Hotspot Berlin
Das Vorstands-Duo der s Immo, Friedrich Wachernig und Ernst Vejdovszky, im Gespräch mit ÄrzteEXKLUSIV über Immobilienblasen, Berlins Charme, die Wiederentdeckung von Osteuropa und die Transformation der Aktie zu einem klassischen Dividendenpapier.
ÄrzteEXKLUSIV: Ist der Plafond bei den Preisen für Wohnimmobilien nach dem kräftigen Anstieg im Zuge der Finanzkrise schon erreicht? Zeichnet sich vielleicht sogar eine Blase ab?
Friedrich Wachernig: Die Preise sind zwar auf einem hohen Niveau, haben aber noch nicht ihren Plafond gesehen. Es ist sehr viel Geld im Markt und im Wohnsegment ist Wien noch weit von anderen großen Städten wie London oder Paris entfernt. Dazu kommt die demografische Entwicklung. Wien hat einen starken Zuzug von rund 50.000 Personen pro Jahr und wird bis 2050 auf bis zu zwei Millionen Einwohner wachsen. Die Nachfrage nach Wohnraum wird daher weiter anhalten. Deshalb wird es in Wien und auch in Österreich zu keiner Blasenbildung kommen.
ÄE: Welche Trends sehen Sie in Luxus- und mittleren Preissegmenten?
Wachernig: Vor allem im Luxussegment sehen wir kein massives Überangebot. Nachdem Geld für die Käufer dieses Segments keine Rolle spielt, werden die Preise dort mit Sicherheit noch auf bis zu 25.000 Euro pro Quadratmeter steigen. Denn Wien ist als Standort besonders attraktiv. Zudem wollen Private Family Offices ihr Geld in Sicherheit bringen. Meist wird daher über Eigenkapital finanziert, obwohl Fremdkapital derzeit sehr günstig wäre. Auch im mittleren Segment sehen wir sehr starken Bedarf. Viele Projektentwickler suchen händeringend nach Grundstücken und neuen Projekten. Daher haben die Preise etwa im zweiten, 20. und teilweise auch im 15. Bezirk massiv angezogen. Kurzum: Ich glaube, dass die Preise zwar nicht im bisherigen Tempo, an starken Standorten jedoch moderat weiter steigen werden.
ÄE: Berlin gilt als der große Hotspot. Was macht den Markt so spannend?
Ernst Vejdovszky: Das Preis- und Mietniveau in Berlin ist noch um einiges niedriger als in Wien – konkret: Ein Quadratmeter Neubauwohnung in vernünftiger Lage kostet in Wien etwa 4.000 Euro, in Berlin 3.000 Euro. Das Mietniveau für vergleichbare Qualität beträgt in Wien etwa neun bis zehn Euro pro Quadratmeter, in Berlin fünf bis sieben Euro. Die Renditen für Zinshäuser liegen in Wien zwischen zwei und 4,5 Prozent, in Berlin zwischen 4,5 und 7,5 Prozent. Das heißt: Durch den wesentlichen Unterschied im durchschnittlichen Preis- und Mietniveau für Wohnungen und Zinshäuser ergibt sich auch ein größeres Aufwärtspotenzial. In Wien würde ich es mit bis zu 20 Prozent beziffern, in Berlin in einigen Segmenten bis zu 30 Prozent und mehr innerhalb der nächsten Jahre. Im Eigentumswohnungsmarkt rechnen wir aufgrund der niedrigen Eigentümerquote von derzeit nur 14 Prozent über die nächsten fünf Jahre mit einem anhaltenden Aufwärtstrend.
ÄE: Wo stehen Sie jetzt auf der Käufer- beziehungsweise Verkäuferseite?
Wachernig: Wir haben unsere Wohnimmobilien in Wien fast zur Gänze verkauft. Auch in Deutschland verkaufen wir die eine oder andere Immobilie zu attraktiven Preisen. Wir haben dort 2005/2006 teilweise zu 600 Euro pro Quadratmeter eingekauft und verkaufen jetzt um bis zu 2.000 Euro. Auch hier generieren wir sehr schöne Gewinne. Man merkt, dass die Leute in sichere Häfen investieren wollen. Das kommt uns zugute, wenn wir verkaufen.
