knüpfen. Im öffentlichen Dienstrecht des Bundes (Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979) gibt es seit 1.1.2010 eine Bestimmung, die auf „Mobbing“ Bezug nimmt und den achtungsvollen Umgang miteinander ausdrücklich vorschreibt. Auch diese Bestimmung normiert jedoch keine Rechtsfolgen und definiert „Mobbing“ nicht. Verboten werden damit generell diskriminierende und die menschliche Würde verletzende Verhal-tensweisen. In Österreich findet der Begriff „Mobbing“ seit dem Jahr 1997 in der vorwiegend arbeitsrechtlichen Judikatur häufig Verwendung.

Rechtswidrigkeit von Mobbing

Bei Mobbing durch den Arbeitgeber sind zwei Varianten zu unterscheiden. Von „aktivem“ Mobbing durch den Arbeitgeber spricht man dann, wenn der Arbeitgeber selbst oder eine ihm direkt zurechenbare Person Mobbinghandlungen gegen einen Arbeitnehmer setzt. „Passives“ Mobbing durch den Arbeitgeber ist dann gegeben, wenn der Arbeitgeber es unterlässt, einem Arbeitnehmer, der durch einen Arbeitskollegen oder eine dritte Person gemobbt wird, beizustehen. In beiden Fällen verletzt der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsverhältnis. Setzt ein Arbeitnehmer gegenüber einem Arbeitskollegen Mobbinghandlungen, verletzt er dadurch jedenfalls seine Treuepflicht (Interessenwahrungspflicht) gegenüber seinem Arbeitgeber, da dessen Interessen dadurch beeinträchtigt werden.

Arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Arbeitgeber

Der Arbeitgeber ist aufgrund seiner Fürsorgepflicht angehalten, Mobbing abzustellen, um seine Arbeitnehmer vor entsprechenden Beeinträchtigungen zu bewahren. Dazu steht ihm grundsätzlich das gesamte „Instrumentarium“ arbeitsrechtlicher Sanktionen zur Verfügung. Er ist jedenfalls angehalten, den Sachverhalt aufzuklären und sodann geeignete Maßnahmen zu treffen, wobei dies je nach Schwere des Verstoßes bzw. der jeweiligen Umstände des Einzelfalles, wie etwa beteiligte Personen oder Ursachen und Auswirkungen der Belästigung, differenziert zu betrachten ist. In Betracht kommen dabei sowohl die Ermahnung und Verwarnung des „Täters“, dessen Versetzung, Kündigung als auch – in besonders schwerwiegenden Fällen – die Entlassung.

Arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Arbeitnehmer

Bei Mobbing durch einen anderen Arbeitnehmer bzw. den Arbeitgeber hat der betroffene Arbeitnehmer zunächst einen Anspruch auf Unterlassung derartiger Verhaltensweisen, der auch gerichtlich durchgesetzt werden könnte. Derartige Klagen sind jedoch von nur geringer praktischer Bedeutung. Dem Arbeitnehmer steht in gravierenden Fällen von „aktivem“ oder „passivem“ Mobbing durch den Arbeitgeber, die ein weiteres Erscheinen am Arbeitsplatz unzumutbar machen, auch das Recht zu, seine eigene Arbeitsleistung bei Anspruch auf Fortzahlung seines Entgeltes zu verweigern. Hier ist aber vieles strittig, sodass der Arbeitnehmer das Risiko trägt, entlassen zu werden, ganz abgesehen von der Schwierigkeit, „Mobbing“ nachzuweisen. In Betracht kommt auch ein gerechtfertigter vorzeitiger Austritt des Arbeitnehmers gemäß § 26 Angestelltengesetz (AngG). Die Rechtsfolge ist, dass das Dienstverhältnis sofort beendet wird, der Arbeitnehmer aber seine Entgeltansprüche für die Zeit der vom Arbeitgeber einzuhaltenden Kündigungsfrist ebenso behält wie den Anspruch auf Urlaubsersatzleistung, „Abfertigung alt“ und sonstige Ansprüche im Falle einer Arbeitgeberkündigung. Der Arbeitnehmer ist aber beweispflichtig für das Vorliegen eines Austrittsgrundes. Liegt die Pflichtwidrigkeit des Arbeitgebers darin, Mobbing von Arbeitskollegen schuldhaft nicht zu verhindern, ist überdies nachzuweisen, dass er vom Mobbinggeschehen Kenntnis erlangt hat und dennoch nichts getan hat.
Der Betriebsrat hat im Rahmen seiner im Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) geregelten Rechte als Belegschaftsorgan Möglichkeiten, an einer Prävention von Mobbing mitzuwirken bzw. bei aufgetretenen Fällen entsprechend zu intervenieren. Weiters können zwischen Betriebsrat und Betriebsinhaber Betriebsvereinbarungen zur Mobbingprävention und zur Konfliktlösung abgeschlossen werden.

„Mobbingtagebuch“ zur Beweisführung

Bei Mobbing kann es zu einer Schädigung des betroffenen Arbeitnehmers kommen. In der Praxis von Bedeutung sind hier vor allem Ansprüche wegen Schädigungen an der Gesundheit. Ersatz kann hier sowohl vom „aktiv“ mobbenden Arbeitskollegen bzw. Arbeitgeber als auch vom „passiv“ mobbenden Arbeitgeber gefordert werden.
Treten nämlich durch Mobbing psychische Beeinträchtigungen mit „Krankheitswert“ auf, kommt gemäß § 1325 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) ein Schadenersatzanspruch wegen Köperverletzung in Frage, was auch der Oberste Gerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahr 2011 ausdrücklich anerkannt hat (OGH 28.6.2011, 9 Ob A 132/10t.). Das dabei zunächst zu ersetzende Schmerzengeld wird anhand eines einzuholenden medizinischen Sachverständigengutachtens je nach „Schmerzperioden“ – gestaffelt in „leichte“, „mittelgradige“ und „starke“ Schmerzen – zuerkannt. Schwierigkeiten bereitet in der Praxis die Beweisführung hinsichtlich der schadensverursachenden Verhaltensweisen, also des Mobbingge-schehens, selbst. Neben den Aussagen von allfälligen Zeugen kann hier auch die Vorlage von detaillierten Aufzeichnungen („Mobbingtagebuch“) hilfreich sein. Gefordert werden kann weiters der Ersatz von Heilungskosten und Verdienstentgang bzw. sonstiger mit der Körperverletzung im Zusammenhang stehender Aufwendungen. Bei allen Schadenersatzklagen ist eine Verjährungsfrist von drei Jahren – gerechnet ab erstmaliger Erkennbarkeit von Schaden und Schädiger – zu beachten; bei Klagen gegen den Arbeitgeber auch allfällige im Kollektivvertrag oder Einzeldienstvertrag vereinbarte kürzere Verfallsfristen.

Autor:
Dr. Thomas Majoros
Rechtsanwalt, 1010 Wien
www.dmw-law.at