Mehr Qualität & Praxis in der Ärzteausbildung
Ärztekammer und Gesundheitsministerium haben sich in seltener Harmonie auf Verbesserungen in der Ärzteausbildung verständigt. Wo es in den Verhandlungen aber immer noch hakt, ist die Finanzierung der Lehrpraxen.
Es muss sich manches ändern in der Ärzteausbildung. Darüber jedenfalls sind sich Ärztekammer, Gesundheitsministerium, Länder, Sozialversicherung und MedUni-Vertreter in ihren Verhandlungen sehr rasch einig geworden – mehr noch, es wurden im Rahmen der Reformgespräche eine Reihe, zum Teil weitreichende Veränderungen beschlossen. Bereits mit Anfang 2014 sollen sie auch umgesetzt werden. Noch ist aber nicht alles eitel Wonne. Denn obwohl auch über die prinzipielle Sinnhaftigkeit von Lehrpraxen in der Ausbildung zukünftiger Allgemeinmediziner weitgehend Konsens herrscht, spießt es sich – wie so oft – in den wesentlichen Details, bei der Finanzierung zum Beispiel.
Aber der Reihe nach: Deklariertes Ziel der Reformbemühungen ist es, die Ausbildung insgesamt praxisorientierter, aber auch attraktiver zu machen, um die europaweit immer begehrter werdenden Jungärzte einerseits im Land zu halten und sie andererseits auch vermehrt aus den Spitälern der Großstädte in die Landpraxen zu bekommen. Österreich hat zwar laut aktuellem OECD-Bericht zur Situation der europäischen Gesundheitsversorgung noch immer eine der höchsten Ärztedichten Europas, dennoch gibt es auch hierzulande erste Anzeichen eines drohenden Ärztemangels. Das trifft neben einzelnen Facharztgebieten in besonderem Maße auf die Allgemeinmediziner zu, vor allem, was die ländlichen Praxen betrifft – ein Trend, der übrigens in weiten Teilen Europas zu beobachten ist. Die OECD spricht in ihrem Bericht von einer „fehlenden Attraktivität des traditionellen Berufes eines Hausarztes“ und weist auch immer größer werdende Einkommensunterschiede zwischen Allgemeinärzten und Fachärzten nach.
Neben besseren beruflichen Rahmenbedingungen, etwa bezüglich Dienstzeiten, Flexibilität und rechtlichen Voraussetzungen, drängt die Ärztevertretung schon seit Langem auf massive Verbesserungen in der derzeitigen Ausbildung, vor allem auch im Bereich der Turnusärzte. „Zu oft werden derzeit die Turnusärzte im Krankenhaus als billige Systemerhalter missbraucht“, schreibt etwa der Präsident der Ärztekammer für Wien, Prof. Dr. Thomas Szekeres in seinem Blog „Plädoyer für Qualität und einen neuen Turnus“. Derzeit würden Turnusärzte hauptsächlich Routinearbeiten von Blutdruckmessungen bis Injektionen erfüllen, allesamt Tätigkeiten, die auch das Pflegepersonal erfüllen könnte: „Langjährig ausgebildete Mediziner nicht adäquat einzusetzen, sondern für Routinetätigkeiten und administrative Hilfstätigkeiten zu verwenden, macht aus unserer Sicht keinen Sinn.“
Konsens: Basisausbildung
Vor diesem Hintergrund hatte sich die Ausbildungskommission zum Ziel gesetzt, die heimische Medizinerausbildung „insgesamt besser, europäisch vergleichbar, aber auch umsetzbar“ zu machen. Peter Niedermoser, Präsident der Ärztekammer für OÖ, Stellvertretender Vorsitzender des Bildungsausschusses der Österreichischen Ärztekammer und Präsident des wissenschaftlichen Beirats der Akademie der Ärzte, betont das „konstruktive Gesprächsklima – auch in den Wirren einer sogenannten Gesundheitsreform“ zwischen den Verhandlungspartnern, wodurch in vielen Bereichen bereits gemeinsame Lösungen erzielt werden konnten.
