Mit dem Charme der Vergangenheit
Antiquitäten – ein magischer Begriff im Glanz vergangener Jahrhunderte. Altes und Modernes passen gut zusammen – wenn es nur Qualität hat.

Sitzgruppe von Joseph Maria Olbrich und Michael Niedermoser, 1898/99, Mahagoni, sehr gut erhaltene alte Restaurierung, Polsterung erneuert; Privatsammlung Wien. Foto: Beletage
Bei der Nachkriegsgeneration waren Antiquitäten sehr gefragt. Antiquitäten schmückten jahrzehntelang die heimischen Wohnzimmer, galten als exklusive Stücke, die sich nicht jeder leisten konnte. Ein 70-Jähriger lebt jedoch ein ganz anderes Kulturbild als ein 40-Jähriger. Prunk und Protz, das war gestern. Die neue Generation hat einen anderen Stil, schlichter, minimalistischer. „Auch der Einrichtungsstil mit Antiquitäten unterliegt der Mode. Waren in den 60er- und 70er-Jahren Maria-Theresia-Tabernakelschränke nicht wegzudenken, in den 80er- und 90er-Jahren Jugendstil en vogue, so beleben heute Designerstücke den Kunsthandel“, erläutert Ulrich Prinz, Experte für Möbel und dekorative Kunst im Dorotheum Wien.
40-Jährige kaufen heute moderne Kunst und Designermöbel. Ihnen ist es oft auch egal, wie alt die Stücke sind. Der stark gewandelte Geschmack einer jüngeren Generation hat seit einigen Jahren deutliche Spuren im Absatz von Antiquitäten hinterlassen. Interessant ist vielleicht ein repräsentatives Stück als Blickfang in der Wohnung der Aufsteigergeneration, dazu Kunstobjekte vor allem der jüngeren Epochen. Dadurch hat der Markt für Design des 20. und 21. Jahrhunderts einen enormen Aufschwung genommen. Gefragt ist Vintage Design von Möbeln, die junge Sammler vor allem deswegen schätzen, weil sie auf diese Weise eine solide und bezahlbare Anlage mit elegantem und zeitgemäßem Wohnen verbinden können.
Auf zur Schnäppchenjagd
Dieser Stilwechsel beim Einrichten lässt sich auch am ACC Antique Furniture Index des britischen Magazins „Antique Collecting“, dem einzigen existierenden Index für Antiquitäten, erkennen. Nach einem rasanten Anstieg sind die Preise eingebrochen. Der Handel mit angewandter Kunst und Antiquitäten hat das deutlich zu spüren bekommen. Bitter sind solche Zahlen für diejenigen, die unbedingt ihre Antiquitäten verkaufen wollen und dabei auf einen guten Gewinn gehofft haben. Für Käufer und Neueinsteiger sind diese Bedingungen geradezu paradiesisch. Zwar fehlt es für die Branche an exakten Zahlen, aber nach Schätzungen liegen die Preise vieler Antiquitäten heute im Schnitt um bis zu 40 Prozent unter den Preisen um die Jahrtausendwende. Trotzdem raten Experten Anlegern nicht vom Kauf ab. Entscheidend ist, dass Anleger auf einige wichtige Qualitätskriterien beim Kauf achten: Material, Zustand, Einzigartigkeit, Hersteller und Herkunft.
So ist ein Möbelstück, nur weil es alt ist, nicht gleichzeitig wertvoll. Zwar bezeichnet man Einrichtungsgegenstände, sobald sie älter als 100 Jahre sind, als Antiquität. Zum wertvollen Stück macht sie jedoch die Fertigung. „Hohe Qualität ist interessant. Hervorragende Stücke des Jugendstils erzielen noch immer sehr gute Preise, ,bürgerliche Ware‘ hingegen ist preisgünstig zu bekommen“, meint auch Jugendstilexperte Wolfgang Bauer von der Galerie Bel Etage. Er weiß, wovon er spricht, verkauft der Antiquitätenhändler doch manche Einzelstücke um sechsstellige Summen. Bei den Topstücken zählt neben dem Zustand vor allem die Geschichte – von wem und für wen sie hergestellt wurden, wer sie danach noch besessen hat. Dazu spielt auch die Marktfrische eine bedeutende Rolle: Je länger in einer Hand, desto besser, am besten ist es, wenn das Möbelstück seit Generationen in Privatbesitz war.
