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Liebe Leserinnen und Leser,


der Titel unserer Hauptstory in dieser Ausgabe lautet „IM DIENSTE DER MENSCHLICHKEIT“. Vermutlich ging es vielen von Ihnen in den letzten Monaten ähnlich wie mir: Ich war hin- und hergerissen zwischen Verzweiflung, Sorge, Zorn, Nachdenklichkeit und Hoffnung, wenn ich die Bilder von Flüchtlingsströmen sah, die Kommentare und Postings in den Medien verfolgte, im Zug von Wien nach St. Pölten die Realität hautnah erlebte, mit Freunden kontroversiell bis tief in die Nacht über dieses Thema diskutierte und trotzdem keine Antwort auf die Frage „Was ist richtig?“ finden konnte...
VERZWEIFLUNG über das schreckliche Schicksal vieler Menschen, die ihr Zuhause verlassen. Gleichgültig, ob sie vor Krieg flüchten, sich in einer wirtschaftlichen Notlage befinden, politischer Verfolgung mit der Hoffnung auf ein besseres Leben entfliehen oder aber irgendwelche anderen Motive haben; Verzweiflung darüber, dass Menschen sich genötigt sehen, ihre Heimat zu verlassen; für jeden ein unfassbar belastender Schritt und für denjenigen, der es nicht selbst erlebt hat, auch nicht wirklich nachvollziehbar.
SORGE darüber, was auf uns alle in naher und ferner Zukunft durch die ungebremsten Flüchtlingsströme zukommt. Sorge darüber, ob unser in Europa bislang funktionierender sozialer Friede auch in naher Zukunft halten wird. Sorge darüber, dass die im Internet geführten rhetorischen Injurien zwischen Sozialromantikern und Realitätsverweigerern bald von der Wolke der Virtualität auf den Boden der Realität fallen könnten. Und vor allem Sorge darüber, zu sehen und täglich mit eigenen Ohren zu hören, wie in immer mehr Menschen, vor allem jungen Menschen, Mitgefühl in Ablehnung umschlägt.
ZORN über das völlige Versagen der europäischen Politik im Umgang mit Flüchtlingen, dem sich die Politiker der Nationalstaaten mit kaum zu überbietender und peinlicher Hilflosigkeit anschließen. Zorn über parteipolitischen Missbrauch mit ausgeprägter medialer Manipulation, der (je nach Lager) seine Klientel auf eine „Entweder-oder-Lösung“ einschwören möchte, anstatt verantwortungsvoll den „Sowohl-als-auch-Gedanken“ bei der gesamten Bevölkerung zu implementieren.
NACHDENKLICHKEIT darüber, ob die Diskussionen am Vorabend von Bürgerkriegen oder weltweiten Kriegen (welche die meisten von uns glücklicherweise nicht miterleben mussten) nicht ganz ähnlich geführt und von Radikalisten – von welcher Seite auch immer – für ihre eigenen Interessen rücksichtslos ausgenutzt wurden. Und auch darüber, ob es auch unseren Kindern vergönnt sein wird, kriegerische Auseinandersetzungen nur aus den Medien oder Geschichtsbüchern zu kennen.
HOFFNUNG darauf, dass jeder Mensch Instinkte besitzt – Instinkte, die uns das richtige Gespür für die richtigen Antworten auf die Fragen „Richtig oder falsch? Gut oder böse? Wahr oder gelogen? Not oder Missbrauch? Echt oder gespielt? Ehrlich oder polemisch?“ geben. Und Hoffnung, wenn man sieht, wie sich Menschen für andere Menschen engagieren, wie Humanität und Toleranz beginnen, einen warmen Kreis um unrechtmäßigen Hass und unwissende Engstirnigkeit zu ziehen.
Genau deshalb bitten wir – unserem Magazin entsprechend – Ärztinnen und Ärzte vor den Vorhang, die unserer Gesellschaft durch ihr Tun, ihr Engagement und ihren Einsatz einen Spiegel mit der Botschaft vorhalten: „Im Dienste der Menschlichkeit!“

Axel C. Moser
Herausgeber