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Grün macht glücklich

Zurück zur Natur ist ein Trend, der vor allem Menschen in Ballungsräumen beschäftigt. Wer kein Grün in Sicht hat, der schafft es sich kurzerhand einfach selbst!


Univ.-Prof. DI Andreas Lichtblau: „Grüne Fassaden oder Bäume vor Haus und Ordination tragen zu einem gesunden Mikroklima bei.“ Im Bild ein Projekt des Büros lichtblauwagnerarchitekten, www.lichtblauwagner.com, www.iwtugraz.at. Foto: Spilluttini und lichtblau

Die Gesundheitsforschung belegt, dass Menschen in Städten deutlich häufiger an psychischen Erkrankungen wie Depression oder Schizophrenie leiden als Bewohner ländlicher Gebiete. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Belastungen des Stadtlebens wie Lärm, Staub oder Hektik die Hirnphysiologie belasten und das Risiko für psychiatrische Leiden steigern. Durchaus ernst zu nehmende Studienergebnisse zeigen immer öfter die positive Wirkung der Natur auf die Gesundheit auf. So gelten Personen, die Zugang zu Grünflächen haben, im Allgemeinen als gesünder und weisen ein niedrigeres Sterblichkeitsrisiko auf. Vor allem Menschen in waldreichen Gebieten erkranken seltener und leben durchschnittlich länger. So kann etwa mithilfe der Herzratenvariabilitätsmessung belegt werden, dass ein Spaziergang im Grünen ausreicht, Stresshormone abzubauen und den Pulsschlag zu senken. Eine naturnahe Umgebung fördert die körperliche Bewegung und die Regeneration bei körperlichen und psychischen Erkrankungen. Selbst rekonvaleszente Patienten erholen sich nach einer Operation allein durch den Kontakt mit Natur deutlich schneller.

Das Plus aus der Natur

Die Literaturstudie „Naturerleben und Gesundheit“ der Österreichischen Bundesforste hat erst kürzlich einmal mehr die Auswirkungen von Natur auf das Wohlbefinden untersucht und belegt: „Besonders Kinder, ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen profitieren von Naturerlebnissen. Der Aufenthalt im Grünen fördert die intellektuelle und soziale Entwicklung sowie Kreativität und Problemlösungskompetenz durch interaktives Spiel. Für ältere Menschen bildet Naturerleben eine wichtige Ressource für die psychische Gesundheit – es beugt mit dem Altern verbundenen Ängsten vor und stärkt lebensverlängernde Sozialkontakte.“
Auch britische Forscher von der University of Exeter sind kürzlich dem Effekt von Grünflächen auf die psychische Gesundheit nachgegangen und zeigen anhand von Dokumentationen über 18 Jahre, dass Blätterrauschen im Wald, der Duft feuchter Walderde und Vogelgezwitscher nicht nur alle Sinne des Menschen ansprechen, sondern einfach glücklich machen.

Do-it-yourself-Glück zum Nachrüsten

Wer nun aufgrund seiner Wohn- oder Arbeitsumgebung mit Bäumen, Sträuchern, Gras oder Vogelgezwitscher nicht gesegnet ist, kann sich mit der Unterstützung von Landschaftsplanern oder Architekten kurzerhand sein Vordach oder die graue Fassade selbst in ein Stückchen grünes Glück umwandeln und dem aktuellen Trend zum gesunden Wohnen und nachhaltigen Leben folgen.
Das Nachrüsten von Grünflächen sollte vor allem bei Renovierungs- oder Sanierungsvorhaben mitbedacht werden. „Wir haben Altbauprojekte, bei denen wir Balkone oder Terrassen bewusst ergänzt haben. Wir verwenden gerne einfache Holz- oder Metallkonstruktionen, die eine Fassendenbegrünung rasch und mit wenig Aufwand möglich machen“, erklärt Univ.-Prof. DI Andreas Lichtblau, Architekt, Vorstand des Institutes für Wohnbau der TU Graz.
Gründächer und -fassaden speichern auf natürliche Art Wasser, binden Staub und heizen sich auch bei extremen Temperaturen kaum auf. Sie schützen auch die Abdichtung von herkömmlichen Dächern vor Umweltbelastungen und verlängern so die Lebenserwartung. Gebäude werden nicht nur optisch aufgewertet und der Wärme- sowie Schallschutz auf natürliche Weise verbessert. Zudem wird neuer, natürlicher Lebensraum für Pflanzen und Tiere geschaffen. Unabhängig davon, wie umfangreich Ihr Grün-Bauvorhaben ist, Experten sollten jedenfalls zugezogen werden, denn die Begrünungen stellen spezielle Anforderungen an Bauwerke – etwa die Dachneigung – und Unterkonstruktionen, die in ihrer Komplexität keinesfalls im Do-it-yourself-Selbstbausatz aus dem Internet berücksichtigt werden können.