Eine möglichst lückenlose Provenienz ist ebenso wichtig wie die Voraussetzung, dass die Antiquität möglichst selten – am besten nie – bei einer oder mehreren Auktionen den Eigentümer gewechselt hat. Dem schließt sich auch Mag. Roswitha Holly, Expertin für Antiquitäten im Auktionshaus im Kinsky, an: „Qualität geht vor Quantität. Nach Hochwertigem wird gesucht, wie zum Beispiel Gläser von Kothgasser, die bei uns sehr gute Preise erzielen.“ Die ersteigerten Stücke werden auch ins tägliche Leben integriert. So meint etwa Holly: „Bei uns reicht die Käuferschicht von jungen Familien mit Kindern bis hin zu älteren situierten Menschen. Und das Silberbesteck wird zu feierlichen Anlässen sehr wohl verwendet.“ Bauer meint hingegen: „Unsere Klientel ist kaum unter 40 Jahre alt. Diese Menschen setzen sich mit Jugendstil auseinander und sind meist begeisterte Sammler.“
Die Investition in schöne Stücke ist mit viel Sachverstand und Aufwand verbunden. Der Markt für Antiquitäten ist nach wie vor etwas für Liebhaber. „Wiener Empire zum Beispiel hat einen sehr kleinen Sammlerkreis, nicht mehr als fünf Menschen vielleicht. Doch ist dieser Markt sehr emotional besetzt und an Geld fehlt es nicht. Da wird bei Auktionen oft auf die Ratio vergessen und ein rein emotional begründbarer Preis bezahlt. Meist fehlt es im Bereich hochwertiger Objekte eher am Angebot als an der Nachfrage“, erzählt Prinz aus seinem Erfahrungsschatz.
Als kurzfristige Wertanlage sind Antiquitäten nicht geeignet. Der Kauf kostet viel Geld, Händler oder Auktionshäuser erhalten eine Kommission, dazu kommen noch Mehrwertsteuer oder der Transport nach Hause.
Sorgfalt und Schutz
Das Sammeln und Besitzen von Antiquitäten ist nicht nur eine herrliche Leidenschaft, sondern auch eine verantwortungsvolle Aufgabe. Bei der Aufbewahrung und Präsentation dieser historischen Unikate schon präventiv einer Schadensbildung und somit einer eventuellen Wertminderung vorzubeugen, ist daher empfehlenswert. Einer der wichtigsten Faktoren der Qualitätserhaltung von Holzobjekten ist die Beobachtung und Regulierung des Raumklimas.
Aus massivem Holz gebaute Möbel und überfurnierte Massivhölzer leiden vor allem unter zu trockener Raumluft. Das Holz gibt seine Restfeuchte an die Umgebungsluft ab und schwindet in der Folge, wodurch sich Risse bilden, sich die Furniere lösen und Intarsien schließlich herausbrechen. Die Beobachtung des Raumklimas mittels digitalen Hygrometers und der Einsatz von Luftbefeuchtern sind probate Mittel, um derartigen irreversiblen Schäden vorzubeugen. Die wöchentlichen Sollwerte für Schwankungen der Feuchte wurden für Holz mit 55 bis 60 Prozent, für Metall mit 0 bis 40 Prozent relative Luftfeuchtigkeit (rLf) ermittelt. Auf unkontrolliertes Lüften sollte verzichtet werden, da dadurch trockene Luft in die Innenräume gelangt. Empfindliche Objekte sollten in besonders geschützten Zonen der Wohnung oder klimatisierten Vitrinen ausgestellt werden.
