Lösungen „15 nach 12“?
Der Verband der leitenden Krankenhausärzte Österreichs will sich unter seinem Präsidenten Dr. Otto Traindl noch stärker als bisher aktiv in die gesundheitspolitischen Diskussionen und Entscheidungsprozesse einbringen.
Eine der wichtigsten Aufgaben für Krankenhausärzte in der Vergangenheit war die Qualitätssicherung der Leistungen: eine optimale Diagnose und Therapie sowie die Patientenversorgung mit einem Team aus Turnusärzten, Assistenzärzten, Oberärzten und den nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen. „Seit einigen Monaten scheint mir aber diese primäre Aufgabe des Patientenmanagements gefährdet zu sein. Die Situation der Ärzte, vor allem die hohe Arbeitsbelastung, ist nicht neu, sondern hat sich schon vor rund acht Jahren dramatisch abgezeichnet“, bestätigt Prim. Univ.-Doz. Dr. Otto Traindl, Präsident des Vereins leitender Krankenhausärzte (VLKÖ) und erklärt: „Die Universitäten haben seither rund 40 % weniger junge Mediziner in Ausbildung. Wenn man dazu noch einen Anteil von rund 25 % ausländischen Studierenden miteinbezieht, so hat sich die Zahl potenzieller Absolventen also mehr als halbiert.“
Sichtbar geworden ist diese Entwicklung auch auf den Wartelisten: Waren früher lange Wartezeiten für Turnusplätze in Kauf zu nehmen, so ist die Liste seit etwa einem Jahr in allen Bundesländern, sogar in der Bundeshauptstadt, leer. Es war absehbar, dass die Listen abgebaut werden und es war auch absehbar, in welcher Größenordnung sich der Ärztemangel entwickeln wird.
„Während in den Jahren 2008 und 2009 noch in Wien, Niederösterreich und im Burgenland rund 4.000 Ärzte auf der Warteliste für einen Ausbildungsplatz standen, waren es 2014 null.“
Prim. Univ.-Doz. Dr. Otto Traindl
Patientenversorgung gefährdet
Österreich hat sich sehr spät an die EU-Arbeitszeitregeln für Spitalsärzte angepasst. Niederösterreich war vor drei Jahren hier einer der Vorreiter, andere Bundesländer ließen sich bis zum Jahresbeginn 2015 Zeit dafür. „Wenn Ärzte bis zuletzt noch 60 Wochenstunden arbeiten mussten und diese Zeit jetzt auf 48 Stunden reduziert wird, so braucht man nur wenig mathematische Kenntnisse, um festzustellen, dass wir bei gleichbleibendem oder sogar sinkendem Personalstand und gleichzeitig weniger anwesender „Ärztezeit“ im Spital einfach zu wenige Kapazitäten haben, um die Patientenversorgung in der bisherigen Form aufrechtzuerhalten“, fasst Traindl die Lage zusammen.
Wenig verwunderlich ist also die Tatsache, dass es zu einer dramatischen Zuspitzung der Situation gekommen ist: Zum Teil können Nachtdiensträder nicht mehr bespielt werden, Ambulanzen müssen geschlossen werden und einzelne Krankenhäuser müssen Operationen verschieben oder absagen.
„Wir sind keine politische Organisation, dennoch wollen wir über Information und Meinungsbildung auf den Versorgungsengpass hinweisen.“
Prim. Univ.-Doz. Dr. Otto Traindl
Strukturelle Schwächen
Der VLKÖ ist eine interdisziplinäre, freiwillige Interessensvertretung mit rund 300 Mitgliedern. 98 Prozent davon sind Primarärzte, das entspricht rund einem Fünftel aller Primarärzte Österreichs. Lag der Fokus der VLKÖ-Aktivitäten bisher vor allem auf einer starken Interessensvertretung innerhalb der Ärzteschaft und gegenüber den Spitalserhaltern, so will man sich nun verstärkt auch in die politischen Entscheidungsprozesse einschalten.
„Zu tun gäbe es da jedenfalls genug“, ist Traindl überzeugt, „Wie die Proteste der letzten Tage zeigen, ist das AKH nur die exponierte Spitze eines Eisberges. Einzelfall ist es sicher keiner. Die gleichen Symptome werden auch in vielen anderen Häusern sichtbar. Die Schwächen entstehen aus strukturellen Schwächen im Gesundheitswesen an sich.“
Immer stärkere Kostenbeschränkungen führen zu einem Ressourcenmangel, der sich trotz großer Leistungsbereitschaft aller Beteiligten immer weniger kaschieren lässt. „Das passiert, wenn die Ärzte im Allgemeinen und die leitenden Ärzte im Speziellen nicht oder nur unzureichend in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Es gibt immer noch eine Reihe von Einsparmöglichkeiten innerhalb der Spitalsstrukturen, etwa bei Organisationsoptimierungen oder durch zentrale Einkaufskooperationen. Gerade die leitenden Ärzte wissen sehr genau, wo in ihren Abteilungen sinnvoll gespart werden kann, ohne dass die Patienten darunter leiden. Man muss sie aber auch fragen“, fordert der Präsident.
