Kombinationstherapie Ordinationsstandort
Die Suche nach dem passenden Standort ist eine Kombinationstherapie aus Kopfentscheidung und Bauchgefühl.
Warum eröffnet hier ein Supermarkt, dort eine Bekleidungskette und an der nächsten Ecke ein Schnitzelwirt? Die Antwort ist meist viel einfacher als gedacht: Per Computer werden Datensätze zu einer Standortanalyse zusammengeführt. Das Ergebnis ist eine – unterschiedlich interpretierbare und gewichtbare – Aussage über den Wert eines Standortes für das eigene Unternehmen und damit eine wichtige Entscheidungsgrundlage, wo es sich anzusiedeln lohnt. Betrachtet werden unter anderem die Kaufkraft oder die Altersverteilung sowie die Verkehrsinfrastruktur eines Einzugsgebietes. Was für große Handelsketten selbstverständlich ist, etabliert sich auch als leistbares Angebot für Arztpraxen. Zu allererst stellt die Suche nach geeigneten Standorten eine komplexe betriebswirtschaftliche Aufgabe dar. Mathematische Optimierungsverfahren scheitern oft daran, dass die Zahl der Kriterien, die berücksichtigt werden sollen, rasch zunimmt und qualitative Aspekte gar nicht mit einfließen. Meist werden daher nicht „optimale“ Standorte, sondern zuallererst „geeignete“ Standorte verglichen. Noch komplexer wird die Entscheidung, wenn harte und weiche Faktoren dazukommen, die den subjektiven Gehalt eines Wertes widerspiegeln. Harte Standortfaktoren sind beispielsweise rechtliche Rahmenbedingungen, die Erschließung oder Bauvorschriften. Welche Standortfaktoren sind beispielsweise die umgebende soziale Infrastruktur oder der Freizeitwert einer Region. Viele der Angaben lassen natürlich auf den ersten Blick keinen Rückschluss auf die tatsächliche Zahl der zur erwartenden Patienten zu, aber zumindest auf den zweiten Blick!
„Ärzteshopping“ einmal anders
In der Bundeshauptstadt hat sich in den letzten Jahren ein Trend abgezeichnet, der völlig neue Möglichkeiten für die Standortwahl eröffnet: Eine Reihe leer stehender Geschäftslokale bietet sich als attraktive Möglichkeit für Ärzte an, ihre Traumimmobilie zu finden. Das Wiener Einkaufsstraßen-Management der Wirtschaftskammer Wien betreut über 100 Einkaufsstraßen-Vereine im Bereich des Standortmarketings, darunter auch die bekanntesten Einkaufsstraßen wie Mariahilfer Straße, Favoritenstraße oder Kärntner Straße, genauso wie die Hütteldorfer Straße oder die Alser Straße und viele mehr. „Die vielen Shopping Center am Stadtrand, die extreme Verbilligung der Flugreisen und die rasante Verbreitung des Internets haben das Einkaufsverhalten von uns allen stark beeinflusst. In so manchen europäischen Großstädten bestehen heute außerhalb eines Stadtkerns nur noch geringe Einkaufsmöglichkeiten, wenn man von der Grundversorgung durch Supermärkte, Tankstellenshops oder Ähnlichem absieht“, erklärt DI Silvia Spendier von der Wirtschaftskammer Wien, Wiener Einkaufsstraßen-Management. Wien ist in diesem Fall anders. Über 8.000 Unternehmer arbeiten Tag für Tag in den Einkaufsstraßen und bieten damit auch eine lukrative Klientel für angehende Mediziner. „Die wichtigste Entscheidung im Leben eines Unternehmers ist die Standortentscheidung. Diese ist sehr kostspielig und oft nicht mehr reversibel. Daher muss dies gut überlegt und geplant sein“, weiß Spendier. Dazu bietet die Wirtschaftskammer – auch in Kooperation mit der Ärztekammer – eine Reihe von Services an. Die ServiceCenter Geschäftslokale unterstützt Standort Suchende bei der Suche nach geeigneten Lokalitäten in Wien sowie die Immobilienwirtschaft bei der Suche nach passenden Mietern. Auf www.freielokale.at finden sich ausführliche Informationen rund um freie Geschäftslokale und hier können auch kostenfreie Standortanalysen angefordert werden.
