Medizinische Hypnose in der Schmerztherapie
Hypnose ist eines der ältesten ganzheitlichen Heilmittel. Vielfältig wird sie heutzutage in Medizin, Zahnmedizin und in der Psychotherapie eingesetzt.
Ob bei Angst vor Injektionen, vor Operationen sowie in der Radiologie – bei diagnostischen invasiven Untersuchungen kann durch verbale und nonverbale Suggestionen rasch eine positive Arzt-Patienten-Beziehung und damit Compliance hergestellt werden. Verbale und nonverbale Interventionen werden dabei gezielt zur Angstminderung, Beruhigung und Entspannung eingesetzt. Schmerzkontrolle ist ein weiteres großes Einsatzgebiet, sowohl für akute als auch chronische Schmerzzustände.
Wirksames therapeutisches Verfahren
Hypnose ist ein äußerst effizientes Therapieverfahren, bei dem die Selbstheilungskräfte mobilisiert werden. Die Aufmerksamkeit wird fokussiert und so eine Trance hergestellt. „In diesem Zustand sind die Patienten für positive Suggestionen besonders empfänglich“, erklärt Dr. Nidal Moughrabi vom Institut für medizinische Hypnose und Meditationscoaching in Wien. Der Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin setzt erfolgreich auf die medizinische Hypnose, nicht nur in der Schmerztherapie, sondern auch bei Themen wie Gewichtsreduktion oder Rauch-Stopp. „Den Zustand einer Trance kennen die meisten von uns aus dem Alltag, etwa wenn beim Hören von angenehmer Musik das Geschehen um uns herum ausgeblendet werden kann. Eben dieses ‚Ausblenden’ der Welt ist ‚Fokussierung der Aufmerksamkeit’. Patienten können Selbsthypnose erlernen und anwenden“, ist der Mediziner überzeugt.
Gleichzeitig ist dem Experten bewusst, dass das Image der Hypnose – abseits der Medizin – nicht zum besten steht und viel Aufklärung erforderlich ist, denn viele Menschen verbinden Hypnose mit negativer Manipulation. „Selbst ernannte Magier auf Showbühnen bringen Menschen dazu, sich öffentlich der Lächerlichkeit preiszugeben. Dieser Missbrauch eines therapeutischen Verfahrens bringt die Hypnose leider immer wieder in Misskredit. Hypnose durch entsprechend geschultes Fachpersonal ist ungefährlich, aber höchst wirksam“, erklärt Moughrabi.
Wissenschaftliche Erkenntnisse
Viele wissenschaftliche Studien konnten die positive Beeinflussung von vegetativen Funktionen, wie Herzfrequenz, Blutdruck, Durchblutung und Thermoregulation, durch die Anwendung von Hypnose eindrucksvoll aufzeigen. Sogar funktionelle Veränderungen in verschiedenen Hirnarealen während Hypnose wurden mittels EEG (Elektro-Encephalografie) gut dokumentiert: verstärkte Alpha-Wellen-Aktivität wie in Ruhephasen und bei tiefer Entspannung und verstärkte Theta-Wellen-Aktivität ähnlich wie bei Meditation und in REM-Phasen des Schlafes. In der PET (Positronen-Emissions-Tomografie) und in der fMRT (funktionelle Magnetresonanztomografie) zeigen sich deutliche Veränderungen der Gehirn-Durchblutung.
Hypnoseanwendungen in der Schmerztherapie
In der chronischen Schmerztherapie nimmt die Hypnose zunehmend einen Platz innerhalb eines multimodalen therapeutischen Konzeptes ein. Sie wird also zusätzlich zur medikamentösen Basistherapie eingesetzt. Eine Metaanalyse von Bongartz 1999 zeigt eine Steigerung der Erfolgsquote in der Schmerztherapie von 35 % auf 65 % durch den zusätzlichen Einsatz von Hypnose.
