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Karriere mit Augenmaß

Univ.-Prof. Prim. Dr. Gebhard Rieger, Facharzt für Augenheilkunde und ehemaliger Leiter der Augenabteilung des Paracelsus-Institutes, im Interview


Foto: ZVG

In meiner Ausbildung habe ich mich für die Medizin/Augenheilkunde entschieden, weil ... ich dem Vorbild meiner Eltern folgen wollte. Meine Mutter war Ärztin, mein Vater war der letzte Ordinarius für Augenheilkunde an der Deutschen Universitätsklinik in Prag. Die besondere Nähe zum sehr ansprechenden Fach Augenheilkunde war damit gegeben.

Balneotherapeutische Maßnahmen bei Augenerkrankungen können ... in vielen Bereichen sehr wertvoll und hilfreich sein, so zum Beispiel bei der Behandlung von Patienten mit Sicca-Syndrom oder jenen mit trockener Makulopathie. Eine Begründung dafür ist die Möglichkeit der intensiven individuellen Beratung und Betreuung. Die Wirkung einer Kur geht über die Lokaltherapie weit hinaus. Sie umfasst neben der spezifisch medikamentösen Jodwirkung auch die unspezifischen Einflüsse auf das psychovegetative und endokrine System. Das bei medizinisch qualifizierten Kuren besonders geschärfte Interesse an Gesundheitsfragen kann und soll optimal vom Betreuungsteam benützt werden, um die Patienten zur konsequenten Therapietreue und auch zur Eigenverantwortung zu motivieren. „Augenkuren“ sind also wesentlich mehr als physikalische Maßnahmen. Wann immer es möglich war, bin ich auch für „kombinierte Jodsolekuren“ mit weitem Behandlungsspektrum und „ganzheitlichem“ Therapieansatz eingetreten.

Viel Forschungsarbeit ist noch nötig für ... die Nachweise der Wirkungsweise der balneologischen Maßnahmen. Die Besserung der subjektiven Beschwerden beim Sicca-Syndrom ist beispielsweise sehr gut dokumentiert, auch deren Nachhaltigkeit über Monate. Grundlegende Erkenntnisse über die Wirkungswege fehlen aber noch. Auch prospektive Studien zum verzögernden Einfluss von Iodid-Therapien auf die Progredienz der trockenen Makulopathie fehlen. Retrospektive positive Hinweise sind zwar sehr wertvoll, jedoch letztlich nicht ausreichend. Es geht also einerseits um Jod-Grundlagenforschung und andererseits um den statistisch gesicherten Nachweis des individuellen Benefits. Die balneologische Forschung ist zudem neben finanziellen auch methodischen Schwierigkeiten ausgesetzt.

Eine der am meisten unterschätzten Augenerkrankungen ist ... das Syndrom des trockenen Auges. Seine große Bedeutung ist erst in den letzten Jahren so richtig erkannt worden. Jod ist für die Behandlung ein überaus wertvolles Hilfsmittel.

Was ich mit meiner Arbeit gerne noch erreichen möchte, sind ... ein höherer Bekanntheitsgrad und Akzeptanz der Bad Haller Augenkur als wesentliche ergänzende Maßnahme für Prävention und Therapie verschiedener Augenleiden.

Was die Paracelsus Gesellschaft leistet, ist ... insofern einzigartig, als sich ein Verein mit Unterstützung des Landes OÖ um die wissenschaftliche Betreuung des Naturschatzes Jodsole kümmert. Die Tätigkeit umfasst eigene Forschungen und Studien in Kooperation mit Universitäten und Fachhochschulen. Die Paracelsus Gesellschaft versteht sich auch als Plattform für Diskussionen über Jodtherapie. Anfragen und Einladungen aus dem Ausland weisen auf die Alleinstellung hin.

Für die Zukunft von Kuren und Rehabilitation erwarte ich ... eine „Rehabilitation des Kurbegriffes“. Es ist hoch an der Zeit, eine medizinisch indizierte und bedarfsgerecht durchgeführte Kur vom Negativimage zu befreien. Sozialversicherungsrechtliche Gegebenheiten können dazu beitragen, Reha-Leistungen als hochwertig, Leistungen im Kurbereich jedoch als eher minderwertig einzustufen. Kurärzte kommen immer wieder in die Situation feststellen zu müssen, dass das normierte Verschreiben eines Kurprogramms im Ausmaß der Rahmenverträge für den Patienten unzulänglich ist, auch den Möglichkeiten des Kurzentrums nicht entspricht, dass der Patient aber auch kein Sonderkrankenhaus benötigt.
Den Begriff „Augenrehabilitation“ gibt es offiziell in Österreich nicht. Dies wird vielfach damit erklärt, dass nach operativen Interventionen am Auge kein Anschlussheilverfahren nötig ist. Ein Blick in moderne Lehr- und Handbücher der Augenheilkunde zeigt, dass sich viele Kapitel mit der Rehabilitation von Augenkrankheiten befassen. In Hinblick auf die zukünftige Altersstruktur der Bevölkerung wird man sich auch dieses Themas intensiver annehmen (müssen!). Es hat auch länger gedauert, bis der Bedarf an neurologischer und psychiatrischer Rehabilitation akzeptiert wurde. Vielleicht sollten wir doch optimistisch sein?

Für meine wissenschaftlichen Erkenntnisse wünsche ich mir, ... dass sie noch mehr Verständnis bei Kollegen finden und verstärkt zum Wohle der Patienten eingesetzt werden.

Für die Augenheilkunde wünsche ich mir ... neben dem Fortschritt der Spitzenmedizin eine besondere Pflege der Arzt-Patienten-Beziehung damit auch die neuen Erkenntnisse im Praxisalltag beim Patienten eingesetzt werden können.

In der medizinischen Ausbildung sollte ... mehr auf die Balneologie als natürliche Maßnahme zur Prävention und Therapie Bedacht genommen werden. Balneologische Forschung auf universitärem Niveau ist dafür unabdingbar.

Meinen Ausgleich in der Freizeit finde ich durch ... Familie und bei Gartenarbeit, Musik und Lesen, früher bei Wandern und Bergsteigen.     bw

Univ.-Prof. Prim. Dr. Gebhard Rieger wurde 1940 in Wien geboren, studierte Medizin und promovierte 1966. Nach der Ausbildung am AKh Linz wechselte er als Assistent an die I. Universitätsaugenklinik in Wien und schloss 1972 die Ausbildung zum Facharzt für Augenheilkunde ab. Als Leiter der Augenabteilung des Paracelsus-Institutes des Landes Oberösterreich in Bad Hall von 1972 bis 2008 war Rieger ein vehementer Verfechter von „Kur auf Basis der Wissenschaft“. Zahlreiche Publikationen bestätigen die Wirksamkeit der Jodaugenkuren als einzigartige Sonderform des Kurwesens. Ab 1993 fungierte Rieger als führendes Mitglied der Paracelsus Gesellschaft. Weitere Stationen waren Riegers Ernennungen zum Primararzt (1987), zum Hofrat (1997), seine Habilitation (1998) und der Titel Universitätsprofessor (2003). Zahlreiche Preise, Auszeichnungen und Mitgliedschaften sowie Vorträge, wissenschaftliche Veröffentlichungen und klinische Arbeiten zeugen von einer höchst produktiven Karriere.

www.paracelsus-badhall.at