Am meisten Besucher in Wien tummeln sich laut der Passantenfrequenzzählung 2010 am Graben, gefolgt von der Kärntner Straße und der Mariahilfer Straße. Favoritenstraße, Wollzeile, Neubaugasse und Landstraßer Hauptstraße sind ebenfalls unter den Top 10 zu finden. Auch wenn für Ärzte die „Laufkundschaft“ – jene Käufer, die ein Geschäft nur „zufällig“ betreten, weil es „gerade am Weg liegt“ – auf den ersten Blick nicht so eine große Rolle wie für einen Lebensmittelhändler spielen mag, so ist doch die Frage nach der Besucherzahl, die beim ersten Mal zufällig auf eine Ordination stoßen, nicht außer Acht zu lassen. Denn zufriedene Patienten kommen in der Regel wieder und wenn die Ordination dann auch noch in der Nähe zum Arbeitsplatz oder am Heimweg liegt, dann wird sie schnell zum „Stammlokal“.
„Hier muss man dennoch die Standortfaktoren zwischen Handelsbetrieb und Ärzten strikt trennen. Ein Handelsbetrieb kann nur in gut frequentierten Lagen überleben, mit Ausnahme von Spezialgeschäften. Weiters benötigen diese Unternehmen auch einen bunten Branchenmix in ihrer Umgebung. Ärzte hingegen benötigen keine derartige Passantenfrequenz, die Patienten kommen gezielt zum Arzt aufgrund eines persönlichen Anliegens. Ärzte zählen im weiteren Sinn auch zur Nahversorgung. Daher sind neben den frequentierten Haupteinkaufsstraßen auch Seiten- und Randlagen für Ärzte geeignet. „Wir analysieren mit den Ärzten gemeinsam sehr genau, welche Fläche und welche Räume sie benötigen. Da muss das Zusammenspiel mit dem Standort natürlich auch gut passen“, erklärt Mag. Ing. Martin Steininger von www.artelier.at, der sich auf die Umsetzung zeitgeistiger Projekte im Bereich Arztpraxen, Krankenanstalten, Labors und Apotheken spezialisiert hat. Unabhängig von der Standortwahl ortet er jedenfalls den Trend zu mehr Qualität: „Ärzte legen heute viel mehr Wert auf die Optik als noch vor ein paar Jahren. Es geht nicht allein darum, dass die Räumlichkeiten funktionell sind, das ist ohnehin die Basis. Die Optik, Farben, Formen, Materialien und das gesamte daraus entstehende Ambiente spiegeln für den Besucher nicht zuletzt die fachliche Qualifikation wider, im Sinne von „hier kümmert man sich um mein Wohlbefinden“, so Steininger. Aus Sicht des Experten eignen sich leere Geschäftslokale für Ordinationen sehr gut, weil sie eine Reihe von Vorteilen vereinen: „Tageslicht, Barrierefreiheit, Sichtbarkeit und der rasche und einfache Zugang sind bestechende Argumente.“
Wo viel Licht, da viel Schatten...
„Der steigende Trend zur Erdgeschoßzone bei Dienstleistern ist deutlich zu erkennen, sei es bei Ärzten, Werbeagenturen, Rechtsanwälten oder Architekten“, weiß Spendier. Ein deutlicher Vorteil eines Erdgeschoßlokales ist vor allem die Barrierefreiheit. Weitere Vorteile sind die gute Sichtbarkeit für Kunden bzw. Patienten oder die Nutzung des Tageslichtes. Für die Bewohner eines Hauses, die nicht immer so erfreut über einen Arzt als Mieter in einem Haus sind wie der Vermieter selbst, entfällt die Besucherfrequenz im Haus – und damit auch viel Lärm und Schmutz. Die Grundvoraussetzung für eine Ordination in einem Geschäftslokal ist – abgesehen von behördlichen Auflagen –, dass zumindest mehrere Räume vorhanden sind oder solche errichtet werden können. „Ein Geschäftslokal wie auch ein Büro in den oberen Stockwerken können von Einbruch oder Vandalismus betroffen sein. Hierfür sollte man Vorkehrungen schaffen“, beschreibt Spendier einen Nachteil.
Freie Geschäftslokale, die für Ärzte geeignet sind – aufgrund von Kriterien wie Mindestfläche, mehrere Räume, guter baulicher Zustand, Barrierefreiheit – werden automatisch von der Datenbank des ServiceCenter Geschäftslokale auf die Homepage der Ärztekammer Wien transferiert. Die Daten werden laufend aktualisiert. Durch diese Schnittstelle haben die Wiener Ärzte die Möglichkeit, neben den wichtigen Informationen rund um das Thema Praxis/Ordination auch gleich Infos über freie, geeignete Geschäftsflächen abzurufen – und dies ohne langen Suchaufwand über eine Internetseite. Lokalinformationen, die sichtbar sind, sind unter anderem die genaue Adresse, Miet- bzw. Kaufpreis, Fläche, Ausstattung, Lokalzustand, Lagebeschreibung, die bisherige Nutzung, die Nähe zu öffentlichen Verkehrsmitteln sowie Fotos des Portals. bw
Info & Kontakt:
ÄrztekammerWien, www.aekwien.at