Ist der Personalkollaps noch aufzuhalten?
„Lohnt sich eine Mediziner-Karriere überhaupt noch?“ – Dieser brisanten Frage, möglichen Antworten sowie einer aktuellen Bestandsaufnahme widmeten sich Dr. Thomas Szekeres, Präsident der Ärztekammer für Wien, und Prim. Dr. Otto Traindl, Präsident des Verbandes der leitenden Krankenhausärzte in Österreich.
Dr. Thomas Szekeres
Präsident der Ärztekammer für Wien
Die medizinische Karriere in Österreich wird für den Ärztenachwuchs immer unattraktiver: Wenn laufend am Personal gespart wird, Ärzte administrativ überfrachtet und in ihren medizinischen Aufgabenbereichen überfordert werden, wenn Abteilungen geschlossen und menschenbelastende Schichtdienste eingeführt werden, muss es zu kritischen Situationen kommen.
Der Ärztemangel ist mittlerweile manifest, die Abwanderung beängstigend hoch! Manche Krankenhäuser können den Betrieb kaum mehr aufrechterhalten. Und die Zeit läuft langsam ab: Die ärztliche Ausbildung dauert nun einmal mehr als ein Jahrzehnt, aus dem Ausland gute Ärzte zu importieren, wird schwierig, da bei uns die Arbeitskonditionen schlechter sind als anderswo und zudem unsere Bürokratie hinderlich ist.
Lediglich für das Medizinstudium finden sich überproportional viele ausländische Interessenten: vorwiegend wegen der strengen Zugangsbestimmungen beispielsweise in Deutschland. Wir wissen, dass systemerhaltende Tätigkeiten, die durch Turnusärzte durchgeführt werden, nach wie vor einen höheren Stellenwert besitzen als die Qualität der Ausbildung. Faktum ist, dass an den meisten Krankenhäusern, insbesondere in der Großstadt Wien, ein Personalkollaps droht.
Wir müssen an allen Schrauben drehen: Das ärztliche Personal in den Spitälern aufstocken, den niedergelassenen Bereich stärken und den Beruf des Allgemeinmediziners attraktiver gestalten. Wir brauchen eine Reduktion des administrativen Aufwands sowie die Umsetzung einer Gesundheitsreform, in der auch die Ärzte und Ärztevertreter involviert sind! Also: alle an einen Tisch, Kräfte bündeln, Vorurteile abbauen. Wir als Ärztekammer sind bereit dazu, denn der ärztliche Braindrain muss ein Ende haben.
Prim. Dr. Otto Traindl
Präsident des Verbandes der leitenden Krankenhausärzte in Österreich
Wir sind davon überzeugt, dass Mediziner das sein sollen, wofür sie ausgebildet wurden, nämlich Ärzte. Jungärzte sollten bereits in ihrer medizinischen Laufbahn vor allem Medizin machen können und „sinnlose“, nicht-medizinische Tätigkeiten, wie das früher oftmals gehandhabt wurde, künftig nicht mehr übernehmen müssen. Junge Kollegen müssen in ihren tatsächlichen medizinischen Aufgaben und in ihrem Wissensstand gefördert werden. Vieles davon ist schon in der „Ausbildung neu“ festgelegt, einiges wird mitunter in der Praxis schwierig sein.
Der Generationenwechsel hat sich in der Medizin im Spital bereits seit längerer Zeit vollzogen. Junge Kollegen haben ganz spezielle Vorstellungen, wie das Curriculum auszusehen hat. Aus- und Weiterbildung oder Auslandsaufenthalte stehen auf ihrer Wunschliste ganz oben. Daher wollen wir uns mit diesen Wünschen und Positionen auseinandersetzen und versuchen, hier eine Umsetzung zu erreichen. Denn um sich dem drohenden Ärztemangel an Österreichs Krankenhäusern zu entziehen, ist es wesentlich zu wissen, woran man arbeiten muss.
Wir als Primarärzte haben jedoch auch den medizinischen Ablauf im Krankenhaus zu gewährleisten, der von überfüllten Ambulanzen bis zu Auslastungsplänen von OPs reicht. Ganz vorne auf unserer To-do-Liste steht neben der Ausbildung des medizinischen Nachwuchses natürlich die Teamleitung der Abteilung, was einer hochgestellten Managementaufgabe gleichkommt.
Es ist der Dialog, den wir laufend führen müssen, um die unterschiedlichen Positionen stets gut zu verstehen und im optimalen Fall auch umsetzen zu können. Ich freue mich daher auf diese spannende und hoffentlich zukunftsweisende Diskussion.
Der VLKÖ
Der VLKÖ ist die Plattform leitender Ärzte im Gesundheitswesen. Sie hat engen Kontakt zu über 1.500 Ärzten in Führungsposition und vertritt deren Anliegen und Interessen. Eines der Hauptanliegen des Verbandes ist es, gesundheitspolitische Themen voranzutreiben, um neue, dringend benötigte Lösungsansätze für Probleme, mit denen sich Primarärzte im Berufsalltag konfrontiert sehen, zu diskutieren und so auch zu Verbesserungen beizutragen. Die Mitglieder des VLKÖ verfügen über hohe fachliche Expertise und Kompetenz hinsichtlich ihrer Organisation und über sehr gute Kenntnis des österreichischen Gesundheitswesens. Damit stellt der Verband eine informative Plattform von Primar- und Oberärzten dar. Durch die enge Zusammenarbeit mit allen wichtigen medizinischen Fakultäten, Akademien und Gesundheitsinstitutionen hat der Verband einen weitreichenden Einblick in das ärztliche Gesundheitswesen der Krankenhäuser und arbeitet stets auch an einer soliden Zusammenarbeit mit der niedergelassen Kollegenschaft.
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