ÄE: Sollte man als Privatanleger aus Renditeüberlegungen in Wien jetzt nicht auch schon auf der Verkäuferseite stehen?
Friedrich Wachernig: Da geht es nicht um Renditen, sondern darum, sein Geld sicher investiert zu wissen. Wir sehen auch kaum Investoren, die ihre Immobilien verkaufen. Denn die Frage ist, was man dann mit dem Geld machen soll.
ÄE: Wie läuft das Segment Büroimmobilien?
Vejdovszky: Der Markt tendierte stabil seitwärts. In Berlin war er lange Zeit sehr schlecht. Nachdem Berlin aber zunehmend als Hauptstadt wahrgenommen wird, sehen wir jetzt einen deutlichen Aufwärtstrend.
ÄE: Wurde in Osteuropa die Talsohle schon erreicht?
Wachernig: Osteuropa muss man stark differenziert sehen, weil sich die Länder unterschiedlich entwickeln. Wir sind hauptsächlich in den Hauptstädten in den Segmenten Retail und Office investiert. Dort hat sich eine gewisse Bodenbildung entwickelt. Ich denke, wir haben die Talsohle durchschritten. Es kommt aber sehr darauf an, welche Immobilien und welche Standorte man hat. Qualität setzt sich auch in Krisenzeiten durch. Sofia ist sicher der schwierigste Markt in Osteuropa. Wir haben in unserem Serdika Center den Bereich Einzelhandel voll vermietet und neue Shops im Ausbau. Die Konkurrenzsituation hat sich zwar durch die Eröffnung anderer Einkaufszentren verstärkt. Nachdem es jetzt aber kaum neue Projekte gibt, sind wir zuversichtlich, die Talsohle durchschritten zu haben. Sowohl in Sofia als auch in Bukarest haben wir uns besondere Positionen erarbeitet: Das Serdika Center gilt als das Nummer eins Modecenter in Bulgarien mit der größten Auswahl. In Bukarest sind wir mit dem Sun Plaza im Südosten der Stadt mit 80.000 Quadratmeter der einzige große Player.
ÄE: Wie profitabel ist das Geschäft in Südosteuropa?
Vejdovszky: Wir verdienen auch in diesen wirklich schwierigen Märkten operativ ordentlich Geld. Was sich anders als erwartet entwickelt hat, waren die Schätzwerte. Doch diese deutlichen Abwertungen haben wir inzwischen verdaut.
ÄE: Wo wollen Sie in Zukunft Ihre Schwerpunkte setzen?
Vejdovszky: Wir verfolgen schon seit längerer Zeit die Strategie eines gemischten Portfolios über vier Nutzungsarten – Wohnen, Handel, Büro und Hotels – in vier Regionen. Unsere Strategie heißt: Nutze die unterschiedlichen Marktzyklen in diesen vier Regionen und vier Nutzungsarten und optimiere damit die Ergebnisse der Gesellschaft. Konkret: Wir verkaufen Wohnimmobilien in Wien, weil wir glauben, dass die Preise hoch sind, und kaufen Büros in Berlin, weil wir hier am Beginn einer Aufwärtsbewegung sind. Wir bemühen uns, auf der sicheren Seite zu sein. Deshalb investieren wir derzeit nicht in Südosteuropa, sondern werden dort erst wieder aktiv, wenn wir ein deutliches Aufwärtssignal sehen. Ein weiteres wichtiges Kriterium unserer Strategie heißt: Profitabilität vor Größe. Also wir wollen in erster Linie Geld verdienen.
ÄE: Wie kommen Sie mit Ihrem Projekt Quartier Belvedere Central am Wiener Hauptbahnhof voran?
Wachernig: Wir haben vor, dass wir im kommenden Jahr mit dem Aushub der Baugrube neben dem Erste Campus für die erste von mehreren Bauetappen beginnen.
ÄE: Die s Immo hat ihre Profitabilität zwar deutlich gesteigert, im Aktienkurs spiegelt sich das aber nicht wider. Der Abschlag zum inneren Wert beträgt hartnäckig 50 Prozent. Woran liegt das und was könnte ein möglicher Kurstreiber sein?