Hypnose wirkt in der Schmerztherapie vielfältig auf verschiedenen Ebenen: Chronische Schmerzen sind sehr häufig mit nervaler und muskulärer Anspannung verbunden. Bloße Entspannung kann hier bereits Linderung bringen. „Viele Menschen haben regelrecht vergessen, wie sich ein Leben ohne Schmerzen anfühlt. Unbewusste Suchprozesse im Unterbewussten erinnern an ein natürliches Körper- und Lebensgefühl und können Wege zu neuen Lösungen aufzeigen“, gibt der Mediziner Einblick und ergänzt: „Die Welt, so wie wir sie wahrnehmen, erleben wir über innere Bilder, die wir uns unbewusst von ihr machen. Diese Bilder können in Hypnose bearbeitet oder durch neue Bilder überlagert werden. Der ‚brennende Schmerz’ wird mit Wasser gelöscht, dem ‚stechenden Schmerz’ wird die Klinge abgestumpft, der ‚drückende Schmerz’ erhält mehr Raum. Diese Vorgänge finden weitgehend im Unterbewussten statt.“
Chronische Schmerzen sind meistens ein Ergebnis von lange im Nervensystem eingeprägten Mustern. Frühkindliche, schon lange verdrängte Angstzustände oder der Bedarf nach Zuwendung beispielsweise haben sich im Laufe der Jahre als neuronale Muster in das Nervensystem eingefahren. Diese Abläufe im Nervensystem äußern sich sowohl in typischen Verhaltensweisen wie auch in vielfältigen körperlichen Symptomen – nicht nur als Schmerzen. „Die Möglichkeit zur Reorganisation dieser neuronalen Muster und damit die Ent-Automatisierung ist das Ziel. Hier greift das ‚Body-Mind-Deprogramming, BMDe®, wo unter anderem ausgewählte Techniken aus dem Bereich der Hypnose ihren fixen Platz haben“, beschreibt Moughrabi. rh
Nachgefragt bei ...
... Dr. Nidal Moughrabi vom Institut für medizinische Hypnose und Meditationscoaching, www.hypnomed.cc
Ist Hypnose gefährlich?
Nein. Bei korrekter und seriöser Anwendung durch Fachpersonal handelt es sich um eine ungefährliche Methode. Bei Showhypnosen auf der Bühne kann das mitunter anders sein. Hier geht es nicht um Heilung, sondern um einen möglichst großen Showeffekt.
Ist der Trancezustand eine Form der Willenlosigkeit?
Definitiv nein! In Hypnose bleiben der eigene Wille und die Handlungsfähigkeit bestehen. Die Sitzungen finden in einer vertrauensvollen und geschützten Atmosphäre statt. In der Trance kommt es zu einer Fokussierung der Aufmerksamkeit. Diese ist vergleichbar mit dem „Narrenkastl-Schauen“ oder dem intensiven Hören schöner Musik, bei dem man kurzzeitig die Umgebung „vergisst“.
Kann jeder Patienten hypnotisiert werden?
Es sind geschätze 90 % der Bevölkerung durchschnittlich bis gut hypnotisierbar. Doch am wichtigsten ist die Bereitschaft des Klienten zur Mitarbeit, der Therapeut kreiert lediglich ein Feld, in dem Heilung ermöglicht wird. Und eines zum Abschluss: Hypnose ist nicht nur äußerst effektiv, sondern kann auch Spaß machen.
Ausgewählte Hypnoseanwendungen
- Schmerztherapie (Migräne, Schmerzen des Bewegungsapparats, Unterleibsschmerzen, Neuralgien, postoperativer Schmerz, ...)
- Gewichtsabnahme
- Raucherentwöhnung
- Diverse Erkrankungen wie Reizdarmsyndrom, Tinnitus, Hauterkrankungen
- Funktionelle Störungen: Angstzustände, Schlafstörungen, sexuelle Störungen
- Zahnmedizin: Schmerzlinderung/-ausschaltung, Angstzustände, Würgereizkontrolle
- Burnout-Prophylaxe
- Persönlichkeitsentwicklung