Ohne Pflege geht es nicht

Damit Pflanzen auf Dächern einen optimalen Lebensraum finden zu können, werden die Gegebenheiten auf kleinstem, verdichtetem Raum nachempfunden. Daher sind sogenannte Funktionsschichten notwendig, die für die Speicherung von Wasser, die Belüftung oder die Nährstoffversorgung erforderlich sind. Je nachdem, welche Pflanzen vorgesehen sind und wie hoch der Pflegeaufwand ist, wird zwischen intensiver und extensiver Dachbegrünung unterschieden. Intensivbegrünungen setzen auf Rasenflächen, Stauden, Sträucher, aber auch Bäume. Daher liegt die Aufbauhöhe einer Intensivbegrünung meistens über 25 cm und die statisch zu berücksichtigende Last über 300 kg pro m². Weniger Last verursachen bodendeckende Begrünungen mit Gräsern und kleineren Gehölzen, die nur bei Bedarf zusätzlich bewässert werden müssen. Hier liegt die Aufbauhöhe meistens zwischen 15 und 25 cm und das Aufbaugewicht ist deutlich geringer.
Die einfachste Form von Dachbegrünungen sind sogenannte Extensivbegrünungen, die mit Kräutern, Gräsern und Moos das Auslangen finden und nicht zusätzlich bewässert werden müssen. Sie kommen schon mit einem Flächengewicht von etwa 70 kg pro m2 aus. Zusätzlich ist bei der Planung zu beachten, ob das Dach auch andere Funktionen erfüllen soll: Sitzgelegenheiten, Spielplätze oder Wasserbereiche können je nach Unterkonstruktion und Belastung eingeplant werden. Und nicht zu vergessen ist auch hier die emotionale Komponente: „Pflanzen brauchen Zuwendung, die über das Gießen hinausgeht. Laub muss gerecht oder Äste müssen geschnitten werden“, ergänzt Lichtblau.

Es muss nicht immer oben sein

Während auf der einen Seite Grünflächen dafür sorgen, dass Wärme gespeichert wird, unterstützen die Bepflanzungen auch die Kühlung im Sommer. Und das gilt nicht nur für Dachgärten, die natürlich nicht bei jedem Haus vorhanden sind, sondern auch für Fassaden, die mit einem Luftpolster zwischen Wand und Blättern wie eine Klimaanlage wirken. Pflanzen an der Fassade verbinden Haus und Garten zu einer natürlichen Einheit. Einfache Pflanzbehälter benötigen wenig Platz – wer die Möglichkeit hat, ist mit einer Drainageschicht aus Kies oder Schotter schnell dabei, wenn es um eine grüne Fassade geht.
Im Gegensatz zur landläufigen Meinung, dass die Fassaden von Kletterpflanzen beschädigt werden, wird viel mehr die Bausubstanz vor Sonne, Wind und Regen geschützt. Die einfachste Form der Fassadenbegrünung sind Kletterpflanzen: Efeu, Wilder Wein oder Kletterhortensien wachsen einfach an der Hausmauer hoch. Schlingpflanzen, Ranker oder Spreizklimmer wie Kletterrosen benötigen waagrechte und senkrechte Stützen. Wer Platz hat, der sollte auch daran denken, einfach Bäume zu pflanzen. „Wir setzen Bäume sehr gerne vor Fassaden als Beschattungselement ein. Der Blick in eine Baumkrone hat durchaus auch eine wichtige emotionale Komponente. Ein Stück Natur vor dem Fenster stellt auch wieder den Bezug zu den Jahreszeiten her, wenn man sich viel in Innenräumen aufhalten muss“, betont Lichtblau.

Sind Gründächer teurer?

Trotz der zahlreichen Vorteile, die grüne Dächer oder Fassaden bieten können, sind Bauwerber noch zurückhaltend. In Wien wurden beispielsweise im Jahr 1992 die rechtlichen Voraussetzungen zur verpflichtenden Errichtung von Gründächern für Neubauten vom Wiener Gemeinderat durch Novellierung der Wiener Bauordnung geschaffen. Hier handelt es sich jedoch nur um eine Kann-Bestimmung. Seit 2003 existiert zwar eine direkte Förderung für Dachbegrünung in Wien, wobei für etwa 200 existierende Projekte bisher lediglich rund 200.000 Euro investiert wurden – und das, obwohl grüne Dächer im Vergleich zu Kiesdächern nur unwesentlich teurer sind, wie eine Studie im Auftrag der Wiener Umweltschutzabteilung (MA 22) belegt. Die Ausgleichsflächen sind in den wenigsten Bauvorhaben, Ausschreibungen oder Wettbewerben vorgesehen bzw. werden noch immer nicht als Stand der Technik angesehen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Wenige Architekten oder Bauherren sind ausreichend informiert, Förderungen sind kaum bekannt und das meiste Engagement geht derzeit wohl noch von Firmen aus, die an der Errichtung verdienen. rh