Kur 3.0 – auf zu neuen Wegen!
In den letzten Jahren wurde zunehmend diskutiert, dass die Kur veraltet sei, der Begriff Kur verstaubt klinge und neue Bezeichnungen gesucht oder neue Konzepte erstellt werden müssten.
AUTOR: Dr. Wolfgang Foisner
Präsident des Verbandes Österreichischer Kurärztinnen und Kurärzte
foisnerkuraerzteverband.at
Wie auch immer man diese Beiträge beurteilen mag, eines ist sicher: Die Kur als medizinische Maßnahme ist ein Thema und berührt die Gemüter und das ist prinzipiell positiv. Gleichzeitig muss man diese Beiträge zum Anlass nehmen, auch selbst über die Kur nachzudenken.
Baden allein ist (meist) zu wenig
Zu behaupten, dass die alleinige Verschreibung von natürlichen Heilmitteln zur Behandlung ausreichend sei, ist sehr gewagt, wenn auch in Ausnahmefällen richtig. Meist kann nur durch die Kombination des natürlichen Heilmittels mit Methoden der physikalischen Medizin ein Erfolg erreicht werden. Zusätzlich bringt eine Kur mehr, wenn Patienten etwas über ihre Krankheiten erfahren und insbesondere aufgeklärt werden, was sie selbst zu einem Behandlungserfolg beitragen können. Dieses Konzept hat sich als ganzheitliche Methode gut bewährt. In den letzten Jahren wird die Kur durch zusätzliche Gesundheitsbildung auch in der Präventivmedizin aktiv, was sich übrigens in den kurmedizinischen Kursen der „arztakademie“ widerspiegelt.
Diese Art der (stationären) Kur wird allerdings immer wieder hinterfragt und es besteht die Tendenz, in anderen Ländern, aber auch in Österreich Kuren durch ambulante Therapien nicht direkt zu ersetzen, sondern zunächst ambulante Maßnahmen vor einer Kur durchzuführen. Ambulante physikalische Therapien sind prinzipiell nicht schlecht, aber bei gleichzeitiger Berufstätigkeit nicht immer friktionsfrei umzusetzen.
Ganzheitliche Orientierung
Aus der kurärztlichen Erfahrung zeigt sich, dass sämtliche physikalischen Therapien durch den Einsatz natürlicher Heilmittel und die Maßnahme „Kur“ verbessert werden können. Diese Aussage spricht für eine Kur, die ganzheitlich orientiert ist. Dieses kombinierte Konzept ist in Österreich etabliert. Und wir können froh und stolz sein, dass es in Österreich diese Kur gibt. Die Kur im Sozialversicherungsbereich hat in den letzten Jahren eine beträchtliche Änderung erfahren, meines Erachtens deutlich zum Positiven. Der Therapieumfang ist zwar im sogenannten Leistungsprofil ziemlich genau festgelegt, was auf den ersten Blick störend wirkt, da sich manche Ärzte bevormundet fühl(t)en und manche bewährte Therapien nicht gewertet werden. Für Abweichungen vom Leistungsprofil in Umfang oder Inhalt ist aber prinzipiell vorgesorgt; man muss nur mit dem Kostenträger Rücksprache halten und natürlich dokumentieren.
Wieder eine Neuerung
Nun wurde im Herbst 2013 am Reha-Kongress der Pensionsversicherungsanstalt wieder ein neues Konzept der Sozialversicherungskur vorgestellt, das als Gesundheitsvorsorge Aktiv (GVA) bezeichnet wird. In vier Anstalten in Österreich startete zu Jahresanfang testweise dieses neue Kurkonzept: 1.400 Minuten Netto-Therapiezeit pro Patient im dreiwöchigen Heilverfahren sind geplant, 85 Minuten durchschnittliche Netto-Therapiezeit pro Therapietag. Eine tägliche Mindest-Therapiedauer ist ebenso festgelegt wie der Zeitrahmen, in dem die Therapien stattfinden sollen.
Bei dem Testmodell ist die Zielgruppe „Stütz- und Bewegungsapparat“ erfasst. Als Basismodul sind Behandlungen für diese Indikation vorgesehen, die hauptsächlich aktive Therapien umfassen. In weiteren Therapiemodulen wird auf Bewegung, Diätologie oder mentale Gesundheit eingegangen. Diese Zusatzmodule werden je nach patientenseitiger Gegebenheit ausgesucht und mit dem Grundmodul kombiniert. Das Projekt Gesundheitsvorsorge aktiv (GVA) wird begleitend wissenschaftlich untersucht und findet derzeit nur in vier Anstalten in Österreich statt. Vermutlich Anfang 2016 wird das Konzept evaluiert (weiterführende Information unter www.forum-reha.at/files/ws_1_gesundheitsvorsorge_aktiv.pdf).
Psychische Probleme integriert
Prinzipiell ist dieses Projekt zu begrüßen und genau genommen sollte jeder Kurort auch in Richtung Prävention unterwegs sein. Weniger erfreulich ist, dass nur eine Massage pro Woche geplant ist. Da müssen sich die Anstalten für ihre Patienten etwas einfallen lassen. Was mehr stört: Anwendungen mit dem jeweiligen ortsgebundenen Heilmittel sind nicht explizit im Konzept erwähnt, was kurärztlicherseits sehr unerfreulich ist. Endlich ist auch die Berücksichtigung psychischer Probleme in der Kur integriert. Dieser Wunsch besteht ja schon jahrelang und ist bisher an der Bezahlung gescheitert. Im neuen GVA-Programm ist auch der Tagessatz höher als bisher.
Neue Chance für Kurorte
In Gesprächen mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger und der Wirtschaftskammer als Vertreter der Kurbetriebe wurde zugesagt, dass die Verwendung natürlicher Heilmittel noch explizit im Konzept erwähnt werden wird. Hoffentlich findet der Ausdruck „Kur“ noch irgendwo ein Plätzchen. Für die Kurorte selbst bietet sich eine neue Chance. Schließlich sind die Kurorte durch ihr Know-how und die bestehende Infrastruktur für die Prävention bestens geeignet.