Vejdovszky: Ich glaube, es liegt zu einem guten Teil daran, dass internationale Anleger noch relativ wenig in Wien investieren und ein gewisser Osteuropa-Teil derzeit nicht beliebt ist. Das wird sich irgendwann ändern. Wir bemühen uns, beste Ergebnisse zu erzielen und den inneren Wert zu steigern. Irgendwann, vielleicht rascher als man denkt, wird das zu Kurssteigerungen führen. Das wird nicht in den nächsten Monaten sein, aber der Zeitpunkt kommt sicher.
ÄE: Was planen Sie, um die Finanzierungsstruktur von Aktien und Genussscheinen zu vereinfachen und wie wollen Sie Ihre Aktie künftig positionieren?
Vejdovszky: Unsere Genussscheine laufen bis 2029. Aber ab 2018 gibt es eine Kündigungsmöglichkeit. Wir kaufen diese Genussscheine schrittweise aus dem Markt zurück, sodass sie in zwei bis drei Jahren kein materielles Thema mehr sein werden. Andererseits wollen wir die s Immo Aktie zu einem klassischen Dividendenpapier umgestalten. Wir haben für 2011 erstmals eine Dividende von 0,10 Euro je Aktie ausgeschüttet und diese für 2012 um 50 Prozent auf 0,15 Euro erhöht. Das entspricht einer Dividendenrendite von 3,3 Prozent. In diesem Tempo wird es realistischerweise nicht weitergehen. Aber wir wollen unsere Ergebnisse steigern und damit auch die Dividenden. Die Ausschüttungsquote soll sich künftig zwischen 35 und 50 Prozent bewegen.
Marktführer Immofinanz
Mit einem Immobilienvermögen von 10,5 Milliarden Euro in acht Ländern ist die Immofinanz Group die mit Abstand größte österreichische Immo-AG. Je rund 30 Prozent entfallen auf die Segmente Retail, Office und Residential, knapp zehn Prozent auf Logistik. Rund die Hälfte des Immobilienvermögens befindet sich in Osteuropa.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr – per Ende April 2013 – erreichten die Mieterlöse mit 656 Millionen Euro, das Betriebsergebnis mit 542 Millionen Euro und der operative Cashflow mit 409 Millionen Euro ein Rekordhoch. Der Gewinn ging aufgrund eines Einmaleffekts durch die Neubewertung des Einkaufscenters Golden Babylon Rostokino in Moskau um 59 Prozent auf 111 Millionen Euro zurück.
Im Fokus steht aktuell das Thema Buwog: Die Immofinanz will ihre Wohnimmobilien-Tochter über den Kapitalmarkt verselbstständigen – entweder über einen klassischen Börsegang oder einen Spin-off. Die Immofinanz würde für das ertragreichere, aber auch riskantere Osteuropa-Geschäft mit den meist höher rentierenden Segmenten Retail und Office stehen und Buwog mit Residential für den sicheren Hafen. Durch die Trennung erhofft sich CEO Eduard Zehetner eine höhere Börsenbewertung für beide Aktien, denn der Aktienkurs der Immofinanz liegt seit Längerem rund 50 Prozent unter ihrem Wert. Attraktiv ist vor allem die Dividendenrendite von 6,7 Prozent.
Allrounder s Immo
s Immo investiert und verwaltet Immobilien im Gesamtwert von 1,8 Milliarden Euro in europäischen Hauptstädten von Berlin über Prag und Wien bis Bukarest. Derzeit liegt der Fokus auf Berlin und Wien. Investiert wird in vier Nutzungsarten: Büro (40 Prozent), Geschäft (26 Prozent), Wohnen (20 Prozent) und Hotels (14 Prozent). Mit dieser Diversifizierungsstrategie will man die Immobilienzyklen strategisch nutzen. Gemessen am operativen Ergebnis in Relation zum Immobilienportfolio ist s Immo im Vergleich zu Immofinanz, CA Immo und conwert das effizienteste Unternehmen.
Der Kursabschlag zum inneren Wert beträgt 50 Prozent, die Dividendenrendite 2013 wird auf 3,7 Prozent geschätzt.