Mit künstlicher Beleuchtung sollte sparsam umgegangen werden. Durch direkte und indirekte Sonneneinstrahlung werden die Oberflächen von Schellack und Hölzern angegriffen. Die natürliche Farbe der Hölzer verblasst oder verändert sich durch die ultravioletten Anteile des Tageslichtes. Schellackpolituren, die ein Naturprodukt sind, bleichen aus bzw. vergilben derartig, dass schöne Marketerien oder die Maserung des Holzes unkenntlich werden, Flecken oder bleiche Stellen entstehen. Marketerien des 17. und 18. Jahrhunderts wurden mit lichtempfindlichen Pflanzenstoffen gefärbt und sind durch Ausbleichen ihrer zum Teil kräftigen Farben beraubt. Bei direkter Sonneneinstrahlung auf Möbeln können mitunter hohe Temperaturen entstehen, die zu Rissbildung und Furnierablösung führen. Jalousien und Vorhänge sind ein guter Schutz vor Lichteinwirkung, aber auch bei der Auswahl des Standortes des Möbels im Zimmer sollte der Lichteinfall berücksichtigt werden.
Geschlossene Fensterläden bei Abwesenheit schützen nicht nur gegen ungebetene Besucher, sondern komplett gegen Licht. Immer wieder auftretendes Spritzwasser sowie länger anhaltende Feuchtigkeitseinwirkung, wie etwa Blumenvasen, Blumentöpfe und Kondenswasser unter warmen Gefäßen führen zum Aufquellen der Furnierschicht und der darunter liegende Knochenleim löst sich. Einzelne Furnierstücke lösen sich ab und wenn einmal diese verloren sind, ist damit auch ein Stück Originalität verloren.
Auf enorme Wertsteigerungen sollten Einsteiger ebenfalls besser nicht spekulieren. Zu wechselhaft sind die Moden am Kunstmarkt, zu unkalkulierbar die Geschmäcker. Wer jetzt kauft, kann sich aber Hoffnung machen, irgendwann in ferner Zukunft zu den Pionieren einer neuen Stilrichtung zu zählen. Kenner kombinieren nämlich mittlerweile gerne bei der Wohnungseinrichtung eine Antiquität mit mehreren modernen Möbelstücken – „Crossover“ heißt das im Fachjargon. Eine Idee, die dem Geschäft mit den alten Möbeln in Zukunft vielleicht doch wieder neuen Elan verleihen könnte.
Tipps
- Entwickeln Sie ein Gespür für den Preis. Einfache Grundregeln für die Preise von Antiquitäten gibt es nicht. Ein höheres Alter eines Stückes rechtfertigt nicht automatisch einen höheren Preis. Vergleichen Sie. Wertvolle Hilfe bieten Preisdatenbanken wie zum Beispiel das Portal lot-tissimo.com.
- Beim Händler oder im Auktionshaus kaufen? Beim Händler liegen die Preise in der Regel über den Preisen, die ein vergleichbares Stück bei einer Auktion erzielt. Ist das Auktionshaus also erste Wahl? Nein. Denn die Händler restaurieren die antiken Möbel, das Auktionshaus dagegen nicht – dies rechtfertigt den Preisunterschied. Zudem dürfen Käufer nicht vergessen: Erhalten sie den Zuschlag bei einer Auktion, ist das noch nicht der endgültige Preis. Zusätzlich müssen sie ein sogenanntes Aufgeld an das Auktionshaus zahlen.
- Vorsicht vor Fälschungen: Nicht zuletzt durch den Antiquitätenboom in den 1960er- und 1970er-Jahren werden alte Möbel angeboten, die in großen Teilen oder sogar ganz gefälscht sind. Ein kurioses Beispiel aus der Praxis: Ein wuchtiger Eckschrank im Stil der Zeit der englischen Queen Victoria (1819-1901) wurde zerlegt. Die Fälscher bauten aus dem Material drei handliche Möbel. Diese sind aus altem Holz, aber es sind eben keine Originale.
- Verlangen sie vor dem Kauf einen Provenienz-Nachweis. Der gibt Auskunft über die Herkunft der Antiquität. Dazu gehören Informationen über den Namen des Tischlers und den bisherigen Aufbewahrungsort des Möbelstücks. Lassen Sie sich die Richtigkeit der Angaben schriftlich bestätigen.