Manu factum est
In der Uhrenszene gilt die Bezeichnung Manufaktur als Qualitätsgarant und als erstrebenswertes Gütesiegel. Doch wie ist das beim Schmuck? Auch hier gilt: Je mehr Handarbeit drinsteckt und je mehr Design-Kompetenz und Know-how im eigenen Haus von Generation zu Generation weitergegeben wird, desto exklusiver der Schmuck.
Zu den ganz großen Ikonen der Schmuckgestaltung und Fertigung gehören selbstverständlich die Häuser Cartier und Chopard. Bevor hier auch nur ein Stein gesetzt werden darf, tüftelt ein Team von kompetenten Schmuckdesignern und Goldschmieden oft monatelang am perfekten Entwurf. Von der richtigen Materialkomposition über die Auswahl der passenden Edelsteine bis hin zu den unverwechselbaren Gestaltungsmerkmalen der jeweiligen Kollektion, die natürlich erkennbar sein müssen – in einer echten Schmuckmanufaktur ähnelt die Entstehung eines Schmuckstückes der Inszenierung eines Theaterstücks: Nichts wird dem Zufall überlassen, bis am Ende ein perfektes Kunstwerk das Dekolleté, den Arm, das Ohr oder den Finger der glücklichen Besitzerin ziert.
Berühmte Schmuck-Familien
Bei Chopard ist die Co-Präsidentin zugleich Kreativdirektorin. Caroline Scheufele wurde die Liebe zu edlen Pretiosen quasi in die Wiege gelegt. „Bereits als kleines Mädchen war ich fasziniert von den Schmuckateliers und beobachtete begeistert die Goldschmiede und Steinfasser“, erinnert sie sich. „Es machte mir großen Spaß, nach der Schule Schmuckuhren und Juwelen zu zeichnen und dann aus kunterbunten Materialien zu basteln. Heute erfüllt es mich mit Stolz und Respekt, zusammen mit meinem Bruder an der Spitze unseres Familienunternehmens zu stehen und das Lebenswerk unserer Eltern weiterzuführen.“ Diese Liebe und Begeisterung sieht man den Schmuckstücken auch an. Nicht umsonst zählt Chopard zu den beliebtesten Ausstattern der Stars, ob in Cannes, bei den Oscars oder auf den Opernbühnen rund um den Globus.
Auf die Frage nach den größten Herausforderungen der Schmuckfertigung erklärt Scheufele: „Bei der Entstehung eines Juwels muss in allen Etappen auf größte Perfektion geachtet werden. Als eine von wenigen Manufakturen schmelzen wir auf Basis von Feingoldbarren sogar unsere eigenen 18 Karat Goldlegierungen.“ Auch die Auswahl der passenden Steine übernimmt sie oft persönlich. Die Kunst der Steinfasser liegt darin, in Hunderten von Arbeitsstunden kleinste Steine unter dem Mikroskop so in das Gold einzufassen, dass eine glatte Oberfläche entsteht. „Wie in der Haute Couture muss auch bei den Haute Joaillerie Preziosen höchster Tragekomfort gewährleistet sein – ein Collier muss perfekt am Hals sitzen, Ohrhänger dürfen nicht zu schwer sein“, beschreibt Caroline Scheufele die eigenen Ansprüche. „In unseren Ateliers entstehen die Juwelen nicht nur auf dem Zeichenbrett, sie werden auch in allen Fertigungsstufen anprobiert und auf ihre Tragbarkeit getestet.“
Sanft wie Seide
Eine weitere exklusive Schmuckmanufaktur, die heuer übrigens ihr 120-jähriges Bestehen feiern darf, ist das Familienunternehmen Wellendorff. Der Marke mit Sitz in Pforzheim ist es im Laufe der letzten Jahrzehnte gelungen, gleich zwei ikonische Produkte zu entwickeln, die unverwechselbar für den Namen Wellendorff stehen: Den in sich drehbaren, kunstvoll emaillierten Ring und das aus unzähligen feinen Goldfäden gedrehte Collier – die berühmte Wellendorff-Kordel. Für ihre Entstehung verantwortlich ist Hanspeter Wellendorff: Seine Frau Eva hatte als Kind die schweren Samtvorhänge ihrer Großmutter bewundert, die mit Seidenkordeln versehen waren. Sie liebte das Gefühl, diese Kordeln durch ihre Hände gleiten zu lassen. Später wünschte sie sich von ihrem Mann ein Collier, das sich ebenso seidig und anschmiegsam anfühlen sollte. Nach zwei Jahren Forschungsarbeit entstand so die Wellendorff-Kordel, die in den letzten drei Jahrzehnten zu einem Wahrzeichen der Marke geworden ist.
Die Herstellung dieser Kostbarkeiten ist wirklich sehenswert. In akribischer Handarbeit werden aus hauchdünnem, 18-karätigem Golddraht winzige Spiralen gedreht und miteinander verwoben. Im Inneren jedes einzelnen Stranges einer Wellendorff-Kordel befindet sich eine Seele aus 18-karätigem Gold, die für die Stabilität und gleichzeitig für die unverwechselbare Flexibilität verantwortlich ist. Für ein Collier mittlerer Größe gehen etwa 160 Meter Golddraht durch die Hände des Goldschmieds. Dieses Maß entspricht der Länge von zwei Fußballfeldern – unvorstellbar, welch filigraner Halsschmuck aus dieser Menge an Material entsteht.
Das Ergebnis ist samtweiches Gold, das matt schimmert und inzwischen in zahlreichen Varianten zu bewundern ist. Die Wellendorff-Kordel zählt zu jenen Juwelen, die man unbedingt auf der eigenen Haut spüren muss, um ihre Besonderheit zu erfassen – zum Beispiel beim Schmuckspezialisten Juwelier Heldwein und seit einem Jahr auch in der eigenen Wellendorff-Boutique – beides Am Graben in Wien. In den Bundesländern erlauben die Juweliere Nadler (Salzburg), Präg (Dornbirn) und Hübner (Linz) ihren Kunden, diese Handwerkskunst von Wellendorff im wahrsten Sinne des Wortes zu erfassen.