Halsschmerz – Nicht immer ist eine Infektion der Auslöser
Kein Infekt, keine Allergie und trotzdem brennt der Hals: Ärzte tappen bei einer derartigen Bestandsaufnahme mitunter im Dunkeln. Oft haben diese innen gefühlten Schmerzen äußere, durch Verspannung hervorgerufene Gründe.
Wer Halsschmerzen zu ergründen versucht, der zieht wahrscheinlich zuallererst einmal eine bakterielle Infektion in Betracht. Wenn auch die Schilddrüse in Ordnung ist, Allergien ausgeschlossen werden können und auch kein Magenproblem vorliegt, dann gibt es für die betreffenden Beschwerden mitunter keine Erklärung – es sei denn, es wird noch etwas anderes miteinbezogen: Tatsächlich verursachen verspannte Muskeln, durch Dauerkontraktion überbeanspruchtes Bindegewebe sowie verschobene Halswirbel Schmerzen, die dem „üblichen“ Halsweh durchaus ähnlich sind. Am häufigsten sind bei dieser Form der Halsschmerzen das Bindegewebe am Hals vorn bis seitlich und Teile der Zungenbeinmuskulatur betroffen. „Die äußere Verspannung wird als innerer Schmerz empfunden“, erklärt der Ärztliche Leiter der Wiener Schule für Osteopathie, Dr. Erich Mayer-Fally.
Blockaden des Lymphflusses
Verspannungen kämen auch zum Teil dadurch zustande, dass der Betroffene – meist stressbedingt – die Zunge nach hinten an den Gaumen presst und den Kehlkopf mit den suprahyoidalen Muskeln ständig hochgezogen hält. Um Verspannungen in diesem Bereich zu lösen, reicht im Allgemeinen die Bindegewebsbehandlung nicht, sondern es muss auch die Mundbodenmuskulatur mit behandelt werden. Im Idealfall sollte auch die suprahyoidale Muskulatur miteinbezogen werden. Auch der Palatopharyngeus-Muskel im Bereich des Gaumens befindet sich oft in Dauerkontraktion. „Eine weitere mögliche Verbindung besteht über den Austausch von Flüssigkeiten in den Geweben“, so Mayer-Fally. Wenn Verspannungen im Bereich des Schultergürtels festgestellt werden, so kann es hier leicht zu Blockaden des Lymphflusses oder zu einer Störung des arteriellen Zuflusses und des venösen Abflusses kommen. Ebenso führt eine Atemfunktionsstörung, wie wir sie bei der COPD finden, oft zu einem verminderten Abfluss der Flüssigkeiten aus der Halsregion in den Thorax. Dies kann wiederum zu einem ungenügenden Abtransport von Schadstoffen führen und damit steigt die Infektanfälligkeit: Zum Verspannungshalsweh gesellen sich dann oft „ganz normale“, bakteriell bedingte Halsschmerzen. 
Schluckbeschwerden inklusive
„Ebenfalls in Betracht zu ziehen sind etwaige Blockaden zwischen Schädelbasis und Atlas und Anspannungen der kurzen Nackenmuskulatur, welche die Funktion des Nervus glosso pharyngeus (IX Hirnnerv) und Nervus vagus (X Hirnnerv) beeinträchtigen können und sich so ungünstig auf den Kehlkopfbereich auswirken, da diese Hirnnerven die Schlundmuskulatur sensibel und motorisch versorgen“, erklärt der Osteopath. Dies kann eventuell nicht nur zu Halsschmerzen führen, sondern der Betreffende kann dann mitunter auch an Schluckbeschwerden leiden. An den Beschwerden mitbeteiligt ist hier neben der Schluckmuskulatur auch das Bindegewebe. Für den Arzt oder Therapeut gilt es herauszufinden, welche Verspannungen genau vorliegen: Kann der Patient beispielsweise beim Schlucken Zungenbein und Kehlkopf nicht nach oben ziehen oder kann er sie nicht nach unten ziehen? Je nachdem werden die Überzungenbeinmuskeln oder die Unterzungenbeinmuskeln beziehungsweise das Bindegewebe der betreffenden Muskeln behandelt. 
Auch das vielen bekannte Globusgefühl im Hals kann mit Verspannungen im muskulären Bereich zu tun haben. Der sogenannte Kloß im Hals kann als ein Paradebeispiel dafür gesehen werden, dass verspannte Muskeln und Bindegewebe oft nicht dort gespürt werden, wo sie sich befinden – nämlich außen am Körper, obwohl der Patient schwören könnte, dass sich dieser Kloß tief innen im Hals befindet. Er verschwindet aber oft mit der Behandlung des Unterhautbindegewebes bzw. der Faszien sowie der Behandlung von weiteren Muskeln wie eventuell noch dazu des unteren Teils des vorderen Sternocleidomastoideus-Muskels. 
Atem- und Sprechtechnik
Zur endgültigen Beseitigung des Kloßes im Hals sind eventuell auch noch kleinere „Korrekturen“ notwendig, wie eine Umstellung der Atem- und Sprechtechnik, sowie ein Ablegen von „dummen Angewohnheiten“. 
Zu diesen, die den Betroffenen zunächst nicht bewusst sind, gehört unter anderem das ständige automatische Anspannen der Halsmuskulatur durch Fehlhaltungen. Diese Fehlhaltungen können bedingt sein durch einen ergonomisch schlecht eingerichteten Computerarbeitsplatz oder bei nicht korrigierten und auch oft nicht bewusst wahrgenommenen Störungen des Visus. 
Ebenso kann ein nächtlicher Bruxismus zu einer erhöhten Anspannung der gesamten Nacken- und Schlundmuskulatur führen. Ein nichtkorrigierter Fehlbiss führt weiters neben Kiefergelenksproblemen zu einem deutlich erhöhten Tonus der Muskulatur. Erst mithilfe einer zahnärztlichen Korrektur oder einer Aufbissschiene kann sich dann das Problem „Halsschmerz“ lösen.           ct
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