Inhalative Therapie der COPD
Die inhalative Medikamententherapie hat den Vorteil, dass bei Lungenerkrankungen wie der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung COPD eine kleine Medikamentendosis eine große örtliche Wirkung erzielen kann und dabei nebenwirkungsarm bleibt, weil keine relevanten Medikamentendosen ins Blut gelangen.
Autorin:
Prim. Dr. Sylvia Hartl
2. interne Lungenabteilung
Otto Wagner Spital
sylvia.hartlwienkav.at
Der Preis dafür ist, dass die Medikamente in einer lungengängigen Größe vorliegen müssen, die tief inhaliert und deponiert werden können. Daher hat die Art, wie das Medikament verabreicht wird, eine ebenso große Bedeutung wie die Medikamentenwirkung selbst. Der sogenannte Inhalator oder Medikamentenvernebler ist mit dem Medikament unzertrennlich verbunden, weil das Gerät dafür verantwortlich ist, dass das Medikament nach der „Lagerung“ im Gerät in der geeigneten Teilchengröße bereitgestellt wird.
Die Inhalatoren liegen als Dosieraerosole (gelöstes Medikament), als Trockenpulver (gebunden an Trägersubstanz) oder als Soft Mist Düsenvernebler (Respimat) vor. Die Auswahl des Inhalationssystems hängt von den Fähigkeiten des Patienten und von seinem Atemfluss ab. Die folgenden Anforderungen an den idealen Inhalator sollen dem Patienten ermöglichen, richtig und sicher das Medikament in den kleinen Atemwegen zu platzieren:
- Überprüfbarkeit, ob der Vorgang richtig ausgeführt wurde (akustisch, Geschmack, keine Dosisfreisetzung bei insuffizienten Manövern etc.)
- Richtiger Atemwiderstand beim Einatmen, damit die Atemgeschwindigkeit gut gesteuert wird
- Atemzug-getriggerte Auslösung des Inhalators, um die Koordination zu erleichtern
- Sichtbarkeit des Dosiszählers, um zu sehen, wann der Inhalator getauscht werden muss
- Ausreichende Medikamentendosen für mindestens einen Monat
Diese Grundvoraussetzungen müssen von Ärzten, die Patienten behandeln, berücksichtigt werden, wenn ein Medikament gewählt wird – und damit verbunden muss eine gewisse Schulung des Patienten erfolgen.
Wahl der Medikamententypen
Für die Indikation der COPD stehen im Wesentlichen zwei Medikamentengruppen zur Verfügung: bronchialerweiternde und rein anti-inflammatorische Medikamente. Die Bronchialerweiterung ist die Basis der Therapie, die jeder COPD Patient unabhängig vom Schweregrad inhalieren muss:
- Langwirksame Anticholinergika (LAMA = long acting muscarinic antagonist) sind in der stabilen Phase die Minimal- und „first line“-Therapie, da sie akuten Verschlechterungen als Monosubstanz besser vorbeugen als betamimetische Substanzen.
- Langwirksame Betamimetika (LABA= long acting betamimetic agonist) sind in Kombination mit LAMA überadditiv bronchialerweiternd.
- LAMA/LABA als duale Kombinationspräparate
- SABA/SAMA (short acting) sind häufig als kurzwirksame Kombinationen mit raschem Wirkungseintritt als „Notfallmedikament“ im Einsatz.
Anti-inflammatorisch und immunsuppressiv sind inhalative Kortikosteroide (ICS) im Einsatz. Das ICS gehört nicht zur Basistherapie der COPD, sondern zur Therapie der akuten Verschlechterung. In manchen Fällen mit gehäuften Verschlechterungen und rapidem Abfall der Lungenfunktion über die Zeit wird das ICS auch in die Dauertherapie übernommen. Inhalative Kortikosteroide haben eine gewisse Rolle in der Dauerbehandlung, sind aber durch die guten Ergebnisse der dualen Bronchodilatation nicht mehr ungezielt für die Symptomkontrolle einzusetzen, weil die Studienlage zeigt, dass die Kontrolle in der stabilen Phase für viele Patienten ohne ICS gut erreicht werden kann. Im Grunde hat sich die Strategie der inhalativen Therapie in den letzten 20 Jahren nicht wesentlich verändert, die einzelnen Medikamente und die Inhalatoren haben sich jedoch verändert! Heute gibt es eine Vielzahl von lang – über zwölf Stunden – und ultralang wirksamen – über 24 Stunden – bronchialerweiternden Medikamenten, die auch als Kombinationspräparat in einem Inhalator zusammengepackt sein können.
