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Keine Impfung, kein Job?

Nicht nur Herr und Frau Österreicher sind impfmüde geworden, auch die Durchimpfungsrate beim heimischen Gesundheitspersonal lässt zu wünschen übrig. Eine Forderung der Bioethikkommission und des Obersten Sanitätsrates soll neuen Schwung in das Thema bringen: Eine Impfpflicht für das Gesundheitspersonal wird einstimmig gefordert.


Gesundheitspersonal sollte mit gutem Beispiel vorangehen und mehr Impfbereitschaft zeigen. Foto: fotolia

Im Bereich der öffentlichen Gesundheit hat Impfen in Österreich schon traditionell einen sehr hohen Stellenwert eingenommen. Für kaum eine andere Präventionsmaßnahme werden jährlich so große Budgetmengen veranschlagt wie für das kostenlose Impfprogramm. Und es sind auch längst nicht nur die Impfskeptiker – etwa vier Prozent der Bevölkerung – für die mangelnde Impfbereitschaft verantwortlich zu machen. Vielmehr scheint es selbst in Fachkreisen lediglich an der Information und dem einfachen Zugang zu scheitern. Bereits im Jahr 2012 wurden für Österreich Empfehlungen zu Impfungen für das Gesundheitspersonal (Health Care Workers, HWC) ausgegeben. Dazu zählt das Personal in Spitälern, Instituten, Pflege- und sozialen Einrichtungen, Labors sowie medizinischen Universitäten einschließlich der Studenten und Ausbildungsstätten für Gesundheitsberufe (Pflegepersonal, Hebammen), aber auch das Personal im niedergelassenen Bereich. Die Besonderheit dieser Gruppen ergibt sich aus der Tatsache, dass hier der eigene Impfschutz weit über „persönliche Interessen“ hinausgeht. Sie sind öfter einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt und können diese Erkrankungen auch rascher an vulnerable Patienten übertragen, womit wohl ausreichend Argumente für eine präventive Impfung gefunden sind.
Daher hat der Oberste Sanitätsrat (OSR) neuerlich die Forderung der Bioethikkommission vom 1. Juni 2015 unterstrichen, dass gerade Mitarbeiter im Gesundheitswesen die Prävention durch Impfungen ernst nehmen sollen. Einstimmig angenommen wurde die Forderung „dass nach dem Nicht-Schaden-Prinzip von Menschen, die in Gesundheitsreinrichtungen arbeiten, ein Impfstatus gemäß den Impfempfehlungen des Gesundheitsministeriums unabdingbar eingefordert werden muss. Die Aufgabe der Träger ist es, den Impfstatus zu erheben, diesen evident zu halten und die jeweiligen Konsequenzen zu ziehen.“

Verbindliche Vorgaben fehlen

Verbindliche Impfempfehlungen, wie sie etwa in den USA und der Schweiz existieren und die über den allgemeinen Impfplan hinausgehen, gibt es für HCW in Österreich nicht. Grundsätzlich gelten für HCW die gleichen Basis-Impfempfehlungen wir für alle anderen Erwachsenen. Darüber hinaus werden Hepatitis A und B sowie die jährliche Influenzaimpfung empfohlen. Eine Auffrischung der Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis sollte bei Erwachsenen alle zehn Jahre erfolgen. Die Impfung gegen Polio ist für HCW zu empfehlen, da ein Kontakt mit Patienten aus Endemiegebieten nicht ausgeschlossen werden kann.
Die Immunität gegen Masern, Mumps und Röteln sowie Varizellen ist für Personal im Bereich der Gynäkologie, Geburtshilfe und Pädiatrie besonders wichtig sowie überall dort, wo nicht immunkompetente Patienten betreut werden. Hepatitis B als Impfempfehlung für Gesundheitsberufe ist durch das ASVG und AschG geregelt. Durch die übliche Kombinationsimpfung Hepatitis A und B werden gleichzeitig auch eventuelle Hepatitis-A-Risikogruppen abgedeckt. Eine Meningokokkenimpfung wird für Personal in mikrobiologischen Labors, im Bereich der Pädiatrie und auf Intensivstationen, wo Patienten mit invasiven Meningokokkenerkrankungen behandelt werden, empfohlen. Diese Impfempfehlungen wurden bereits 2012 von einem Expertengremium durch das Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der MedUniWien in Kooperation mit dem Gesundheits- und Sozialministerium erstellt und publiziert (www.bmg.gv.at). rh

Nachgefragt bei ...

... Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin, Mitglied im Obersten Sanitätsrat

Welche Bindung hat die Forderung des Obersten Sanitätsrates (OSR)?
Die Forderung der Bioethikkommission und des OSR ist rechtlich derzeit nicht bindend. Jetzt benötigen wir eine rechtlich bindende Form, sodass die Impfung als Teil eines Qualitätskriteriums festgelegt ist, dem ein Mitarbeiter im Gesundheitswesen zu folgen hat, um seine Tätigkeit auszuüben. Die Forderungen sind der erste Schritt auf einem sehr guten Weg, der nun weiter verfolgt werden muss. Was uns im Gesundheitsbereich noch fehlt, ist die klare Formulierung, welche Mitarbeiter in welchem Arbeitsbereich konkret welche Impfungen haben müssen. Diese Kriterien haben wir in den Impfempfehlungen für Gesundheitspersonal genau formuliert; nun ist es wichtig, dass diese Empfehlungen in den Gesundheitsbereichen einheitlich in Österreich umgesetzt werden – das ist zurzeit noch nicht der Fall.

Soll eine Impfpflicht dann für alle Mitarbeiter im Gesundheitswesen gelten?
Es wird gewisse Impfungen geben, die in jedem Bereich notwendig sind, andere Impfungen werden sinnvollerweise nur in bestimmten Arbeitsbereichen gefordert werden – also sozusagen ein Minimalprogramm für alle und die Erweiterungen je nach Risikobereich, so zum Beispiel Varizellen auf Geburtsstationen, Neonatologie/Pädiatrie oder im Umgang mit immunsuppressierten Patienten. Besser wäre es natürlich, keinen großen Unterschied zu machen, um das Thema nicht künstlich zu verkomplizieren, aber auch um dem klinischen Alltag gerecht zu werden, denn in einem Nachtdienst kann es schon vorkommen, dass ein Internist, der vielleicht nur die Basisimpfungen hat, auch zu einem Patienten gerufen wird, wo ein anderer Impfstatus erforderlich wird. Im Sinne einer praxisrelevanten Regelung wäre hier eine einheitliche Vorgabe durchaus sinnvoll. Konsequenterweise müssen die Vorgaben natürlich auch auf das Pflegepersonal, Hebammen bis hin zum Reinigungspersonal ausgedehnt werden.

Kann es überhaupt eine Verpflichtung zu einer Impfung als Anstellungsvoraussetzung geben?
Dem Dienstgeber obliegt jedenfalls die Entscheidung, nur diejenigen anzustellen, die alle notwendigen Voraussetzungen für den Beruf mitbringen – und da kann eben ein aufrechter Impfschutz zu den Kriterien gehören. Derzeit fehlt zwar die gesetzliche Grundlage zu Pflichtimpfungen, doch zum Schutz der Gesundheit kann auch in Übereinstimmung mit der Europäischen Menschenrechtskommission eine Regelung für notwenige Impfungen als Arbeitsvoraussetzung vorgesehen werden. Zu Pflichtimpfungen generell gibt es derzeit nur eine Regelung im Epidemiegesetz aus 1950, sie stellt aber weitgehend totes Recht dar. Grundsätzlich soll niemand andere fahrlässig anstecken. Wer zudem noch Kraft seines Berufes mit kranken Menschen zu tun hat, dem obliegt wohl schon eine moralische Verpflichtung Vorkehrungen zu treffen, sich und seine Schützlinge nicht anzustecken.

Was ist mit jenen Personen, die schon in einem Anstellungsverhältnis sind?
Die Überprüfung des Impfstatus von Angestellten greift natürlich bis zu einem gewissen Grad in die persönliche Freiheit ein. Ich würde hier aber auf Basis von Freiwilligkeit arbeiten und zudem gibt es ja schon im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz bestimmte Vorgaben, die einzuhalten sind und zum Schutz der Personen rechtlich auch eine Verpflichtung darstellen. Meine persönliche Erfahrung an der Medizinischen Universität Wien ist, dass die Angestellten die Möglichkeit der Titerkontrolle und Überprüfung des Impfschutzes gerne in Anspruch nehmen. De facto war es eine logistische Frage, derartige Untersuchungen niederschwellig anbieten zu können, aber nicht eine Frage der Annahme.

