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Infektionsprophylaxe in der Praxis

Mit der Revitalisierung des Händewaschens erlebt auch die Krankenhaus- und Ordinationshygiene eine neue Renaissance.


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Nicht nur die zuletzt alarmierenden Aussagen der WHO lassen Maßnahmen zur optimalen Hygiene in der Praxis besonders sinnvoll erscheinen, sondern auch die davor schon bekannten Resistenzentwicklungen. Die Antibiotikaeuphorie der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts hat sich als eine Art Trojanisches Pferd erwiesen. Zu siegessicher war die Medizin, zu erfinderisch die Natur in ihrer Findigkeit nach zum Teil sehr raffinierten Resistenzmechanismen, die die Grenzen einzelner Bakterienspezies weit übersteigen. Dazu kamen in den letzten Jahren Bedrohungen durch Virusmutationen und nicht zuletzt die Rückkehr von Erregern, die man in unseren Breiten weitgehend eradiziert glaubte. All das führte gleichsam zu einer Renaissance der Hygiene, zur Revitalisierung des Händewaschens, wenngleich Hygiene deutlich mehr ist als das. Darauf reagierte auch die Österreichische Ärztekammer mit einer neuen Hygieneverordnung, deren umfassende Details unter www.arzthygiene.at nachgelesen werden können. Diese Verordnung ist seit 1. 1. 2014 gültig und für alle Praxen bindend.

Bürokratieaufwand wächst

Die Verantwortung für die Umsetzung trägt entweder der Praxisinhaber selbst oder eine hygieneverantwortliche Person. Interessant ist, dass bereits in der Einleitung darauf hingewiesen wird, dass alle Beteiligten letztlich verpflichtet sind, sich regelmäßig via Website der Ärztekammer über allfällige Adaptierungen und Ergänzungen zu informieren. Soweit in dieser Verordnung personenbezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Männer und Frauen in gleicher Weise.
Das alles beinhaltet eine – allerdings notwendige – Dokumentationsflut, mit der viele ihre Probleme haben werden, denn der Ordinationsalltag ist bereits zu erheblichen Teilen mit Bürokratie blockiert und diese wird weiter wachsen. Schriftlich zu dokumentieren und zu paraphieren sind: Schulung und Information der Mitarbeiter über allgemeine Hygieneerfordernisse, Information und Verantwortung für Reinigung und Abfallentsorgung der Ordination, gesetzlich vorgeschriebene Dokumentation der Abfälle, Information und Verantwortung für die Aufbereitung (Reinigung, Desinfektion und gegebenenfalls Sterilisation) von Instrumenten – wenn in der Ordination Instrumente aufbereitet werden –, Verfahrensanweisungen für den Aufbereitungsprozess, gesetzlich vorgeschriebene Dokumentation der Aufbereitung, auch wenn die Aufbereitung für die Ordination (teilweise oder zur Gänze) durch einen externen Auftragnehmer durchgeführt wird.
Bei den baulichen Gegebenheiten liegt ein besonderes Augenmerk auf der Desinfektionsfähigkeit nahezu aller Bodenbeläge und der Wände bis in eine Höhe von etwa zwei Metern. Teppichbeläge, Pflanzen in Erde und Tiere sind aus Behandlungsräumen verbannt. In Behandlungsräumen mit Kontaminationsrisiko sind ein Handwaschplatz mit Warm- und Kaltwasser, die erforderlichen händebedienungsfreien Spender für Seife und alkoholische Händedesinfektionsmittel, Einmal-Papierhandtuchspender sowie ein Abfallkorb vorzusehen.