Die optimierte Therapie
Die Medikamenten- bzw. Inhalatoren-Vielfalt ermöglicht die Therapie insofern zu individualisieren, als auch bei COPD nicht alle Patienten alle Medikamentengruppen gleichzeitig inhalieren müssen, sondern an die Stabilität des Leidens angepasst behandelt werden können. Da die COPD zu den lebensstilbedingten Dauererkrankungen gehört, die zwar unheilbar, aber gut behandelbar sind, ist die Tatsache, dass sie dennoch bei sehr vielen Patienten fortschreitet und zum frühzeitigen Tod führt, inakzeptabel. Eine der Ursachen, eine sehr schlechte Therapietreue, zeigt, dass wir in die Medikamenteneinstellung und Therapieführung noch sehr viel investieren müssen.
In der Praxis empfiehlt sich am Beginn, engmaschig in der Betreuung vorzugehen und den Therapieerfolg mit dem Patienten zu kontrollieren:
- Schritt: LAMA als Basistherapie mit Inhalierschulung und Aufklärung
- Schritt: nach drei Monaten Kontrolle des Lungenfunktionserfolges und der Symptomverbesserung und -stabilität
- Schritt: Therapieerweiterung auf LABA/LAMA, wenn erforderlich – Therapietreue hinterfragen
- Schritt: nach drei Monaten Kontrolle des Lungenfunktionserfolges und der Symptomverbesserung und der körperlichen Aktivität
- Schritt: Durchuntersuchung bei Symptominstabilität: Differentialdiagnosen einholen
- Schritt: Therapieerweiterung auf Tripletherapie LABA/LAMA/ICS + Rehabilitation
Patienten, die von Beginn an mit häufigen Verschlechterungen (Exazerbationen) kommen, müssen genau abgeklärt werden, ob Asthma, Herzerkrankungen oder Infektionsquellen wie Bronchiektasien etc. vorliegen. Erst dann sollte eine Phänotypisierung als „Frequent Exacerbator“ – also häufig verschlechterter Patient – gestellt werden. Diese Spezialgruppe von COPD-Patienten ist eine besonders wichtige, da die Sterblichkeit unter diesen Patienten besonders hoch ist. Die genaue Analyse von Infektursachen wie Bronchiektasien oder Immundefekten etc. ist extrem wichtig und erfordert Therapieveränderungen bzw.-erweiterungen. Hier sind die Spezialisten gefragt und der Hausarzt sucht die enge Zusammenarbeit.
Die Verfügbarkeit der unterschiedlichen Medikamenten- bzw. Inhalatoren-Kombinationen am Markt sollte nicht dazu führen, dass Medikamente wahllos wegen Erfolglosigkeit ausgetauscht werden oder nach dem Gefühl der Patienten ausgewählt werden. Die Fehleranfälligkeit der richtigen Inhalationsanwendung steigt, wenn unterschiedliche Techniken wie Trockenpulver und Dosieraerosol oder Feinnebelmedikamente miteinander gemischt werden! Vielmehr ist es erforderlich, jedes Mal die Inhalation zu überprüfen und in schwierigen Fällen den Atemfluss auch zu messen, wenn das Therapieergebnis nicht zufriedenstellend ist, die Therapietreue zu erfragen und nach unentdeckten Ko-Erkrankungen zu suchen, bevor Medikamente gewechselt werden.
Was ist neu in der inhalativen Therapie?
Das Vorliegen neuer Kombinationspräparate – um die Unterscheidung sprachlich besser zu ermöglichen, bezeichnen wir die „alten“ bisherigen Kombinationen aus ICS/LABA als Kombinationspräparate und die neuen LAMA/LABA-Kombinationen als duale Kombinationen – bringt neben den Vorteilen der individualisierten Verordnung auch Risiken von Überdosierung durch Mehrfacheinnahmen von langwirksamen Betamimetika: Das Medikament ist Teil der Kombinations- und der dualen Therapie. Die Kommunikation aller behandelnden Ärzte (Klinik, Facharzt, Hausarzt) muss diesem Risiko Rechnung tragen und jede Verordnung mit dem Hinweis versehen, welche Präparate man NICHT kombinieren darf. Letztlich kann natürlich jeder Arzt die Inhaltsstoffe prüfen, um die Irrtumswahrscheinlichkeit zu reduzieren. Die europäische Medikamentenkommission hat dieses Risiko bereits zur Kenntnis genommen und fordert eine Farbkodierung auf den Medikamentenpackungen, die für Arzt und Patient eine einfache Erkennung möglich machen soll – wann diese Hilfestellung verpflichtend für ganz Europa kommt, ist derzeit ungewiss.
Vorgangsweise in der Praxis
Um die Patientenschulung zu erleichtern, können Patienten (Smartphone-User) eine COPD-App der österreichischen Gesellschaft für Pneumologie unter www.ogp.at – COPD Help kostenlos herunterladen. Dort finden sie auch Kurzvideos über die richtige Medikamenteninhalation – diese App finden auch behandelnde Ärzte für Demonstrationszwecke hilfreich.