Nach der OSR-Forderung sind die Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen. Wie sieht das konkret aus?
Träger und Spitalserhalter müssen aktiv werden. Bei uns an der Medizinischen Universität haben wir eine Ambulanz für alle Mitarbeiter eingerichtet. Alle werden über Gratisimpfaktionen informiert und erhalten E-Mail-Erinnerungen für nötige Auffrischungsimpfungen. Hilfreich ist, dass der Betriebsrat die Information der Mitarbeiter übernimmt, das hängt von der jeweiligen Einrichtung ab. Es wird sowohl top-down als auch bottom-up laufen müssen. Das Investment ist selten der heikle Punkt, viel eher die organisatorische Frage der Umsetzung, Erreichbarkeit und Motivation der Mitarbeiter, diese muss möglichst niederschwellig erfolgen. Für den Spitalsträger hat die vorliegende oder fehlende Impfversorgung der Mitarbeiter unter Umständen rechtliche und finanzielle Konsequenzen, wenn zum Beispiel tatsächlich aufgrund eines erkrankten Mitarbeiters eine Masern­epidemie ausbricht. Schon allein unter diesem Aspekt ist die Bedeutung der Prävention wohl nicht wegzudiskutieren.

Wie ist nun in der Praxis konkret vorzugehen?
Nach einer Sichtung vorhandener Impfdokumente und der Überprüfung des Impfstatus schon beim Eintritt soll die Dokumentation aller Impfungen im Impfpass erfolgen. Impfungen sollten sowohl in entsprechenden Servicestellen als auch direkt auf den Stationen angeboten werden. Laufende Erinnerungen zur Auffrischung per Mail sind ein hilfreicher Service.

Wo sehen Sie derzeit die größte Herausforderung?
Die Impfskepsis rührt aus einer unzureichenden Informationspolitik. Die Gefahren von Infektionserkrankungen sind oft nicht ausreichend bewusst und stellen auch keine akute Bedrohung dar. Ein gutes Bespiel ist die Influenza – ein häufiges Argument ist, dass man selbst nie erkrankt und daher keine Impfung benötigt; vergessen wird aber, dass man auch bei subklinischen Verläufen Virusträger sein und somit ansteckend für vulnerable Personen bzw. Patienten sein kann. Leider werden auch seltene Komplikationen im Zusammenhang mit Impfungen medial entsprechend verbreitet und schaffen offensichtlich viel eher eine persönliche Betroffenheit.

Wo sehen Sie gute Chancen, die Impfinformation zu verbessern?
Wir haben einen klaren Impfplan, den aber selbst Fachleute nicht immer kennen. Aufgefordert sind daher Ärzte, Apotheker und gesundheits- sowie soziale Einrichtungen, diese Information parat zu haben und auch weiterzugeben. Impfen ist ein Solidarakt und erfordert damit auch Aktivitäten der Gemeinschaft. Ich denke, dass die meisten Menschen gar keine Impfgegner oder -skeptiker sind, sondern einfach nicht ausreichend informiert werden. Der Arbeitsplatz ist eine ideale Stelle, um auch regelmäßig zu erinnern und die Gruppendynamik zu nutzen. Arbeitsmediziner oder Betriebsärzte können einen niederschwelligen Zugang bieten, der deutlich verbessert werden muss. Und wir als Gesundheitspersonal haben diesen Zugang noch einfacher, daher müssen wir mit gutem Beispiel vorangehen. In diesem Sinne haben wir nun vom Gesundheitspersonal ausgehend für das Gesundheitspersonal eine Aktion mit einer Ansteckplakette gestartet, die den Slogan „geimpft-geschützt-sicher“ trägt. Mit diesem Button soll sichtbar gemacht werden, dass man selbst geschützt ist und daher auch sein Umfeld schützt. Ich hoffe, dass viele mitmachen, so ein Zeichen setzen und andere dazu animieren, sich auch impfen zu lassen.