Der Plan sieht nicht nur einen Ausbau des Praxisbezugs in der universitären Ausbildung selbst vor, sondern anschließend auch eine neunmonatige klinische Basisausbildung inklusive integrativer notfallmedizinischer Ausbildung für alle Jungmediziner, egal ob sie in Richtung Facharzt oder Allgemeinarzt gehen. „Diese gemeinsame Basisausbildung orientiert sich an den 15 häufigsten Krankheiten laut WHO“, erklärt Dr. Silvia Türk, Leiterin der Abteilung für Qualitätsmanagement und Gesundheitssystemforschung im Gesundheitsministerium: „Erst danach muss die Entscheidung über den weiteren Ausbildungsweg erfolgen, entweder für eine Facharztausbildung oder eine Ausbildung zum Allgemeinmediziner.“
Die weiterführende Facharztausbildung gliedert sich dann in eine fachspezifische Basiskompetenz und eine modulare Ausbildung. „Basiskompetenz bedeutet die Fähigkeit“, definiert es Niedermoser, „in einem Standardkrankenhaus qualitativ gute Medizin zu machen, selbstständig Nachtdienste zu absolvieren und auch in der Niederlassung Topqualität bieten zu können.“ Darüber hinaus sind Spezialisierungen innerhalb der jeweiligen Sonderfächer in Form von Modulen – maximal sieben Module je Sonderfach, aus welchen der Auszubildende drei Module wählen kann – ebenso vorgesehen wie eine Rotation zwischen Krankenhäusern verschiedener Versorgungsstrukturen. Die jeweiligen Ausbildungsinhalte (Rasterzeugnisse) werden zwischen Ärztekammer und den wissenschaftlichen Gesellschaften neu gestaltet. Im Zuge dieser Neugestaltung soll die Zahl der Sonder- und Additivfächer „auf einen internationalen Stand“ gebracht werden, wie es Türk formuliert.
Neun Monate klinische Basisausbildung plus fachspezifische Grundkompetenz plus drei Module: Das soll in Summe einen fertigen Facharzt mit einer Ausbildungsdauer von 72 Monaten ergeben. Eine signifikante Verbesserung zum Status quo, wie Niedermoser betont: „ Der Vorteil ist ein sofortiger Einstieg in die Facharztausbildung nach der Uni. Die Ausbildung ist verkürzt und realitätsbezogen, weil es keine überbordenden und unerfüllbaren Curricula mehr gibt.“ Derzeit benötigen Fachärzte übrigens noch zwölf Jahre Ausbildung bis sie eigenverantwortlich behandeln dürfen.
Dissens: Lehrpraxen
Auch bei der Konzeption der zukünftigen Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin gab es durchaus konstruktive Gespräche innerhalb der Ausbildungskommission. So soll der Allgemeinmediziner inhaltlich aufgewertet werden, indem umfassendere und neue Inhalte vermittelt werden, sagt Türk: „Vor allem im Bereich der psychischen Gesundheit, Orthopädie und den dafür vorgesehenen Wahlfächern wie Augenheilkunde und Optometrie, Anästhesie und Intensivmedizin, Orthopädie und orthopädische Chirurgie sowie Urologie.“
Auch Niedermoser bestätigt inhaltliche Fortschritte, um aber einzuschränken: „Wir wären uns auch hier fast einig, wenn es nicht unterschiedliche Ausfassungen über die Lehrpraxis gäbe.“ Das Ministerium bietet für die Lehrpraxis bei niedergelassenen Ärzten derzeit sechs Monate Ausbildungszeit an, die Ärztekammer fordert eine staatliche Finanzierung für zwölf Monate, weil dies „ein Mindestmaß für die notwendige Ausbildungsqualität“ sei, wie Niedermoser betont: „Zwölf Monate sind in den meisten europäischen Staaten üblich, mit sechs Monaten wären wir noch hinter Albanien.“
Insgesamt klafft daher im Moment eine Finanzierungslücke von rund elf Millionen Euro pro Jahr. „Eine Summe, die für eine gute Ausbildung eigentlich da sein sollte“, sagt Niedermoser und sieht die Hauptschuld beim Hauptverband und den Ländern, die „als Mitzahler wenig Lust zu haben scheinen“.
Mehr Praxis, weniger Bürokratie
Auch für Szekeres, der für die Ausbildung zum Allgemeinmediziner „mehr Praxis, weniger Bürokratie, mehr Anerkennung“ fordert, ist die Haltung der Politik nicht nachvollziehbar: „Um unser hohes Niveau der medizinischen Versorgung halten zu können, sind gut ausgebildete Ärzte notwendig.“
Im Krankenhaus alleine könnten aber nicht alle Inhalte und Tools erworben werden, die niedergelassene Ärzte später in ihrem Beruf benötigen: „Wenn man später als Hausarzt arbeiten möchte, ist es notwendig, eine Ausbildung dort zu erfahren, wo man auch tätig werden möchte. Wenn jemand in der Praxis lernt, was er später in seinem Berufsalltag benötigt und nicht nur Hilfstätigkeiten oder Schreibarbeiten macht, so ist das richtig und notwendig.“
Und gerade Hausärzte sollen ja eine Schlüsselrolle in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung spielen. Das jedenfalls sieht die Gesundheitsreform vor. vw