Klares Commitment gefordert
Allen politischen Entscheidungsträgern müsse aber auch klar sein, dass die medizinischen Leistungen nicht mehr werden können, wenn die Ressourcen nicht mehr werden, ist Traindl überzeugt und fordert von der Politik ein klares Commitment: „Was wir uns in Zukunft medizinisch leisten wollen, ist eine rein politische Fragestellung. Wollen wir weiterhin ein soziales Gesundheitssystem, wo jedem alles offen steht, dann muss ausreichend Geld in das System fließen.“ Dabei habe aber natürlich immer der Grundsatz zu gelten, die Abläufe möglichst effizient und damit kostengünstig zu gestalten und mögliche Synergien zu heben. Hier könnten die leitenden Ärzte nicht nur mit ihrer medizinischen Expertise, sondern auch als erfahrene, kompetente Führungskräfte viel Know-how einbringen. Insgesamt wünscht sich der VLKÖ-Präsident von der Politik, dass „die Gesundheitsagenden einen höheren Stellenwert bekommen, als es derzeit der Fall ist. Im jüngsten Regierungsprogramm finden sich dazu gerade einmal ein paar dürre Seiten. Die Aufrechterhaltung eines funktionierenden Systems ist kein Selbstläufer. Dazu braucht es noch deutlich größere Anstrengungen als bisher. rh
„Es muss der politische Wille da sein, dass wir gute Ärzte und eine hochwertige Versorgung haben wollen. Daher ist es mir als Präsident des VLKÖ wichtig, hiermit gemeinsam mit ÄrzteEXKLUSIV eine Serie zu starten, in der wir unsere Anliegen der interessierten Fachöffentlichkeit transportieren und offen, fair und transparent diskutieren können.“
Prim. Univ.-Doz. Dr. Otto Traindl
Prim. Univ.-Doz. Dr. Otto Traindl
Kurz & bündig
Für ein Medizinstudium habe ich mich entschieden, weil ... ich das immer machen wollte.
Die Position des Ärztlichen Direktors heißt für mich, ... Verantwortung für die medizinische Versorgung einer Region und für die Qualität des gesamten Krankenhauses zu haben.
Verbandspolitisches Engagement ist wichtig, weil ... es notwendig geworden ist, auf die brennenden Probleme an der Basis des Gesundheitssystems hinzuweisen.
Patientensicherheit und Fehlermanagement bedeuten ... einen ständigen Lernprozess.
Qualität in der Medizin heißt ... die bestmögliche Versorgung der Patienten zu einem vernünftigen Preis und gleichzeitig kontinuierliche Weiterbildung.
Für die medizinische Ausbildung in Österreich wünsche ich mir ... mehr Engagement aller Beteiligten, damit wir ausreichende Ressourcen zur Verfügung bekommen.
Den Ausgleich für meine Arbeit finde ich ... beim Lesen und bei kulturellen Events.
Frage & Antwort
Der VLKÖ fordert, Arbeitszeitmodelle vernünftig zu gestalten. Wie kann das in der Praxis aussehen?
Das ist die wohl größte Herausforderung, weil die herkömmlichen Modelle mit den klinischen Notwendigkeiten nicht kompatibel sind. Da braucht es völlig neue Denkansätze, die davon weggehen, dass es eine Kernarbeitszeit gibt und dann verlängerte Dienste mit Nacht- und Wochenendschichten. Es gibt durchaus Ideen, Dienste in 6-, 12- oder 25-Stunden-Blöcke zu teilen. Nachteil ist, dass man öfter zum Spital fahren muss, wenn man mehr kürzere Dienste hat. Der Vorteil ist, dass gerade in Bereichen mit sehr hoher Belastung, wie etwa in der Notaufnahme oder Unfallabteilung, 25 Stunden schon oft das absolute Maximum sein können. Ich denke, das erfordert eine Betrachtung der Aufgaben und den Blick auf die Gesamtversorgung. Nicht alle Modelle machen in allen Abteilungen gleich gut Sinn. Hier wäre es besonders wichtig, die leitenden Ärzte einzubeziehen, denn sie haben die meiste Erfahrung, was tatsächlich gebraucht wird und was im Hinblick auf die Patientenversorgung sinnvoll ist. Das System kann so auch effektiver gemacht werden, etwa wenn bestimmte Untersuchungen auch abends durchgeführt werden. So werden teure Ressourcen besser genützt, die Wartezeiten verkürzt und die Arbeitszeiten flexibler. Ein Vorteil für alle Beteiligten! Heikel daran ist: Wir brechen mit gewachsenen, tradierten Dienstorganisationen. Zudem haben sich die Anforderungen geändert: Nachdienste haben heute eine weit höhere Arbeitsdichte als früher, das Patientengut ist deutlich schwerer krank und die Patientenwünsche und die Forderungen der Angehörigen, denen wir immer wieder gegenüberstehen, haben zugenommen.
Der VLKÖ
Der VLKÖ ist die Plattform leitender Ärzte im Gesundheitswesen. Sie hat engen Kontakt zu über 1.500 Ärzten in Führungsposition und vertritt deren Anliegen und Interessen. Eines der Hauptanliegen des Verbandes ist es, gesundheitspolitische Themen voranzutreiben, um neue, dringend benötigte Lösungsansätze für Probleme, mit denen sich Primarärzte im Berufsalltag konfrontiert sehen, zu diskutieren und so auch zu Verbesserungen beizutragen. Die Mitglieder des VLKÖ verfügen über hohe fachliche Expertise und Kompetenz hinsichtlich ihrer Organisation und über sehr gute Kenntnis des österreichischen Gesundheitswesens. Damit stellt der Verband eine informative Plattform von Primar- und OberärztInnen dar. Durch die enge Zusammenarbeit mit allen wichtigen medizinischen Fakultäten, Akademien und Gesundheitsinstitutionen hat der Verband einen weitreichenden Einblick in das ärztliche Gesundheitswesen der Krankenhäuser und arbeitet stets auch an einer soliden Zusammenarbeit mit der niedergelassen Kollegenschaft.
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