Schulungen erfordern Dokumentation

Die Reinigung der Ordination ist personenspezifisch zu paraphieren. Eine Desinfektion des Bodens erfolgt anlassbezogen. Eine Desinfektion von kontaminationsgefährdeten Einrichtungsoberflächen, Handläufen und dergleichen erfolgt in regelmäßigen Abständen sowie anlassbezogen. Die Auswahl der Desinfektionsmittel ist nach Anwendungszweck und benötigtem Wirkspektrum zu treffen. Exakt dokumentiert werden muss weiters die Schulung des Ordinationspersonals zu

  • Infektionskrankheiten und ihrer Verbreitung,
  • Infektionsrisiken in der Ordinationsstätte,
  • Risiken im Zusammenhang mit Verletzungen durch scharfe oder spitze medizinische Instrumente und dem dadurch möglichen Kontakt mit Blut oder anderen potenziell infektiösen Stoffen oder sonstigen gesundheitsgefährdenden Arbeitsstoffen,
  • allgemeinen Hygieneerfordernisse in der Ordinationsstätte,
  • die in der jeweiligen Ordinationsstätte angewendeten speziellen Maßnahmen zur Hygiene, die Verantwortlichkeiten in der jeweiligen Ordinationsstätte und allfällige Vertretungsregelungen.

Das alles gilt auch dann, wenn ordinationsfremde Dienstleister die Einweisung vornehmen

Impfungen für das Personal

Den Mitarbeitern sind unter Beachtung des Risikoprofils der Ordinationsstätte und der Empfehlungen des obersten Sanitätsrates und der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt AUVA Schutzimpfungen anzubieten. Die Mitarbeiter sind über empfohlene Impfungen ausreichend aufzuklären; die Daten der Impfungen sind in persönlichen Impfaufzeichnungen mit Chargeninformationen und vorgesehenen Auffrischungsterminen einzutragen. Eine Kopie der persönlichen Impfaufzeichnungen liegt bei den Personalunterlagen auf. Eine Ablehnung angebotener Schutzimpfungen ist zu dokumentieren. Hierzu sollte man wissen, dass die Empfehlungen des Obersten Sanitätsrates in einigen Bereichen auch über das hinausgehen, was allgemein den Patienten angeboten wird. Daher ist es empfehlenswert, sich dazu gesondert Informationen einzuholen.

Händedesinfektion

Das Händewaschen mit Seife erfolgt zur Reinigung der Hände nach Verschmutzung und nicht zur hygienischen Desinfektion. Bei allen Tätigkeiten mit unmittelbarem Patientenkontakt ist auf gepflegte, natürliche, kurz geschnittene Fingernägel zu achten. Handschmuck und künstliche Fingernägel sind zu vermeiden, bei sterilen, chirurgischen Eingriffen ohnehin unzulässig. Eine hygienische Händedesinfektion ist nach jedem Hautkontakt mit offenen Wunden oder Hautschädigungen durchzuführen, wobei Fingerkuppen und Interdigitalbereiche zu beachten sind. Hände sind vor der Desinfektion trocken zu halten, um eine Verdünnung des Desinfektionsmittels zu vermeiden. Die Händedesinfektion hat über 30 Sekunden mit einem alkoholischen Händedesinfektionsmittel zu erfolgen, das bei einer anerkannten Fachgesellschaft gelistet ist.
Die Händedesinfektion vor chirurgischen Eingriffen hat mit einem alkoholischen Händedesinfektionsmittel mit einer Anwendungsdauer von zumindest 90 Sekunden zu erfolgen, das bei einer anerkannten Fachgesellschaft gelistet ist. Eine Händereinigung mit Wasser und Seife wird vor dem ersten Eingriff und zwischen den Eingriffen nur bei Verschmutzung der Hände durchgeführt.
Weitere Abschnitte der Verordnung beschäftigen sich mit Themen wie Kontaminationen, Verbandwechsel, medizinische Gebrauchsgegenstände, der Abfallentsorgung und der Medizinproduktaufbereitung. Dem Schlusswort muss eigentlich nichts hinzugefügt werden: Dieser Verordnung sind zur Unterstützung der sachgerechten Umsetzung der Hygienebestimmungen Musterformulare als Anlage beigefügt. Die Musterformulare und weiterführende fachspezifische Empfehlungen zu hygienischen Anforderungen an räumliche Ausstattung, verwendete Werkstoffe und Aufbereitungsprozesse für die Anwendung in ärztlichen Ordinationen und Gruppenpraxen werden auf der Website der Österreichischen Ärztekammer, der Österreichischen Gesellschaft für Qualitätssicherung & Qualitätsmanagement in der Medizin GmbH (ÖQMed) bzw. unter www.arzthygiene.at zum Download bereitgestellt.                                                                 ws